Gül: Keine Normalisierung ohne Entschuldigung

derstandard.at: Türkischer Präsident dämpft Hoffnungen auf Wiederannäherung

Ankara/London/Jerusalem - Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hat nochmals klargestellt, dass sein Land eine Normalisierung der schwer gestörten Beziehungen mit Israel unverändert von einer internationalen Untersuchung der blutigen Erstürmung der Gaza-Hilfsflotte in internationalen Gewässern abhängig macht. "Wie würden denn Sie sich verhalten, wenn die Armee eines anderen Landes Ihre Bürger in internationalen Gewässern umbringt?", sagte Gül in einem Interview mit der Londoner Tageszeitung "The Times". Ankara besteht darauf, dass sich Israel für die Tötung von neun türkischen Palästina-Solidaritätsaktivisten an Bord des Schiffes "Mavi Marmara" durch Angehörige der Eliteeinheit "Shayetet 13" Ende Mai entschuldigt und den Familien der Hinterbliebenen Entschädigungszahlungen leistet.


Netanyahu schließt Entschuldigung aus

Israels Premier Benjamin Netanyahu hat eine Entschuldigung bei der Türkei für den Militäreinsatz ausgeschlossen. Dem israelischen Fernsehsender "Channel 1" sagte er am Freitagabend, auch eine Entschädigung stehe nicht zur Diskussion. Israel könne sich nicht dafür entschuldigen, dass sich seine Soldaten selbst verteidigt hätten. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu war am Mittwoch in Brüssel mit dem israelischen Handels- und Industrieminister Benjamin Ben-Eliezer zu einem zunächst geheim gehaltenen Treffen zusammengekommen, was Medienspekulationen über eine sich möglicherweise anbahnende Wiederannäherung zur Folge hatte. Das Treffen, über das der israelische Außenminister Avigdor Lieberman nicht unterrichtet worden war, wurde nach Informationen des israelischen Militärrundfunks "engstens mit der US-Regierung koordiniert". Die israelische Tageszeitung "Haaretz" schrieb unter Berufung auf "eine wichtige israelische Quelle", dass das Weiße Haus die Brüsseler Begegnung veranlasst habe.

Das türkische Außenministerium bekräftigte inzwischen den Anspruch Ankaras auf eine internationale Untersuchung des Angriffs und eine offizielle Entschuldigung Israels, das eine einseitige Untersuchung eingeleitet hat. Der UNO-Sicherheitsrat hatte eine unabhängige Untersuchung verlangt. Davutoglu hatte erklärt, eine unabhängige Untersuchung könne nicht von Israel durchgeführt werden, das den Überfall zu verantworten habe. Israel sitze auf der Anklagebank, wolle aber gleichzeitig Staatsanwalt und Richter sein. Die türkische Regierung verlange, dass die Untersuchung "unter der direkten Kontrolle der Vereinten Nationen" erfolge.

Auf die Frage, weshalb die Türkei die palästinensische Hamas unterstütze, antwortete Gül in dem "Times"-Interview mit den Worten: "Wir respektieren nur die vom palästinensischen Volk getroffene Wahl". Die radikale Organisation hatte die Parlamentswahlen 2006 mit absoluter Mehrheit gewonnen. (APA)