Die drei Grazien - antikes Griechenland


Der letzte Kapitel meiner Badezimmerlektüre "Das Schwarzmond-Tabu" fängt so an:

Mit der Evolution des Menstruationszyklus beginnt die biologische Menschwerdung der Primaten. Durch die reale Wahrnehmung des Blutes geschieht die psychische Evolution des Menschen. Durch die Projektion des leiblichen uterinen Zyklus an den Mondewesel entwickelt sich die Vorstellung eines Universums, dessen Wesen die ewige zyklische Regeneration ist. Diese zyklische Wesenheit des Kosmos vergeistigt sich in der matriarchalen Religion zu einer Göttin, die den Menstruationszyklus repräsentiert.
Hier irrt sich die Autorin. Das weiblich homo erectus (das war sie) hat nicht ihr Blutzyklus auf den Mondwechsel projiziert, sondern ihm angepasst. Weibliche Wesen können das. Frauen, die in einer Gruppe leben, passen oft ihren Zyklus den anderen Frauen an. Aber ansonsten stimmt es:

Ca. 30.000-25.000 [es war früher] beginnt der Mensch, in den Höhlen in Rot und Schwarz auf weißem Untergrund seine Hand abzubilden. Diese drei Farben entwickelten sich aus der Wahrnehmung des menstruellen, unterinen Zyklus, die drei Phasen hat: die weiße Phase des neuen Aufbaues der Gebärmutterschleimhaut, die rote Blutfülle im Uterus und die schwarze Zeit der Unfruchtbarkeit, wenn das Blut den Uterus verläßt. Von außen her gesehen ist die letzte Phase rot, aber von innen her, mythisch erkannt, ist im Uterus diese Phase die blutlose Zeit. Als schwarze Zeit wurde sie sicherlich auch deswegen dargestellt, weil die Zeit des Blutens die Zeit des Schwarzmondes war und ist. Der schwarz-weiß-rote Zyklus ist die religiöse Erfahrung der Menstruation und des Mondes. Die Farben sind mythische Vorstellungen.

Mit der dreiphasigkeit beginnt die konkrete Zeiterfahrung durch die Regelmäßigkeit des sichtbar werdenden Blutes. Die Regel setzt die Zeit. Die Bewußtwerdung von Zeit und Zeitablauf wird in den Höhlenritzungen festgehalten, einmal durch drei Farben und durch drei nebeneinander verlaufende Linien oder durch drei Schälchen, die im Dreieck angeordnet wurden. Die Neun-Zahl wurde durch dreimal drei Schälchen dargestellt, die ein Quadrat bilden. Diese Symbolik bringt das genauere Zeitschema und den "Zeitraum" mit der Erkenntnis, daß jede der drei sakralen Menstruationsphasen neun Mondnächte umfaßt. Die Neun wird zur universalen heiligen Zahl der kosmischen Göttin, weil die neun Schalen durch waagerechte und senkrechte Linien verbunden wurden und dadurch das Symbol des Himmelsnetzes entstand.


Die Behauptung, dass die Menschen diese Sache "mythisch erkannt" haben, ist etwas von den Haaren herbei gezogen. Aber im Groben stimmt es, dass der Mensch die religiöse Bewußtwerdung am Anfang so vollzogen hat, dass er den Zyklus erkannt hat. Er verstand die Welt, die Zeit nicht lineal, sondern zyklisch. Der Mond wuchs zu Vollmond, dann nahm ab und verschwand für ein paar Tage. Die Natur sprieß, schuff üppiges Leben, dann starb ab (entweder im Winter oder in der Dürrezeit). Und ebenso wuchs der Leib der Frauen (oder auch der Säugetiere) und schuf Leben.



Antike ägyptische Trinität: Isis, Osiris und Horus

Da die Vorstellung der Großen Muttergöttin von den Feministinnen bejubelt wurde, gab es heftige Kontroversen, die sie jedoch nicht aus der Welt schaffen konnten. Sie widerlegten evtl. einige übereifrige Teilaspekte und relativierten ihre Allgemeingültigkeit. Das waren halt Übertreibungen mancher Feministen, die sich vorstellten, dass es damals einzig und allein die weitverbreitete matriarchale Religion gegeben hat, usw.

Nun, hier geht es gar nicht um die Matriarchalität, sondern um die Wurzeln der Trinität in der Grauen Vorzeit und um ihre allgemeine Bedeutung für das Religionsgefühl des Menschen - außerhalb der christlichen Trinität. Denn die letztere wäre zu umfangreich, und die Christen wissen sowieso, was sie sich unter der Heiligen Dreifaltigkeit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vorzustellen haben.

Hier ein paar Beispiele:



Pythia, die Orakelpriesterin von Delphi, saß auf einen Tripod (dreibeiniges Stuhl).



Der Baum Ygdrasil erstreckte sich über drei Welten

Das griechische Kalenderjahr hatte drei Jahreszeiten.



Dreiecke, drei Striche stellten das weibliche Geschlecht, aber auch die Zahl 3 dar - also die Trinität.



Venus von Lespugue

Und die drei Phasen des Mondzyklus .konnte man gleichweise in der Natur, am eigenen Leibe und im eigenen Leben wiederfinden. Man tat es auch, ausgiebig, in allen religiösen Kunstdarstellungen, Mythen oder Theogonien. Die Zahl Drei (oder dreimal drei u. a. Varianten) ist vielleicht die älteste symbolische Zahl der Welt.

