Lesetipp, gefunden bei Kewil: Frankfurter Allgemeine:
Alleinerziehende

faz.net: Die Hätschelkinder der Nation - Von Rainer Hank und Georg Meck - 24. Januar 2010

DIE FAZ analysiert in für heutige Zeiten brutaler und schonungslos offener Art Missstände in der de-facto-Familien- und Bevölkerungspolitik, die durch die staatliche Alimentierung durch Hartz-IV entstehen.

Statt einer ledigen™ SozPolPäd-ExpertIn Ökonomen, Fakten und Zahlen!

Ökonomen vermuten eine 'perverse Anreizstruktur', hinter der Intransparenz stecke Methode. ... Damit beschleunigt der Wohlfahrtsstaat die Zerstörung der Familien.

Das grenzt ja schon fast an eine politisch tiefgehende Interessen- und Hintergrundanalyse, äh, völlig unglaubwürdige Verschwörungstheorie!

Dabei werden sogar Zahlen genannt, statt dass die 'soziale Gerechtigkeit' - dass der Fleißige gefälligst den Faulen zu alimentieren hat und sich im Gegenzug dafür als Besserverdienender kritisieren lassen muss - wieder einmal heraufbeschworen wird. Auch keine Live-Reportagen über arme, ausgegrenzte Kinder, die sich keine Designer-Kleidung und statt des aktuellen Nokia-Handys nur ein diskriminierendes No-Name Assi-Handy leisten können, daher in Depressionen verfallen und so dazu gezwungen sind, vor der Spielekonsole sich zur Gewalt verführen lassen und dabei verhungern, während die einzige Jeans nach dem Waschen gerade auf der Heizung zum Trocknen liegt und die Erziehungsberechtigte sich vor dem Flachbildschirm vom Schmerz ihres unverschuldet zu erduldenden schlimmen Schicksal wenigstens etwas abzulenken versucht...

Nein, stattdessen Zahlen und Fakten! Dass wir das noch erleben durften!

Bitte selber bei der FAZ lesen, auch die Lesermeinungen!

faz.net: Die Hätschelkinder der Nation

Hier ein paar Kostproben (Formatierungen von mir):

„Alleinerziehend - alleingelassen.“ So tönt es quer durch alle politischen Parteien und Verbände. Dabei ist nichts so falsch wie dieser Satz. Alleinerziehende mögen arm oder traurig sein, von der Gesellschaft alleingelassen sind sie nicht. Im Gegenteil: Sie sind die Hätschelkinder des Wohlfahrtsstaates.

Und das nicht erst seit gestern. Niemand belegt das besser als die Lobbyisten, die sich schon vor mehr als vierzig Jahren organisiert haben. „Alleinerziehend sein ist eine Erfolgsstory“, sagt Edith Schwab. Sie ist Chefin des „Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter“. Als man 1967 als „Verband lediger Mütter“ anfing, mussten sich die Frauen noch als „sittenlose Weiber“ beschimpfen lassen. Doch schon vier Jahre später wurden die Funktionärinnen vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann geladen und hoffähig gemacht. [...]

Das altmodische Unehelichenrecht wurde reformiert, das Scheidungsrecht entmoralisiert und finanzielle Nachteile systematisch ausgemerzt. Betreuungskosten für Kinder von Alleinerziehenden zum Beispiel können schon seit 1986 steuerlich abgesetzt werden.

[...] dass es im Jahr 2007 in Deutschland 1,6 Millionen Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren gab, dass das 18 Prozent aller Familien mit Kindern sind, dass in den neuen Ländern ihr Anteil an den Familienhaushalten bei 26 Prozent liegt und dass die Gruppe hierzulande stetig wächst - vier Mal so schnell wie im Schnitt der OECD-Länder.

Als „alleinerziehend“ gelten nach dem Gesetz Personen, die ohne Partner mit einem oder mehreren Kindern im Haushalt leben. Ob es in Wirklichkeit doch einen Partner gibt, der auf demselben Stockwerk in der Nachbarwohnung lebt oder drei Blocks weiter stadtauswärts gemeldet ist, spielt keine Rolle. Das ginge auch niemanden etwas an, lebten nicht mehr als 40 Prozent aller Alleinerziehenden von staatlichen Unterstützungsleistungen, mithin vom Steuergeld der Allgemeinheit. Selbst die Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht darin eine Einladung zum Missbrauch und spricht von einer hohen Dunkelziffer nur scheinbar Alleinerziehender vor allem in Städten.

„Da macht so mancher eine Rechnung auf“, berichtet eine BA-Angestellte. In den Jobcentern gehen reihenweise anonyme Hinweise ein, dass Alleinerziehende so allein nicht sind, der Partner den Behörden nur verheimlicht wird. „Für uns ist es jedoch schwierig, dies gerichtsfest nachzuweisen“, sagt eine Sprecherin der Bundesanstalt. [...]

Viele Alleinerziehende (81 Prozent) haben über ihre Ansprüche auf staatliche Unterstützung hinaus auch Unterhaltsansprüche für sich und ihre Kinder an frühere Partner. Im Durchschnitt sind das etwa 400 Euro (mit drei oder mehr Kindern 750 Euro). Das heißt allerdings nicht, dass diese Ansprüche auch bedient werden. Häufig ist der Erzeuger längst über alle Berge; das Arbeitsamt hat keine Handhabe, den Namen des Vaters zu erfahren: „Es ist nicht unser Auftrag, dies zu erforschen.“ [...]Das Sozialrecht begünstigt Alleinerziehende. „Hartz IV schafft nicht unbedingt Anreize, in eine Partnerschaft zurückzukehren“, bestätigt die Sprecherin der Bundesanstalt. Ökonomen drücken dies noch viel radikaler aus: „Die staatliche Unterstützung nimmt den Charakter einer Trennungsprämie an“, urteilt der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. [...]

