Özdemir und die künftige Landwirtschaftspolitik

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will Fleisch teurer machen. In den Ställen sollen weniger Tiere stehen und auf die Felder weniger Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden.

Cem Özdemir, der bisher nicht durch übertrieben substanzielle Aussagen zur Landwirtschaft aufgefallen ist und den der Zufall auf den Chef-Sessel des Landwirtschaftsministeriums gespült hat, sagte Bild am Sonntag: »Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben, sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima. Das will ich ändern.«


Als ob er das ändern könnte! Ein Landwirtschaftsminister kann, das hat Özdemir offenbar noch nicht begreifen können, nicht par ordre du mufti die Preise für Fleisch erhöhen. Er hat schlicht keine Handhabe dazu, kann nicht einfach festlegen, dass die deutschen Bauern mehr vom Verkaufspreis bekommen sollen.

Deutsche Landwirtschaftspolitik könnte nur Steuern für alle auf Endprodukte packen. Doch teurere Produkte im Laden bedeuten nicht, dass Landwirte mehr bekommen. Er müsste die Marge des Handels verknappen. Die ist in den letzten Jahren bei Schweinefleisch von 2,60 auf 3,60 Euro pro Kilogramm gestiegen. Der Handel steckt sich pro Kilogramm also einen Euro mehr ein. Die Erzeugerpreise sind dagegen drastisch gesunken. Der Bauer bekommt lediglich durchschnittlich 1,23 Euro pro Kilogramm Schweinefleisch.


Lebensmittelproduktion geschieht heute am Weltmarkt. Dort wird zu Kosten produziert, die deutlich unter den hohen Kosten deutscher Landwirte liegen. Die Fleischproduktion außerhalb Deutschlands unterliegt keinen solch drastischen Einschränkungen wie hierzulande. Die sind politisch gewollt und zerstören eine hoch entwickelte leistungsfähige einheimische Landwirtschaft.

Ein ungleicher Wettbewerb: Je mehr Landwirtschaftspolitik einheimischen Bauern das Leben schwerer macht, desto mehr Betriebe geben hierzulande auf. Folge: Das Ausland kann mehr nach Deutschland exportieren. Da nutzt vermutlich auch eine Kennzeichnungspflicht nicht viel. Eine Bevölkerung, die immer weniger im Portemonnaie hat, kauft nach dem Preis ein. Letztlich haben die hochtechnisierten und effizienten Handelsketten mit ihren günstigen Preisen mehr dazu beigetragen, dass es zu keinen Hungeraufständen kommt, als der ach so umweltbewusst einkaufende Besserverdienende im Bioladen.

Doch deren Schnitzel würde noch teurer werden, wenn nicht neben der Fleischtheke die arme Oma Gehacktes im Sonderangebot kaufen würde. Denn nur weil vom Schwein alles verwertet wird und der Teil, der hierzulande nicht gegessen, sondern exportiert wird, ist der Preis immer noch günstig. So kaufen Kunden hierzulande meist Schnitzel und Koteletts – Schweineohren, Schnauzen und Pfoten gehen beispielsweise nach China, die dort sehr nachgefragt werden. Früher ging fettes Bauchfleisch vornehmlich nach Russland, wo es gefragt war. Die Verbraucherpreise in Deutschland werden teurer, wenn nicht alle Teile verwendet werden. Ansonsten müssten die nicht verkauften Teile entsorgt werden, und damit würden Schnitzel teurer.


Özdemir und seine Gefolgsleute verstehen nicht, wo Preise gemacht werden. Die grünen Truppen im Landwirtschaftsministerium könnten eine Besteuerung auf Einfuhren erheben. Doch alle Handelsabkommen sind wesentlich darauf ausgerichtet, deutsche Industrieprodukte zu verkaufen. Als Gegenleistung bieten die nicht so hoch entwickelten Länder ihre Produkte an. Das sind häufig Lebensmittel und Vorprodukte. Das würde einen Eingriff in vielfältig verflochtene und mühsam vereinbarte Handelsbeziehungen bedeuten.


Das Einzige, was Özdemir könnte: die überbordende Bürokratie abbauen und jene Kohorten Kontrolleure in Landwirtschaftsämtern, Kammern und Behörden abbauen. Die Dokumentationspflichten kosten vor allem kleine und mittlere Bauern erhebliche Summen. Erfolg: Der Verbleib der Gülle eines jeden Schweines in deutschen Ställen ist mittlerweile genauer und zuverlässiger registriert, statistisch erfasst und dokumentiert als die zusammengeschusterten Coronazahlen in Krankenhäusern.

Während landwirtschaftliche Großbetriebe mit eigenem Personal die bürokratischen Hürden erfüllen können, bleibt überforderten kleineren Bauern nichts anderes übrig, als diese Aufgaben an Landwirtschaftskammern zu übergeben. Die benötigen neue Leute und werden dadurch immer fetter. Heerscharen an Bürokraten füttern so wiederum Bürokraten in der Verwaltung. Bezahlen müssen am Ende Landwirt und Verbraucher. Statt am Rechner Statistiken in Hunderte von Tabellen zu füllen, könnte sich der Bauer mehr um seinen landwirtschaftlichen Betrieb kümmern.


Stattdessen bedient Özdemir die Wünsche der grün angehauchten Städter, die zwar Roggen nicht von Weizen unterscheiden können, aber sehr wohl wissen wollen, was fachlich gut ausgebildete Landwirte tun müssen.
Die »Nachfragemacht des Staates« wolle er nutzen, um mehr »bio« auf die Felder zu bringen. Die »Bio«-Nische bleibt recht konstant bei 12 Prozent; die Idee zu äußern, diesen Markt auf 30 Prozent hochzuschrauben, kann nur jemand Unkundigem einfallen. Viele Bauern stünden in den Startlöchern, um Hanf anzubauen, meint er, ohne eine Ahnung von den Anbaumengen und dem Ertrag zu haben, die fürs Kiffen gebraucht werden. Der bisherige Indoor(!)-Anbau reicht für alle, um sich die Birne wegzukiffen, wenn der Weizen fürs Brotmehl fehlt. Unsäglicher geht’s nicht mehr.

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