Vuvuzela-Protest gegen Sarkozy

Tröten für die Rente

Von Stefan Simons, Paris



Französischer Gewerkschafter mit Geheimwaffe: Tröten für die Rente

Alle Räder stehen still: Am kommenden Dienstag rufen Frankreichs Gewerkschaften zur landesweiten Mobilisierung gegen die Rentenreform auf. Der Protest gegen das politische Prestigeprojekt von Präsident Sarkozy soll nicht nur massenhaft werden - sondern vor allem laut.

Die Wunderwaffen der Gewerkschaften liegen bereit: Nicht nur Transparente, Fahnen und Lautsprecher werden am 7. September den landesweiten Protest gegen die Rentenreform von Staatschef Nicolas Sarkozy begleiten, auch mit dem Masseneinsatz von Vuvuzelas wollen sich die Demonstranten bei ihrem Präsidenten phonstark in Erinnerung bringen.

Die Plastiktröten, die während der Fußball-WM in Südafrika mit Dezibelstärken eines Düsenjets die Stadien in ohrenbetäubende Hexenkessel verwandelten, sollen jetzt den Widerstand der Regierung zum Einsturz bringen wie Trompeten einst die Mauern von Jericho. "Die Vuvuzela verbreitet Feststimmung, stärkt den Geist der Gruppe und macht einen Höllenlärm", freut sich einer der Organisatoren bei der Gewerkschaft CFDT, die 3000 der Blasinstrumente für die Demonstrationen ankaufte: "Das Ziel einer Kundgebung ist ja, gehört zu werden." So infernalisch wie der Lärm, so hoch ist der Einsatz beim Showdown zwischen Gewerkschaften und Regierung: Wenn am kommenden Dienstag die Arbeitnehmerorganisationen auf die Straße gehen, bleiben bei Bahn, Metro und Verwaltungen Schalter geschlossen, in den Schulen fällt der Unterricht aus. Die Hörer und Zuschauer der öffentlichen Radio- und Fernsehsender werden sich mit Programmen aus dem Archiv begnügen müssen.

Auch der innerfranzösische Flugverkehr ist lahmgelegt. "Nach den Erfahrungen der letzten Generalstreiks, gehen wir aber davon aus, dass der Flughafen Paris Charles de Gaulle nur teilweise betroffen ist", sagt Lufthansa-Stationsleiter Oliver Schneider: "Wir gehen davon aus, dass unsere Flüge weitgehend störungsfrei ablaufen."


Front gegen die Rente ab 62

Mit den Aktionen machen die Gewerkschaften - von der kommunistischen CGT bis zur Force Ouvrière - Front gegen die geplante Rentenreform von Präsident Sarkozy, die am Dienstag in erster Lesung im Parlament beraten wird. Die Opposition hat eine harte Debatte und jede Menge Änderungsanträge angekündigt.

Bei der Gesetzesnovelle, die der Staatschef zum politischen Herzstück seiner Amtszeit erkoren hat, geht es im Kern

- um die Anhebung des Rentenalters von 60 auf 62 Jahre;

- außerdem sollen Vergünstigungen, die Arbeitern in physisch anstrengenden oder gefährlichen Berufen auf ihre Beitragszeit angerechnet werden, gekürzt werden oder entfallen.

Die Regierung, belastet durch ein klaffendes Haushaltsdefizit und eine wachsende Schuldenlawine, beschreibt den Maßnahmenkatalog als konsequenten Teil ihres Sparkurses, mit dem bis 2018 das Budget der Rentenkassen ins Lot gebracht werden soll; für die Gewerkschafter ist das Paket eher der Anfang vom Ende des französischen Sozialmodells, das vor allem die Schwächsten der Gesellschaft treffen wird: Frauen oder Arbeiter mit geringen Einkommen und langer Lebensarbeitszeit.

"Die Regierung spricht von 'Kosten', wo sie an 'soziale Gerechtigkeit' denken sollte", sagt Francois Chérèque, Generalsekretär der CFDT. "Die Lebensarbeitszeit für Angestellte in beschwerlichen Berufen unterscheidet sich - ob Arbeiter, Techniker oder Angestellter." Man könne doch nicht verlangen, dass alle Franzosen die Etappen ihres Lebens im selben Rhythmus ablegen, schimpft Chérèque: "Das ist kein Land mehr, sondern eine Kaserne." Für Nachschub an Vuvuzelas ist gesorgt

Trotz der markigen Ankündigung zeigt sich die Regierung bisher gelassen. "Wir nehmen die Demonstrationen sehr ernst", sagt Arbeitsminister Eric Woerth, der wegen seiner persönlichen Verwicklungen in die Affäre Bettencourt bei der bevorstehenden Kabinettsumbildung womöglich selbst zwangspensioniert wird. "Andererseits muss man im nationalen Interesse natürlich hart sein, das liegt auch im allgemeinen Nutzen der Franzosen. Aber zugleich muss man, wie wir es bereits gemacht haben, zuhören; die Tür öffnen, seine Ohren, sein Fenster und seinen Geist, für das, was gesagt wird."

Dafür werden schon die Vuvuzelas sorgen. José Pecci, Chef einer südfranzösischen Firma, der die Tonwerkzeuge über Deutschland aus China importiert, ist jedenfalls gerüstet. Nach einem ersten Absatzerfolg bei Demonstrationen im Juni ("Schönen Dank an die Gewerkschaften"), hat der Unternehmer noch mal reichlich nachgeordert und ist für zusätzliche Bestellungen gerüstet: "Ich habe 10.000 Stück auf Lager."