Damit ist nicht die Friedensreligion gemeint, die den Frieden bringt, oder in extremer Form den extremen Frieden, den ewigen Frieden, gleichbedeutend mit dem Tod, sondern ein Konzept zur Schaffung des ewigen Friedens zwischen den Staaten und Kulturen in der Welt.

Auszug aus einem Zeit-Artikel über Immanuel Kants "Zum Ewigen Frieden":
Wir dienen dem Leser wohl am besten, wenn wir die Artikel, einen nach dem anderen, nennen und kurz kommentieren. Dabei bestimmen die Präliminarartikel, was alles nicht mehr sein soll, damit Friede sein kann, während die Definitivartikel festhalten, was sein muß, um den Frieden zu sichern.

Präliminarartikel 1: „Es soll kein Friedensschluß für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.“

Kant hätte den Vertrag von Versailles mit seinen Gebietsabtretungen und Tributforderungen als einen faulen Frieden erkannt und vermutlich auch im Vertrag von Potsdam den Keim des Kalten Krieges aufgespürt.

Präliminarartikel 2: „Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem anderen Staat durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.“

Kants Hauptsorge, „daß sich nämlich auch Staaten einander heiraten können“, ist inzwischen gegenstandslos geworden. Wenn er dann freilich schreibt, „auch die Verdingung der Truppen eines Staates an einen anderen, gegen einen nicht gemeinschaftlichen Feind, ist dahin zu zählen“, dann denkt man wohl doch an die Amerikaner in Vietnam und die Kubaner in Angola.

Präliminarartikel 3: „Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören.“

Kant begründet: „denn sie bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg, durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu erscheinen“. Solche Gedanken mögen der Bundeswehr-Führung als genauso zersetzend erscheinen, wie sie dem König von Preußen als zersetzend erschienen sind. Denn es kann bekanntlich der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Wobei freilich die Frage, ob wir nun die Frömmsten sind oder die bösen Nachbarn, eine von Kant vernachlässigte Frage der Perspektive ist.

Präliminarartikel 4: „Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden.“

Kant erliegt hier der zu seiner Zeit vielleicht noch nicht ganz so naiven Vorstellung, es ließe sich Kreditaufnahme für friedliche innere Zwecke trennen von solcher für kriegerische äußere. Alle Gegenbeweise lassen sich zusammenfassen in einem repräsentativen Symbol: Hitlers Autobahnen.

Präliminarartikel 5: „Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen.“

Die Geschichte Vietnams und Afghanistans zeigen, daß Großmächte diesem moralischen Imperativ zu gehorchen offenbar nicht bereit sind, obwohl sie besser daran täten, wie vielleicht auch die Kreml-Führer begreifen werden, wenn sie den Jahrestag ihrer Invasion feiern müssen.


Präliminarartikel 6: „Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem anderen solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, Anstellung der Meuchelmörder, Giftmischer, Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrats in dem bekriegten Staat usw.“

„Irgendein Vertrauen auf die Denkungsart des Feindes“, erläutert Kant weiter, „muß mitten im Kriege noch übrigbleiben, weil sonst auch kein Friede abgeschlossen werden könnte.“ In Zeiten der totalen Indoktrination durch audiovisuelle Medien mag man sich zurücksehnen nach Zeiten, da „Meuchelmörder“ und „Giftmischer“ gefürchtet wurden als Schürer des Hasses zwischen den Völkern. Aber im Prinzip sah Kant das sehr richtig, nahm in seiner Schlußfolgerung auch schon das Atom-Zeitalter voraus. Gerade hier greift er zurück auf das am Anfang satirisch gebrauchte Bild und stellt kategorisch fest, „daß ein Ausrottungskrieg, wo die Vertilgung beide Teile zugleich, und mit diesen auch alles Recht treffen kann, den ewigen Frieden nur auf dem großen Kirchhofe der Menschengattung stattfinden lassen würde.“

Definitivartikel 1: „Die bürgerliche Verfassung in jedem Staat soll republikanisch sein.“

Gelehrte Interpreten weisen darauf hin, daß hier nach neuerem Begriffsverständnis statt „republikanisch“ „demokratisch“ stehen sollte. Kant selber hatte versucht, die Begriffe auseinanderzudividieren. Ich halte das nicht für wichtig. Was er meint, ist klar genug: Damit im Verhältnis der Staaten zueinander die gleichen Gesetze gelten können wie für die einzelnen Menschen innerhalb eines Staates, und darauf will Kant ja hinaus, darf nicht das unkontrollierte Verhalten einiger weniger Herrscher den Ausschlag geben, sondern Staaten müssen sich verhalten, wie die Summe ihrer Bürger sich zu verhalten für geboten hält, was nur dann möglich ist, wenn die Stimme des Bürgers für das Verhalten des Staates Gewicht hat.
Definitivartikel 2: „Das Völkerrecht soll auf einen Föderalismus freier Staaten gegründet sein.“

„Völkerbund“ und Uno, Kant hat sie fordernd vorweggenommen. Trotz der Widerwärtigkeit der Menschennatur, so argumentiert Kant, müßte es doch den Staaten gelingen, sich aus wohlverstandenem Eigeninteresse freiwillig der übergeordneten Instanz des „Rechts“ unterzuordnen in einem den Krieg abwehrenden „Bund“.

Definitivartikel 3: „Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein.“

Bescheidener in seinen Zielsetzungen als etwa EG und britisches Commonwealth, hält Kant die totale Freizügigkeit für eine schließlich doch unerfüllbare Forderung. Nicht auf Gastrecht hat der Fremde Anspruch; aber auf Besuchsrecht. So geschrieben in Königsberg. Gerade dort könnte es heute mit Gewinn gelesen werden.