Warum schiebt Deutschland keine abgelehnten Asylbewerber und Straftäter nach Afghanistan ab? Immer wieder wird auf die „Bedrohungslage“ verwiesen und auf die „Verfolgung durch die Taliban“. Die radikalislamische Gruppierung regiert seit August 2021 in Kabul. Doch ausgerechnet die als eher linksliberal geltende Washington Post beschreibt Afghanistan jetzt in einer Reportage vor Ort als eine Art Rückkehrer- und Urlaubsparadies. Eine Rückkehrerin namens Zahra aus London sagte dem Bürochef in Kabul, Rick Noack, „es gibt jetzt Freiheit“. Ein anderer Rückkehrer namens Habib Rahman verwies im Interview darauf, dass er sich in Kabul „so sicher wie in Europa auch“ fühle.
Dabei sprechen laut des Artikels gleich mehrere Gründe dafür, warum Afghanistan attraktiv für Auswanderer geworden ist, die entweder ihre Urlaubszeit am Hindukusch verbringen – oder gänzlich zurückkehren. „Viele der Besucher, die ausländische Pässe oder Visa besitzen, staunen über das Sicherheitsgefühl und den Bau neuer Straßen unter der Herrschaft der Taliban“, heißt es in dem Artikel. „Sie posten Fotos ihrer Lieblingsgerichte aus Afghanistan, diskutieren Geschäftspläne und shoppen im neuen Duty-Free-Shop des Flughafens in Kabul.“
Einige der Rückkehrer scheinen zudem tatsächlich von der Lebensqualität in Afghanistan überzeugt zu sein, da ihre eigenen Erfahrungen im Westen nicht erfüllt worden waren. „Die Lebensqualität in Afghanistan, insbesondere unter den Taliban, ist besser als in Deutschland“, sagt Ali in der Washington Post, ein 65-jähriger Deutsch-Afghane, der das Land kürzlich besuchte. Er führte zudem aus, dass er sich mit einer „konservativen Kultur“ wieder verbunden fühlte, zu der er sich nach eigenen Angaben mehr hingezogen fühlt als zu dem westlich-liberalen Lebensentwurf.
Die meisten der Interviewten wollten allerdings nicht dauerhaft in Afghanistan sein, sondern kehren für Urlaubsgelegenheiten zurück, etwa für Hochzeiten, bei denen traditionellerweise hunderte Afghanen zusammenkämen. Andere besuchen über Wochen und Monate die eigenen Familien – und wiederum dritte suchen nach Businessmöglichkeiten in ihrer Heimat. Dies liegt womöglich auch daran, so die Washington Post, dass sich die wirtschaftliche Lage in Afghanistan konsolidiert. So wird auch Mirwais Sarmastzadas zitiert, ein Möbelhändler, der davon berichtet, dass viele Kunden zum ersten Mal seit Jahren oder Jahrzehnten wieder im Land seien. „Viele sind überrascht, solch hochwertige Betten zu sehen, die hier in Afghanistan hergestellt werden“, so Sarmastzada. Er erklärte, dass Afghanen aus dem Ausland inzwischen drei von vier Kunden ausmachten – und ihre Zahl weiter wachse. Auch entstehe langsam so etwas wie ein Luxus-Leben mit gehobenen Restaurants. Die bereits zitierte Zahra aus London erfreute sich etwa daran, Goldschmuck einzukaufen, während andere in Restaurants französisches Frühstück oder türkischen Kaffee genossen, so die Washington Post

Für afghanische Frauen, die unter der Herrschaft der Taliban leben müssen, kann die Begeisterung der besuchenden Verwandten unterdessen „verwirrend und zunehmend frustrierend“ sein, heißt es in der Washington Post. „Die Taliban haben ihre Einschränkungen vor drei Monaten weiter verschärft und Frauen sogar verboten, ihre Stimmen in der Öffentlichkeit zu erheben. Doch Besucher verbringen oft so viel Zeit in den Häusern ihrer Verwandten, dass das Fehlen von Frauen in vielen öffentlichen Räumen unbemerkt bleibt, sagten einige Gastgeberfamilien in Interviews. Viele Besucher halten sich außerdem hauptsächlich in wohlhabenderen Gegenden Kabuls auf, wo die Durchsetzung der Regeln durch die Sittenpolizei vergleichsweise selten ist.“ Der Bericht der US-Zeitung wirft dabei ein Schlaglicht auf ein Phänomen, das laut Beobachtern schon lange existiert, nämlich die Tatsache, dass Asylbewerber aus Afghanistan unlängst in ihre Heimat zurückkehren, um Urlaub zu machen, Familien zu besuchen oder unternehmerisch tätig zu werden. Im August sorgte erst ein Bericht von RTL für Aufsehen, der nachzeichnete, wie einfach es für Afghanen ist, Heimaturlaube durchzuführen. Erst jüngst wurde zudem publik, dass das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan vor dem Aus steht. Dieses sollte dabei helfen, gefährdete Ortskräfte nach Deutschland zu überführen. Auch das spricht dafür, dass eine eminente Bedrohungslage vor Ort nicht mehr vorherrscht. Für Deutschland, wo 2023 nahezu 500.000 Afghanen lebten, was gleichzeitig die drittgrößte Diaspora weltweit darstellt, würde dies bedeuten, dass der triftige Asyl-Grund der Verfolgung in etlichen Asylfällen nicht mehr zutrifft – was sich sowohl auf Rückführungsmöglichkeiten als auch Asylchancen auswirken dürfte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wies Ende August öffentlichkeitswirksam 28 schwere Straftäter nach Afghanistan aus. In den drei Monaten wurden aber keine Rückführungen mehr durchgeführt, wie Recherchen von NIUS zeigen. Einer Umfrage aus dem Juni zufolge sprechen sich 93 Prozent der Deutschen für Abschiebungen ins Land der Taliban aus.

https://www.nius.de/ausland/news/afg...4-18352c0890ae[/COLOR]
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