Meisterwerke betreuender Berichterstattung

Peter Grimm

Gelegentlich sollten wir hier doch die Meisterwerke fürsorglich-betreuender Berichterstattung in Deutschland würdigen. Immerhin mühen sich etliche Medien-Werktätige hierzulande so oft, in bestimmten Meldungen ihre Konsumenten nicht mit Fakten zu verunsichern, die zu falschen Weltbildern führen könnten. So hat beispielsweise welt.de gestern eine dpa-Meldung mit folgendem Wortlaut verbreitet:


„Witzenhausen (dpa/lhe) – Ein 28-Jähriger ist in Nordhessen mit Messerstichen schwer verletzt worden. Ermittelt werde wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts gegen einen 18-Jährigen, teilte die Polizei am Freitagabend mit. Der Verdächtige sei festgenommen worden. Als Hintergrund vermuteten die Ermittler familiäre Streitigkeiten. Nach ersten Erkenntnissen kam es an einer Bushaltestelle in Witzenhausen (Werra-Meißner-Kreis) zu einem Streit zwischen mehreren Männern, in deren Verlauf der 28-Jährige mit einem Messer verletzt wurde. Nach einer Operation bestand nach Angaben der Ermittler keine Lebensgefahr.“



Die Kollegen der dpa oder der Welt – ganz klar ist das nicht – zeigen so, dass sie verantwortlich mit Informationen umgehen. Doch um das zu erkennen, muss man natürlich wissen, welche weitere Information es noch gab. Und – wirklich clever gelöst – an dieser Stelle bleibt der Leser, der dies wissen will, nicht auf vorurteilsbeladene Vermutungen angewiesen, sondern bekommt einen Link zur Pressemitteilung der Polizei und kann dort den Originaltext nachlesen:


Am heutigen Abend ereignete sich in Witzenhausen, um 19:20 Uhr, eine Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen, in deren Verlauf ein 28-Jähriger aus Witzenhausen durch Messerstiche schwer verletzt wurde. Der 28-Jährige wurde mittlerweile im Witzenhäuser Krankenhaus operiert, nach derzeitigen Stand besteht keine Lebensgefahr.



Nach bisherigen Ermittlungsstand kam es in der Brückenstraße im Bereich der Bushaltestelle in Witzenhausen zu Streitigkeiten zwischen mehreren Männern in deren Verlauf einer mit einem Messer auf den 28-Jährigen eingestochen hat. Der Verletzte erlitt Stichverletzungen im Bereich des Rückens, die im Krankenhaus genäht wurden. Tatverdächtig ist ein 18-Jähriger aus Witzenhausen, der wie der Geschädigte in der Asylunterkunft in Witzenhausen wohnhaft ist. Hintergrund scheinen familiäre Beziehungsstreitigkeiten zu sein, so die ersten Erkenntnisse. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen wegen Verdacht eines versuchten Tötungsdelikts vor Ort aufgenommen. Der 18-Jährige wurde festgenommen.“



Wenn das keine sensibel betreuende Berichterstattung ist: Man darf alles erfahren, aber bitte nicht gleich im ersten Anlauf. So viel bieten die meisten Berichterstattungs-Betreuer nicht.

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