Und es kommen doch immer mehr, als man uns mitteilt! Es gibt mittlerweile Unterbringungsprobleme von Menschen, deren Probleme nicht vorort, stattdessen lieber hierzulande gelöst werden sollen!

Wohin mit den Flüchtlingen?

In Bayern fehlen Unterkünfte für die Zuwanderer. Die Politik beginnt umzudenken Von Sandra Zistl
Dieser Artikel erschien in der Zeitung
WELT am SONNTAG.

Sie sind viele, sie werden immer mehr und ihre Lobby immer stärker: Seit vier Jahren steigt die Zahl der Asylbewerber in Bayern wieder an. Dem Druck muss sich jetzt auch die Regierung beugen. Jahrelang stand der Freistaat für harte Asylpolitik. Was Kritiker polemisch als Betonkopf-Politik bezeichneten, wurde als verantwortungsvolle Sozialpolitik verteidigt. Doch Appelle, den Asylbewerbern bessere Lebensbedingungen zu ermöglichen, kommen mittlerweile nicht mehr nur aus der Opposition und von Hilfsorganisationen, sondern auch vom Bundesverfassungsgericht, vom Koalitionspartner FDP und sogar aus den eigenen Reihen. Denn die Probleme häufen sich.

Im Jahr 2011 kamen 14 Prozent mehr Flüchtlinge nach Bayern als 2010. Obwohl diese Zahlen nur einen Bruchteil der Werte aus der Zeit Mitte der 90er darstellen, sind die Behörden dem Strom der Menschen nicht gewachsen. Und sie können den Protest gegen die Unterbringung in teilweise baufälligen Gemeinschaftsunterkünften und die Verpflegung mit Essenspaketen nicht mehr ignorieren. Mit Hungerstreiks machten beispielsweise in Würzburg untergebrachte Iraner Schlagzeilen.
Die Politik hat reagiert und mit dem bayerischen Asylkompromiss vom April 2012 einem größeren Personenkreis ermöglicht, aus den Gemeinschaftsunterkünften auszuziehen. In der Praxis dürfen Familien und Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern dies bereits seit einem Jahr. Von den 21.000 Asylbewerbern in Bayern lebt nach Auskunft des Sozialministeriums etwa die Hälfte in Privatwohnungen. Das hat auch damit zu tun, dass die 133 bayerischen Gemeinschaftsunterkünfte belegt sind.
In den 23 Immobilien im Regierungsbezirk Oberbayern etwa leben 2416 Menschen, vornehmlich aus dem Irak, Afghanistan und Nigeria. 1500 zusätzliche Plätze würde die Regierung benötigen. Fieberhaft sucht sie deshalb nach geeigneten Immobilien. Das gestalte sich "sehr schwierig" und "äußerst zeitaufwendig", wie eine Sprecherin sagt. Gleiches gilt auch für Oberfranken, wo die Sprecherin der Bezirksregierung die Situation als "weiterhin sehr angespannt" bezeichnet.
Weil sie sich nicht anders zu helfen wissen und das Recht dazu haben, reichen die Regierungen das Problem weiter: an Landkreise und kreisfreie Städte, denen sie Kontingente zuweisen und Fristen setzen. So mussten Bamberg und Bayreuth für 40 Personen eine Bleibe finden, der Landkreis München hat noch bis 20. September Zeit, weitere 137 Asylbewerber unterzubringen. Für 135 ist dies seit der "Zuweisung" im Dezember 2011 bereits gelungen. Doch obwohl der Landkreis bereits mehrmals seine Gemeinden und auch die Bevölkerung um Unterstützung gebeten hat, lassen sich keine weiteren Herbergen finden.
"Wir suchen händeringend Grundstücke, größere, bereits bestehende Objekte oder auch einzelne kleinere Wohnungen", sagt Klaus Kempfler, Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Situation spitze sich immer mehr zu: "Wir wollen die Katastrophe vermeiden und die Leute nicht etwa in Turnhallen unterbringen müssen." Aber wo es keine Wohnungen gebe, könne man niemanden einquartieren.
Wohnraum ist im attraktiven Süden Bayerns und in den Ballungszentren selbst für zahlungskräftige Mieter rar. Dachau erwägt deshalb, ein eigenes Wohnhaus für Asylbewerber zu bauen und an die Regierung zu vermieten.
Wo die Menschen aus Afghanistan, Iran, dem Irak und Syrien untergebracht werden, ist das eine Problem. Das andere ist die Frage, wie sie sinnvoll und menschenwürdig verpflegt werden. Dahinter steckt auch die Debatte, ob Asylpolitik "die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern" soll, wie es die Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) vorsieht. Oder soll sie der Integration der Flüchtlinge dienen?
In der Praxis streiten sich Verfechter der unterschiedlichen Anschauungen deshalb, ob Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften Essenspakete, Gutscheine oder Geld bekommen sollen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie etwa Berlin, setzte Bayern bisher rigide auf Sachleistungen. Nach Ansicht des Sozialministeriums werde dadurch gewährleistet, "dass die Leistungen dort ankommen, wo sie benötigt werden - in den Familien".
Nun aber weicht das Ministerium plötzlich seine Haltung auf. In je einer Gemeinschaftsunterkunft pro Regierungsbezirk will Christine Haderthauer (CSU) ein Modellprojekt starten und Bewohnern, die berechtigt sind, auszuziehen, ab November Bargeld auszahlen. Welche Unterkünfte infrage kommen, sollen die Regierungsbezirke festlegen.
Was wie eine späte Einsicht wirkt, ist auf eine Initiative aus den eigenen Reihen zurückzuführen. Über den CSU-Abgeordneten Oliver Jörg wurde eine vom Würzburger Stadtrat angeregte Flexibilisierung der Verpflegung an die Ministerin herangetragen. "Alle Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften sollten selbst wählen können, ob sie Bargeld oder Essenspakete bevorzugen", fordert der Abgeordnete. "Wir wissen, dass man in der CSU dafür werben muss", umschreibt er die Tatsache, dass nicht alle Parteifreunde seine Sicht teilen. Umso mehr freue ihn, dass die Ministerin im Modellprojekt "sogar noch weiter" gehe, obwohl er gleiches Wahlrecht für alle für die sinnvollste Lösung hielte.
"Das Modellprojekt ist reine Augenwischerei, um im Sommerloch positive Schlagzeilen zu schreiben", kritisiert dagegen Michael Koch, Anwalt und Vorsitzender des Freundeskreises für ausländische Flüchtlinge in Unterfranken, den Vorstoß Haderthauers. Er schaffe eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in den Unterkünften: mit und ohne Geld. Von einem menschenwürdigen System sei Bayern noch immer meilenweit entfernt. Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, stimmt der Kritik zu: "Wir machen Asylbewerbern das Leben so schwer wie möglich".

Quelle
OHNE WEITERE WORTE!!!!