Egal, wieviel Geld man ihm in den Rachen wirft:

Erdogan schickt wieder Tausende Flüchtlinge in Richtung EU

2000 Migranten soll die stark vom Corona-Ausbruch betroffene Türkei in Richtung Griechenland geschickt haben. Die Menschen wurden mit Bussen abgeholt und quer durch das Land gefahren. Ihr Ziel heißt Lesbos.

Die stark vom Corona-Ausbruch betroffene Türkei schickt erneut Tausende Migranten in Richtung Griechenland, diesmal auf einer anderen Route. In Athen wächst die Angst, denn dies ist offensichtlich erst der Anfang.


„Die Busse kamen am Freitag und wir sind bis spät in die Nacht durchgefahren“, erzählte Dunya, die aus Syrien stammt. „Es war ziemlich anstrengend“, sagte die Mutter von fünf Kindern am Telefon. „Aber jetzt sind wir zum Glück in Izmir.“ Die 30-jährige Witwe hofft nun, von der türkischen Hafenstadt aus mit einem Boot übers Mittelmeer nach Griechenland überzusetzen. „Jedenfalls sagte man uns, das sei kein Problem.“



Dunya gehört zu den rund 2000 Flüchtlingen, die die türkischen Behörden am Wochenende aus dem Internierungslager in Osmaniye abtransportierten. Die Stadt unweit der Grenze zu Syrien war einer der Orte, die von der Regierung in Ankara verhängten Ausgangssperre ausgeschlossen waren. Von Osmaniye nach Izmir sind es 1100 Kilometer und mindestens 13 Stunden Busfahrt.


„Bevor es losging fragten uns die Soldaten, ob wir nach Europa wollten oder zurück in die Orte, in denen wir registriert sind“, sagte Dunya gegenüber WELT. „Aber am Ende gab es keine Wahl, alle mussten mit nach Izmir.“ Andere Busse brachten Flüchtlinge auch noch weiter nördlich.



Das legen jedenfalls Videos auf Twitter nahe. Sie zeigen Dutzende von jungen Männern in Kücükkuyu, einem beliebten Ferienort mit Sandstränden, von denen gewöhnlich Schmugglerboote auf die nahegelegene griechische Insel Lesbos auslaufen.



Die Türkei ist dabei, eine zweite Flüchtlingskrise zu inszenieren – und das während der Corona-Epidemie, die das Land so schwer getroffen hat. Etwa 1200 Menschen starben bereits an der Viruserkrankung, knapp 60.000 sind infiziert, und die Zahl der Infektionen steigt rasant weiter.


Ende Februar hatte Ankara mit dem Versprechen offener Grenzen zu Griechenland und damit zur EU mehr als 20.000 Flüchtlinge angelockt. Einen Monat lang versuchten sie wieder und wieder, den Grenzfluss Evros zu überqueren, oft unterstützt von der türkischen Armee. Aber Griechenland hielt seine Landesgrenze dicht.





Ende März brannten dann türkische Soldaten die Zeltlager ab und transportierten die verbliebenen Flüchtlinge in Internierungslager. Dem türkischen Innenministerium zufolge handelte es sich um eine vorbeugende Maßnahme wegen des Coronavirus-Ausbruchs. Dabei drohte Innenminister Süleyman Soylu: „Wenn die Corona-Epidemie vorbei ist, werden wir keinen Migranten davon abhalten, an die türkisch-griechische Grenze zurückzukehren.

„Erdogan will noch mehr Geld erpressen“

Die Epidemie ist zwar noch lange nicht vorbei, aber dennoch scheint der Innenminister seine Drohung jetzt wahr zu machen. Busse bringen die Migranten kostenlos an das Mittelmeer, damit sie von dort auf eine der griechischen Inseln übersetzen. Die Türkei versucht nun, auf dieser neuen Route Druck auf die Europäische Union auszuüben – ein ohnehin verantwortungsloses Vorgehen, und im Angesicht der Corona-Pandemie höchst gefährlich.


Die EU sicherte Präsident Recep Tayyip Erdogan im März bereits zusätzliche Finanzhilfe für die Flüchtlinge zu. Aber die Türkei will „noch mehr Gelder erpressen“, wie griechische Medien dieser Tage spekulierten. In der Türkei leben vier Millionen Flüchtlinge, wovon der überwiegende Teil aus Syrien stammt.








Eine Finanzspritze der EU würde auch der bereits vor der Corona-Krise angeschlagenen türkischen Wirtschaft guttun. Es ist bezeichnend, dass Erdogan eine Spendenaktion ins Leben gerufen hat, um – so die Begründung – den Bedürftigen in der wirtschaftlichen Flaute unter die Arme zu greifen. Der Staat ist nicht liquide genug, um die Bevölkerung in der Corona-Krise abzusichern.


In Griechenland läuten bereits die Alarmglocken. Küstenwache und Marine haben ihre Patrouillen intensiviert, nachdem Geheimdienste und Satellitenbilder den Aufmarsch von Flüchtlingen auf der türkischen Seite der Grenze dokumentierten. Die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln sind bereits hoffnungslos überfüllt.



Besonders die Lage auf Lesbos ist katastrophal. Im Moria Camp, das ursprünglich für 3100 Menschen konzipiert war, leben nun mehr als 20.000 Flüchtlinge. Dort wurden bereits erste Fälle von Covid-19 registriert. Athen befürchtet zu Recht, mit der Ankunft neuer und möglicherweise infizierter Flüchtlinge aus der Türkei könnte sich die Krankheit weiter ausbreiten.


Die Flüchtlinge sind ein unkalkulierbares Risiko, das man vermeiden möchte. In Griechenland liegt die Zahl der gemeldeten Infizierten bei 2100. Auch die offizielle Zahl von etwa 100 Todesfällen erscheint im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr niedrig. Am Wochenende soll die griechische Küstenwache bereits einige Flüchtlingsboote zur Umkehr in türkische Gewässer gezwungen haben.


Aber die Zahl der Boote könnte schnell wachsen. Denn die türkischen Behörden wollen alle Internierungslager leeren, und davon gibt es nach Angaben des Innenministeriums insgesamt neun. Im Laufe dieser Woche sollen die Insassen sukzessive abtransportiert werden.



„Man sagte uns, sobald die Ausgangssperre beendet sei, gehe es los“, bestätigte Kusai, ein syrischer Flüchtling im Containerlager von Malatya in Ostanatolien. Der junge Mann aus Homs will jedoch nicht noch einmal versuchen, nach Griechenland zu kommen. „Ich habe im März 25 Tage im Freien und in der Kälte an der Grenze verbracht“, sagte Kusai am Telefon. „Es ist aussichtslos, und wir sind von der Türkei nur als Spielball benutzt worden.“


Dieses Mal werde es nicht anders sein, glaubt er. Zudem sei der Seeweg nach Griechenland viel gefährlicher als der über die Landgrenze. Ob er allerdings die Wahl hat, in die Stadt zurückzukehren, in der er in der Türkei gemeldet ist, davon ist der junge Syrer nicht überzeugt. „Die türkischen Soldaten haben uns schon öfter in Busse gesteckt“, sagt er verärgert, „und uns dorthin verfrachtet, wohin sie wollten.“

https://www.welt.de/politik/ausland/...chtung-EU.html

Das ist eindeutig ein Akt der Aggression!