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  1. #1

    auch nicht einen erleuchteten Mann

    Aus dem Bericht Unter dem Halbmond von Helmuth Graf von Moltke, geschrieben am 1. September 1839 in Konstantinopel:

    In seinem eigenen Volk fand Sultan Mahmud auch nicht einen erleuchteten Mann, der ihm bei seinen Neuerungen leitend oder helfend zur Seite gestanden hätte; es ist den Europäern fast unmöglich, sich den Stand der Intelligenz im Orient so niedrig zu denken, wie er wirklich ist. Ein Türke, der lesen und schreiben kann, heißt »Hafiz«, ein Gelehrter; die Kenntnis des ersten und letzten Verses aus dem Koran vollendet seine Bildung und die vier Spezies(*) sind den wenigsten geläufig. Einer der türkischen Würdenträger, den ich den Aufgeklärtesten nennen möchte von allen, war dennoch ein eifriger Anhänger von Wahrsagungen und Traumdeutereien; von der Kugelgestalt der Erde konnte er sich keine Vorstellung machen und nur aus Höflichkeit und weil wir so hartnäckig auf diesen Punkt bestanden, gab er nach, dass sie nicht flach wie ein Teller sei. Niemand spricht irgendeine europäische Sprache, außer etwa die Renegaten, und viele Türken in hohen Ämtern müssen sich die Briefe, die sie in ihrer eigenen Sprache erhalten, vorlesen lassen.

    Es blieb demnach nichts weiter übrig, als sich Rat bei den Fremden zu holen; aber in der Türkei wird die beste Gabe verdächtig, sobald sie aus der Hand eines Christen kommt. Peter der Große hatte 500 Offiziere, Ingenieure, Artilleristen, Wundärzte und Künstler für seinen Dienst persönlich angeworben; sie teilten seine Mühe und ernteten die Früchte derselben. In Russland konnten die Fremden gehasst sein, in der Türkei sind sie verachtet. Ein Türke räumt unbedenklich ein, dass die Europäer seiner Nation an Wissenschaft, Kunstfertigkeit, Reichtum, Kühnheit und Kraft überlegen seien, ohne dass ihm entfernt in den Sinn käme, dass ein Franke(**) sich einem Moslem gleichstellen dürfte. Wenige Europäer werden unter so günstigen Verhältnissen in der Türkei aufgetreten sein wie wir; die ersten Würdenträger des Reiches waren von der größten Aufmerksamkeit, sie erhoben sich bei unserem Eintritt, wiesen uns den Platz auf dem Diwan an ihrer Seite an und reichten uns ihre Pfeife zum Rauchen; die Obersten räumten uns den Vortritt ein, die Offiziere waren noch leidlich höflich, der gemeine Mann aber machte keine Ehrenbezeigungen mehr, und Frauen und Kinder schimpften gelegentlich hinter uns her. Der Soldat gehorchte, aber er grüßte nicht. Wir waren höflich ausgezeichnete Individuen einer äußerst gering geschätzten Kategorie.

    (*) Die vier Grundrechenarten
    (**) Zu verstehen als Europäer

  2. #2
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    AW: auch nicht einen erleuchteten Mann

    Da hat sich wohl nicht viel geändert.
    Was ich schreibe ist meine Meinung und nicht unbedingt die Wahrheit - Regimekritik - WEFers are evil. Im Zweifel ... für die Freiheit. Das Böse beginnt mit einer Lüge.

    Kalifatslehre. Darum geht es.


  3. #3
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    AW: auch nicht einen erleuchteten Mann

    Moltke war gerufen worden um die Osmanische Armee zu modernisieren. Trotz bestem Willen resignierte er aber angesichts des massiven Widerstands im Offizierscorps. Zwar machte die Osmanische Armee sichtbare Fortschritte aber das Ergebnis blieb weit hinter den Möglichkeiten zurück. Viel zu lange hatten sich die Türken eingeredet den anderen Völkern weit überlegen zu sein und hatten nicht bemerkt, wie sehr sie ins Hintertreffen geraten waren.
    Alle Texte, die keine Quellenangaben haben, stammen von mir.

  4. #4
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    AW: auch nicht einen erleuchteten Mann

    Zitat Zitat von Realist59 Beitrag anzeigen
    Moltke war gerufen worden um die Osmanische Armee zu modernisieren. Trotz bestem Willen resignierte er aber angesichts des massiven Widerstands im Offizierscorps. Zwar machte die Osmanische Armee sichtbare Fortschritte aber das Ergebnis blieb weit hinter den Möglichkeiten zurück. Viel zu lange hatten sich die Türken eingeredet den anderen Völkern weit überlegen zu sein und hatten nicht bemerkt, wie sehr sie ins Hintertreffen geraten waren.
    Offensichtlich wünschen sich mancheTürken diese Überlegenheit zurück.
    Erdogan unterstützt sie dabei, indem er die Muskeln spielen lässt und Europa mit allerlei Unsinn brüskiert.
    Aber ansonsten sind die Türken mehrheitlich schon auf dem Weg, sich europäisch zu geben.
    Natürlich macht die momentane Neoislamisierung Sorgen, aber im großen und ganzen dürfte sich der Europäisierungstrend nicht mehr aufhalten lassen.
    Schließlich bürgt allein schon díe Wachstumsbranche Tourismus dafür, dass eine totale Rückbesinnung in osmanische Großmannsträume zum scheitern verurteilt ist.
    Nur in den EU-Ländern machen sich türkische Spinner Illusionen über einen neoosmanischen Neuanfang.
    Was in den Nachbarstaaten der Türkei abgeht, ist schon eher beunruhigend.
    Die Türkei ist aber so gefestigt, dass man nicht befürchten muss, dass die Islamisierungswelle der Nachbarn auf ihr Land überschwappt.
    Bei aller negativen Haltung der Regierung Erdogan glaube ich nicht daran, dass die Mehrheit der Türken einen Rückschritt dulden würde.
    Die bekloppten Türken sind mehrheitlich in Europa beheimatet.

  5. #5
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    AW: auch nicht einen erleuchteten Mann

    Europa ist Sehnsuchtsort aber auch Hassobjekt vieler Türken. Im Westen der Türkei lebt man durchaus auf südeuropäischen Niveau aber östlich von Ankara herrscht Orient, bittere Armut und Rückständigkeit und das betrifft nicht nur die Kurdengebiete. Die Türkei verortete sich weder in Europa noch in Asien. Die Turkvölker werden als Brüder idealisiert, man sieht sich eher als eigener Planet und meint, dass alle Turkvölker vereint ein Gegengewicht zur EU darstellen würden. Interessanterweise wollen aber die türkischen Brüder gar nichts vom Miteinander wissen, fürchten sie doch zu Recht von der Türkei dominiert zu werden.
    Alle Texte, die keine Quellenangaben haben, stammen von mir.

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