Eine Alleinerziehende mit zwei Kindern (3 und 7 Jahre alt) erhält zum Beispiel knapp 1000 Euro monatlich. Hinzu kommen die Kosten für die Unterkunft. Im Bundesschnitt kommt sie so auf ein Budget von 1354 Euro, mit vier oder mehr Kindern sind auch 2000 Euro drin. [...]

Das läppert sich im Lebensverlauf. Für eine nie erwerbstätige Mutter mit einem Kind - eine nicht untypische Hartz-IV-Biographie - muss der Steuerzahler bis zu ihrem 50. Lebensjahr 445.000 Euro bezahlen, hat die Gießener Ökonomin Uta Meier-Gräwe errechnet. Eine vergleichbar qualifizierte, ebenfalls alleinerziehende, aber erwerbstätige Mutter zahlt im selben Zeitraum rund 215.000 Euro an Steuern. Das bedeutet: Um die erwerbslose Alleinerziehende zu alimentieren, braucht es zwei Arbeiterinnen gleichen Typs.

Wer Kinder unter drei Jahren hat, den zwingt Hartz IV ohnehin nicht zur Arbeit. Sie oder er muss sich in dieser Zeit auch nicht um zumutbare Jobs kümmern. Dass es insgesamt noch nicht gut gelungen ist, alleinerziehende Mütter in Arbeit zu bringen, auch wenn sie das wollen, lastet Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fehlenden Krippenplätzen an und dem Ressentiment ihrer Betreuer im Jobcenter: „Ach, die hat ein Kind, da kann man eh nichts machen.“ [...]

Ökonomen sehen die Sache nüchterner und sprechen von einer „perversen Anreizstruktur“. Zu Deutsch: Eine alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin wäre nicht nur dumm, sich offiziell wieder einen Partner zuzulegen. Es wäre auch unklug, wenn sie einen regulären Job annähme. Das ist das Ergebnis einer noch unveröffentlichten Studie am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Klaus Schrader, einer der Verfasser, rechnet vor: Eine Mutter mit zwei Kindern erhält 1500 Euro staatlicher Unterstützung. Im Dienstleistungssektor könnte sie entsprechend ihrer Qualifikation nur ein Einkommen von 1493 Euro erzielen.

„Warum sollte sie sich der Strapaze unterziehen?“, fragt Schrader.
Besser ist es, sie geht auf 400-Euro-Basis ein paar Stunden arbeiten. Dann erhöht sich ihr Transfereinkommen auf 1660 Euro. In Ostdeutschland, wo die meisten Alleinerziehenden leben, sind die finanziellen Vorteile von Hartz IV noch erheblich größer. „Da wäre es verantwortungslos, eine sozialversicherungspflichtige Arbeit anzunehmen“, bilanziert Schrader. [...]

Kein Wunder, dass die Gesellschaft immer mehr Geld für Alleinerziehende ausgibt, ohne dass sich dies positiv in der Arbeitslosenstatistik bemerkbar macht. Allein für Babyausstattung, Hilfen für Klassenfahrten oder für Kommunion respektive Konfirmation stieg der Aufwand zwischen 2005 und 2007 von 42 auf 62 Millionen Euro.

Was die staatliche Förderung der Alleinerziehenden aber insgesamt den Steuerzahler kostet, hat bislang noch niemand errechnet. Hinter der Intransparenz steckt Methode. Denn verschleiert wird, wie weit der Wohlfahrtsstaat sich unterdessen von seinem Gründungsgedanken entfernt hat. Zu Bismarcks Zeiten Ende des 19. Jahrhunderts ging es darum, die von der Industriegesellschaft geschaffenen Risiken (Arbeitslosigkeit, Unsicherheit im Alter) von der Allgemeinheit sozial abzufedern. Heute versichert der Staat existentielle Risiken: Eine Trennung von einem Partner, so schlimm sie oft ist, ist eine private Entscheidung eines Paares, für die weder der Kapitalismus noch die Industriegesellschaft etwas kann.

Der Sozialstaat gleicht immer mehr einem totalitären Regime, das die Familien zerschlägt, sagt der Kieler Sozialphilosoph Wolfgang Kersting. Kersting ist kein Konservativer von gestern, der bestreitet, dass der soziale Wandel die Familienwelt individualisiert hat. „Aber warum muss der Staat dies auch noch mit finanziellen Anreizen unterstützen?“, fragt er: „Damit beschleunigt der Wohlfahrtsstaat die Zerstörung der Familien.“ Und lässt sich das auch noch von den Steuerzahlern teuer bezahlen.

Eines ist für den Philosophen klar. Der Staat macht das nicht aus moralischen Motiven der Gerechtigkeit, sondern aus eiskaltem politischen Kalkül. Er macht sich seine Bürger zu abhängigen Untertanen und erwartet dafür Dankbarkeit in Form von Wählerstimmen.

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Danke nochmals an Tippgeber Grün Grüner Am Grünsten , auch für

stern.de: Alleinerziehende Mutter und Hartz IV: Geld oder Bildung?