Wer diese Gruppierungen zuwandern läßt, schafft natürlich auch Korruption.

Anklage erhoben: Staatsanwalt ist wegen 14 Taten angeklagt

Ein Staatsanwalt aus Hannover soll jene Kokain-Dealer gewarnt haben, die er eigentlich hinter Gitter bringen sollte. Von der Bande soll er regelmäßig Geld bekommen haben. Davon geht offenbar die Anklage der Staatsanwaltschaft Osnabrück aus.
Der Mann hatte demnach jahrelang tiefgehende Einblicke in die Ermittlungen gegen eine Drogenbande, die im großen Stil Kokain aus Südamerika in den Norden bringen wollte. Doch als die Polizei bei einer Razzia zuschlug, waren zahlreiche Beschuldigte nicht da. Von den 30 Haftbefehlen konnten 2021 nur 19 vollstreckt werden. Der Verdacht: Der Staatsanwalt könnte die Drogendealer gewarnt haben.
14 Fälle konnten die Ermittler des Landeskriminalamts und der Staatsanwaltschaft Osnabrück nun so weit nachvollziehen, dass es für eine Anklage ausreicht. Staatsanwalt G. aus Hannover soll gleich an mehrere Beschuldigte Ermittlungsinterna verraten haben, zwischen Juni 2020 und März 2021. Die Drogenbande soll dem Staatsanwalt 5.000 Euro monatlich gezahlt haben, darüber hinaus Bonuszahlungen für besondere Leistungen. So steht es nach NDR Informationen in der Anklageschrift.
Auf Anfrage bestätigte das Justizministerium dem NDR zudem, dass eine weitere niedersächsische Behörde mit einer IT-Firma eine Geschäftsbeziehungen unterhielt, die in den Fokus der Ermittler geraten ist. Demnach unterhielt auch der Zentrale IT-Betrieb der niedersächsischen Justiz (ZIB) vertragliche Beziehungen mit der Firma aus Niedersachsen. Insgesamt geht es um acht Berater-Verträge, die zwischen Dezember 2018 und Oktober 2024 durchgeführt wurden. Hierbei ging es um unterschiedliche IT-Schulungen. Fahnder prüfen derzeit, ob möglicherweise auch über die Firma Informationen an die Drogenbande weitergereicht worden sein könnten. Das IT-Unternehmen ist von einem der verurteilten Drogenschmuggler gegründet worden. Es wird heute von einem seiner Familienmitglieder geleitet.
Die anfänglichen Ermittlungen gegen den Staatsanwalt wurden zwischenzeitlich bereits eingestellt, was vermuten läßt, dass weitere Maulwürfe am Werk sind:

Hermann fragt sich auch, warum im Jahr 2023 die Ermittlungen eingestellt wurden, obwohl die Verdachtsmomente schon 2022 vorlagen. "Das Ministerium sollte sich zügig erklären", so Hermann weiter, welche neuen Beweise bei seiner Festnahme im vergangenen Herbst vorgelegen hätten.
https://www.ndr.de/nachrichten/niede...anwalt226.html