Egal welche Mythologie man aufschlägt, man wird mit der zentralen Bedeutung der Trinität in ihrer körperlichen, kosmischen oder abstrakten Form überwältigt: Mal sind es drei Moiren, Götter, drei Göttinnen (unter denen z. B. Paris zu wählen hatte), drei Könige, drei Königssöhne, drei Affen, drei Äpfel, .drei Köpfe, Dreizack, drei Himmel, drei Wege, drei Wälle, drei Welten, drei Zeitalter usw.

Ups. Da haben wir noch ein uraltes Zubehör, was man in vielen Religionen der alten Welt wiederfindet: Die Apfel. Und wenn man genau hinsieht, findet man noch welche, die lange vor dem Christentum oder Judentum da waren, in vielen verschiedenen Religionen: die Schwarze Frau (Schwarze Madonna), die Schlange, der Baum des Lebens – nicht nur Ygdrasil, auch Evas Apfelbaum, übrigens derselbe, aus dem der Kreuz Christi erstellt wurde, oder der Palmenbaum, der Olivenbaum des Athene. Auch der Kessel gehört dazu. Das Abendmalkelch, der Gral, der keltische Kessel der Ceridven findet man bis nach China überall – und häufig auf. Dreifuß.

Wenn der moderne gläubige Mensch sich mit der Frage nach der richtigen Religion auseinander setzt, sollte er sich auch fragen, ob eine Religion, deren Wurzel bis in die Anfänge der Menschwerdung zurückgreift, glaubwürdiger ist, oder ein modernes, künstliches Konstrukt.. Eine der wichtigsten Rollen der Religion ist,. den Menschen mit seinen Ahnen zu verbinden.. Bei vielen Naturvölkern. gibt es eigentlich diese archaische Stufe der Religion: der Ahnenkult. Ein modernes Konstrukt ist vielleicht für einen linken Dhimmi-Pfarrer zufriedenstellend, dem Gott und Geist egal sind, dem es vielmehr an Politik und Kariere gelegen ist, aber einer solchen Religion fehlt ein wesentlicher Teil: Die Kontinuität aus der grauen Vorzeit.

Übrigens auch dem Islam fehlt die Kontinuität, die Bindung zu den ersten religiösen Gefühlen der Menschheit. Das Christentum hat .zwar den Monotheismus. eingeführt, aber man hat Jesus (und Maria!) die alte Traditionen weiterführen lassen: Das Sterben und Auferstehen Jesu, die Parthenogenese der Maria, Das Angebot Jesu an den Menschen, dass sein Leib für Brot und sein Blut für Wein steht, die Dreifaltigkeit, das alles macht aus dem Christentum eine traditionell gewachsene Religion. Dagegen hat der Islam möglichst alles aus der vorislamischen Zeit der Dschahilija – die man dort als böse einstuft –. alles ausgemerzt, atrophiert.

Und zuletzt kommen wir auf den strengen Monotheismus des Islam zurück. Die Muslime verteufeln das Christentum als Polytheismus. Aber genau dieser strengste Monotheismus zeigt dass der Islam eine künstliche Ideologie ist, die versucht, ein vereinfachtes, minimalistisches Weltbild einer Kriegerkaste zu liefern. Mohammed wollte eine Religion für. dummen, gierigen Kämpferhorden seiner Zeit zusammenklauben. Und diese dummen Wüstenräuber hatten nicht viel übrig für große philosophische Überlegungen. Sie wollten lediglich eine Legitimierung, einen Gott, der ihnen erlaubte, ohne großen Komplikationen zu töten und zu rauben.

Denn wenn jemand sich ernsthaft mit der Frage des Monotheismus. auseinander setzt, der muß einsehen, dass es keinerlei Garantie dafür gibt. Warum soll Gott (oder das Göttliche Prinzip) die Einfältigkeit der Dreifaltigkeit bevorziehen? Und warum nicht eine polytheistische Erscheinungsform? .Die ganze uns bekannte Welt, der Kosmos, ist auf dem Prinzip der Pluralität in der Singularität aufgebaut. Die Ewigkeit besteht aus Momenten. Die Unendlichkeit besteht aus vielen kleinen endlichen Punkten. Warum also das Göttliche nicht? Wenn Gott allmächtig ist, dann bleibt ihm überlassen, ob er sich teilen möchte, oder ob er lieber eine Singularität bleibt. Woher will das Mohammed besser wissen? Und sagen wir, es gibt Gott. Und sagen wir, er hatte damals, vor 1400 Jahren dem Mohammed gewisse Dinge über sich zuflüstern lassen. Aber seitdem ist so viel Zeit vergangen. Kann Muslim. darauf schwören, dass Gott seitdem aus einfacher Langeweile nicht anders entschieden hat?



Der berühmte Holzschnitt des Katushika Hokusai "Die Große Welle" nimmt die Chaostheorie unserer Tage vorweg. Die kleinsten Wellen haben genau die Form der großen Welle.

Kein Mensch kann eine Garantie über die Singularität oder Pluralität – also über den Monotheismus – geben. Die christliche Dreifaltigkeit will genau das bezeugen: Dass ein strenger Monotheismus eine Anmaßung, eine Banalisierung und ein Bruch mit den uralten Wurzeln wäre.





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