Geheime NGO-Verträge

„Unter keinen Umständen“ publik machen – das verräterische Gebaren der EU-Kommission
Zuerst schwieg Brüssels mächtigste Behörde, dann reagierte sie schnell. Am vergangenen Wochenende hatte WELT AM SONNTAG aus geheimen Verträgen der EU-Kommission zitiert. Umweltverbände, wurde darin vereinbart, sollten im Gegenzug für Fördergelder Lobbyarbeit betreiben und zum Beispiel Kohlekraft, Pestizide und das Freihandelsabkommen Mercosur zwischen Europa und Südamerika bekämpfen.
Die Kommission hatte auf eine Anfrage drei Tage vor der Veröffentlichung nicht reagiert. Wenige Stunden danach teilte sie dann mit: Es gebe keine „geheimen Verträge“ mit NGOs. Man stelle bei der Vergabe von EU-Mitteln ein „hohes Maß an Transparenz“ sicher.
Tatsächlich lässt sich auf den Internetseiten der Behörde einsehen, welche Organisationen wie viel Geld erhalten – nicht aber, was genau sie dafür tun sollen. Die sogenannten Arbeitsprogramme, die das festhalten, sind nicht öffentlich.
Die Reaktion der Kommission auf die NGO-Enthüllung verwunderte manche, vor allem im EU-Parlament. Selbst dessen Mitglieder kommen nicht so einfach an die Unterlagen heran. Anfangs durfte alles nur in einem speziellen Raum und unter Aufsicht eingesehen werden, Notizblöcke und Handys mussten vor der Tür bleiben, wie mehrere Abgeordnete erzählen. Später konnten sie die Dokumente an ihren Computern aufrufen – sofern sie schriftlich versicherten, keine Informationen daraus preiszugeben.
WELT AM SONNTAG liegt die Erklärung vor, die die Abgeordneten unterschreiben mussten. Darin heißt es, die Fördervereinbarungen mit den NGOs seien „vertraulich“. Wer sie einsehe, dürfe „unter keinen Umständen zulassen, dass die darin enthaltenen Informationen unbefugten Personen bekannt werden“. Verstöße würden mit „disziplinarischen Maßnahmen“ geahndet.
Schon im Dezember hatte der FDP-Abgeordnete Moritz Körner, ein Experte für den EU-Haushalt, der Kommission Fragen zu dem Thema geschickt. Körner störte, dass die Umweltabteilung in der vergangenen Wahlperiode NGOs für den Kampf gegen Mercosur bezahlte – während die für Handel zuständigen Beamten das Abkommen vorantrieben.
Im März antworte die Kommission: Sie teile „die Auffassung, dass Arbeitsprogramme, die speziell auf die EU-Organe und einige ihrer Vertreter ausgerichtete Tätigkeiten umfassen, auch wenn sie nicht gegen den Rechtsrahmen verstoßen, ein Reputationsrisiko für die EU mit sich bringen können“. Sie ahnte also, dass die Sache heikel ist.
„Die Kommission war sich bewusst, dass viele Bürger die Nutzung von Steuergeldern für verdeckten Lobbyismus kritisch sehen dürften, wie die Antwort auf meine Anfrage zeigt“, sagt Körner. „Es wäre konsequent, wenn die Behörde nun jene NGO-Verträge von 2022, die noch laufen, überarbeitete.“
Der Staatsrechtler Sebastian Müller-Franken von der Philipps-Universität Marburg kritisiert den Inhalt der Vereinbarungen. „Die Ausreichung von öffentlichen Geldern durch die Kommission an NGOs, um sogenannte Klimaklagen gegen deutsche Unternehmen betreiben zu können, widerspricht dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten, den der EU-Vertrag statuiert“, sagt er. „Die Schädigung der wirtschaftlichen Basis eines Mitgliedstaates zwecks Durchsetzung der eigenen Politik im Wege der Finanzierung von Prozessen gegen Unternehmen der Schlüsselindustrien dieses Staates – noch dazu aus Mitteln, die dieser Staat ihr zu einem großen Teil zur Verfügung gestellt hat – ist nun offenbar Realität und eine Ungeheuerlichkeit.“
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