Über Jahre beschäftigte die Justiz in Niedersachsen der bis dahin größte Kokainschmuggelfall Europas. Es ging unter anderem um einen Fund von 16 Tonnen Kokain im Jahr 2021 im Hamburger Hafen, versteckt in einer Containerladung Blechkanister mit Spachtelmasse. Der Marktwert des Funds wird auf 500 Millionen Euro geschätzt. Hinter dem Riesengeschäft soll eine etwa zwanzigköpfige Gruppe aus Hannover gestanden haben. Getarnt über eine Speditionsfirma und mit Verbindungen zur berüchtigten niederländischen Kokain-Mafia soll sie den Import eingefädelt haben. Ein Fall einer neuen Größenordnung für Deutschland – und sogar Europa. Geführt hatte die Ermittlungen gegen die Gruppe der 39-jährige Staatsanwalt Yashar G. aus Hannover. Es kam zu Anklagen und Prozessen.
Doch im Laufe der Zeit tauchten auch Merkwürdigkeiten auf. Stutzig geworden waren die Ermittler, als ein groß geplanter Schlag gegen die Kokain-Gruppe 2022 weitaus enttäuschender ausfiel als gedacht. Von den rund 30 Haftbefehlen konnten nur 19 vollstreckt werden, wichtige Köpfe der Gruppe hatten sich ins Ausland abgesetzt. Vor dem Landgericht Hannover wurde den Festgenommenen der Prozess gemacht. Mit dabei – in der Rolle des Anklägers – war der 39-Jährige.
Den Ermittlern kam die teils erfolglose Razzia damals verdächtig vor. Es sah ganz danach aus, als wäre die Gruppe vorab gewarnt worden, so als gäbe es eine "undichte Stelle". Es begann die Suche nach einem "Maulwurf" bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Denn auch in Chat-Nachrichten der Kokain-Bande war die Rede von einem "korrupten" Staatsanwalt, der demnach Informationen lieferte. Parallel lief das Verfahren gegen Mitglieder der Kokain-Bande. Staatsanwalt G. arbeitete weiter mit und trat auch vor Gericht auf, als es zum Prozess kam.
War G. der Maulwurf? Nach und nach hatten sich entsprechende Hinweise auf den Staatsanwalt verdichtet, der seit 2017 in Hannover im Dienst war. Ab Ende 2022 soll der Verdacht gegen den Staatsanwalt auch dem Justizministerium bekannt gewesen sein. Die Sache nahm weiter Fahrt auf. Seine Wohnung wurde durchsucht, die Auswertung von beschlagnahmten Datenträgern erhärtete den Verdacht allerdings nicht. Erst einmal jedenfalls. So wurde das Verfahren gegen ihn Ende 2023 wieder eingestellt. Ein Verfahren gegen Unbekannt wurde weitergeführt, die Suche nach dem Maulwurf war vorerst ohne Erfolg geblieben.
Wer also war der Mann, den die Kriminellen in ihren verschlüsselten Sky-ECC-Chats "Coach" nannten? Bei dem sie sich fragten, ob er verlässlich liefern würde oder selbst pokerte? Dort heißt es etwa wörtlich: "Ein statssanwalt den die kenne hat gesagt…". Offenbar blieb für die Ermittler auch nach Auswertung der zum Teil sehr konkreten Chatnachrichten weiter unklar, was an dem Verdacht gegen G. dran sein könnte.
Das änderte sich, als im Juni 2024 neue Hinweise aus entschlüsselten Chat-Verläufen auftauchten, die die Ermittler dazu brachten, das Verfahren gegen G. wieder aufzunehmen. Plötzlich stand der Mann unter dringendem Tatverdacht. Man ließ ihn aber in der Justiz weiterarbeiten, bis in den August hinein, und vor allem: auch in dem Kokain-Verfahren, wie der NDR berichtet. Am 29. Oktober wurde G. dann festgenommen. Gegen ihn soll die Staatsanwaltschaft Hannover einen Vermögensarrest in Höhe von 65.000 Euro angeordnet haben, wie die BILD-Zeitung berichtete. Die Ermittler vermuten, er habe diesen Betrag als Gegenleistung von der Kokain-Bande erhalten.
Eine ganze Reihe Fragen ist bei der Aufklärung des Falls offen. Warum durfte der Staatsanwalt trotz Verdachts gegen ihn an dem Fall weiterarbeiten? Das klingt erst einmal unglaublich. Andererseits kann auch nicht jeder Verdacht, vielleicht gerade dann, wenn er von Angeklagten geäußert wird, ausreichen, um einen Staatsanwalt aus einem komplexen Verfahren abzuziehen. Auf die Qualität des Verdachts hatte auch der Bundesgerichtshof abgestellt, der kürzlich über einen Revisionsfall aus dem Komplex zu entscheiden hatte.
Dann bleibt aber auch noch eine zweite Frage: Warum hatte man der Staatsanwaltschaft Hannover noch so lange die Ermittlungen gegen den eigenen Kollegen überlassen? Lässt sich das wirklich völlig trennen? Hätte man den Ermittlungen nicht abgeben sollen? Erst Ende 2024 hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück die Ermittlungen übernommen.
Der Komplex scheint alles andere als abschließend aufgeklärt. Mitte Januar hatte die Staatsanwaltschaft Osnabrück die Polizei für eine weitere Durchsuchung losgeschickt. Im Visier hatten sie eine IT-Firma in Celle. Die Computerfirma, die unter anderem IT-Schulungen anbietet, nennt auf ihrer Internetseite unter anderem den Deutschen Bundestag und die Zentrale Polizeidirektion Hannover als ihre Kunden. Also auch noch ein Maulwurf bei der Polizei? Entsprechende Hinweise gab es in den Chat-Nachrichten der Kokain-Bande. Geführt wurde das durchsuchte Unternehmen lange von einem Mann, der im Oktober 2023 vom Landgericht Hannover wegen bandenmäßigen Drogenhandels zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war.
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat nun neben G. außerdem Anklage gegen einen weiteren Angeschuldigten wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Bestechung in einem besonders schweren Fall erhoben. Der soll in 12 Fällen als Mittelsmann fungiert und Informationen des angeschuldigten Staatsanwaltes weitergeben haben. Zudem soll er dem Staatsanwalt G. das für die Informationsweitergabe vereinbarte Geld übergeben haben.

Wird die Anklage gegen den Staatsanwalt G. vom Landgericht Hannover zugelassen, wird es in den nächsten Monaten zu einem Prozess gegen ihn kommen.
https://www.lto.de/recht/hintergruen...f-kokain-mafia