so wie Habeck nur mit Agora-Leuten spricht und nicht mit Fachleuten.

Es zieht sich wie ein roter Faden durch die grüne Politik, die sich übrigens dann, wenn sie ihre Ideologie gegen den Widerstand der Mehrheit durchpeitscht, ständig auf den Koalitionsvertrag beruft, wobei der das gar nicht hergibt. Man interpretiert ihn nach eigenem Belieben für die eigene Sache:

Forderung beim «Wolfsgipfel» der Bundesregierung: Deutsche sollen vegan leben, um das Raubtier zu retten

Umweltministerin Steffi Lemke will über die wachsende Wolfspopulation nur mit Tierrechtsaktivisten, nicht aber mit den Jägern diskutieren. Die Tierschützer nutzen prompt ihre Chance und stellen radikale Forderungen.


Die deutsche Regierungskoalition ist um eine weitere Krise reicher: die Wolfskrise. Anlass dafür gibt Umweltministerin Steffi Lemke. Die Grünen-Politikerin hat für den Donnerstag eine Krisensitzung in Berlin anberaumt, bei der über die Zukunft des Raubtiers in den Wäldern und auf den Weiden des Landes diskutiert werden soll. Über die Auswahl der Gipfelteilnehmer ist jetzt aber ein heftiger Streit ausgebrochen, weil die Ministerin zwar radikale Tierschützer eingeladen hat, nicht aber den Jägerverband.

Dabei gibt es wahrlich viel zu besprechen, denn die Wolfspopulation wird mittlerweile auf 161 Rudel geschätzt. Tendenz: steigend. Vor allem für Landwirte wird Isegrim zum Problem, weil Schafe, Ziegen oder Geflügel ganz oben auf seiner Speiseliste stehen. Allein im Jahr 2020 wurden mehr als 3000 Nutztiere Opfer einer Wolfsattacke. Doch Ministerin Lemke weigert sich, den Wolf auf die Abschussliste zu setzen. Erst im Februar hat sie sich in einem Brief an die EU-Kommission vehement dagegen ausgesprochen, die Abschussregelungen zu lockern.


Der Staat muss deshalb mittlerweile jedes Jahr Millionen aufbringen, um die Opfer der wölfischen Raubzüge zu entschädigen. Damit nicht genug, eine ganze Wolfsbürokratie ist entstanden, um den Raubtierschaden zu protokollieren und zu regulieren. In jedem Bundesland gibt es öffentliche Wolfsberater, die das «Wolfsmanagement» vorantreiben sollen: Sie beraten etwa Bauern beim Zaunbau und führen Strichlisten, wenn der Wolf wieder einmal zugebissen hat.
Deutsche sollen vegan leben für den Wolf

Geht es nach Umweltministerin Lemke, wird sich an diesem Kurs in der Wolfspolitik nicht so schnell etwas ändern. Das legt schon die Einladungsliste für ihren Berliner Wolfs-«Krisengipfel» am Donnerstag nahe. So wurden etwa die Tierrechtsaktivisten von Peta ins Ministerium eingeladen, um mit der Ministerin zu beraten. Ihr Vorschlag zur Krisenlösung ist dabei von bemerkenswerter Schlichtheit.


Statt auf Wölfe im Land sollten die Bürger künftig besser auf Hähnchenschenkel und Hackfleisch auf dem Teller verzichten: «Landwirte und Teile der Politik schreien lautstark nach Wolfstötungen, weil sie einen wirtschaftlichen Schaden verursachen könnten», sagt der Peta-Sprecher Peter Höffken. «Dies lehnen wir ab. Für uns liegt auch in diesem Bereich die Lösung in einer veganen Lebensweise.»



Keine Einladung schickte Lemke an den Deutschen Jagdverband. Was wiederum bei dem Verbandsvize Helmut Dammann-Tamke für Verwunderung sorgt. Es dränge sich der Eindruck auf, dass das Bundesumweltministerium das Thema Wolf nicht mit der «angemessenen Ernsthaftigkeit» behandele, sagt er im Gespräch mit der NZZ. Es gehe dabei nicht darum, den Wolf wieder auszurotten. «Es geht darum, die Population so zu managen, dass die Akzeptanz nicht verlorengeht.» Und genau darauf habe sich ja auch die «Ampel» in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt.


Das Umweltministerium wiederum antwortet auf Anfrage, der Deutsche Jagdverband sei womöglich vom Verteiler gerutscht. Und fügt vage hinzu, dass «auch Vertreter*innen der Jägerschaft» der Einladung zum Wolfsdialog gefolgt seien. Ministerin Lemke betont lediglich, dass man sich in «kontinuierlichem Austausch mit allen Beteiligten» befinde. Ganz ohne Jägerschaft vom Dachverband findet der Auftakt des Wolfsdialogs in Berlin aber nicht statt. Man habe sich «rotzfrech selbst eingeladen», verrät Dammann-Tamke der NZZ.

FDP feuert gegen Lemke

Lemkes Zwist mit den Jägern hat dazu geführt, dass es auch ums Weidmannsheil innerhalb der Koalition schlecht bestellt ist. Karlheinz Busen, FDP-Abgeordneter und Jäger aus dem Münsterland, ist auf der Zinne und pocht ebenfalls auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages: «Wenn die Jägerschaft tatsächlich nicht zum Dialog eingeladen wurde, ist das eine bodenlose Frechheit von Ministerin Lemke.»


«Das Umweltministerium zieht es offenbar vor, mit Ideologen zu arbeiten statt mit Praktikern.» Die Wolfspopulation müsse auf ein vernünftiges Mass reduziert werden. Nur durch Jagd lerne der Wolf, dass er sich vom Menschen fernhalten müsse. «Sonst passiert irgendwann ein Unglück», warnt Busen. Der deutsche Streit um den Wolf – er könnte sich zur nächsten «Ampel»-Krise auswachsen.
CSU-Politikerin würde selbst Hand anlegen

Ideologische Verbohrtheit wirft auch die Opposition der Ministerin vor. Die CSU-Politikerin Dorothee Bär hat vor sieben Jahren ihren Jagdschein gemacht und seither viele Stunden auf dem Hochsitz verbracht. Ein Wolf ist Bär zwar noch nicht vor die Flinte gelaufen, zögern würde sie mit dem Abschuss allerdings nicht – wenn es das Gesetz denn zuliesse. «Der Wolf hat keine natürlichen Feinde in den deutschen Wäldern und muss deshalb entnommen werden», sagt sie.


In ihrem bayrischen Wahlkreis in der bayrischen Rhön entziehe er den Schäfern mittlerweile die Lebensgrundlage, die Zahl der gerissenen Schafe sei stark gestiegen. «Ich frage mich, warum Umweltministerin Lemke den Wolf für schützenswerter hält als beispielsweise das Rhönschaf.»


Der Wolf sei in Deutschland zum Dauerstreitthema geworden, weil er von Öko-Aktivisten und Grünen romantisch verklärt werde, glaubt die Christlichsoziale. Viele würden beim Wolf an ein magisches Fabelwesen denken, über das man in Kindermärchen so viel lesen könne. «Aber selbst dort wurde ja darüber berichtet, dass er die Grossmutter beziehungsweise sechs der sieben Geisslein aufgefressen hat. In der Realität sollten wir den Wolf also ebenfalls als das verstehen, was er ist: als ein Raubtier.»
Grüner Jäger plädiert für den Abschuss

Und zumindest leise kritische Töne muss sich Ministerin Lemke mittlerweile sogar aus den eigenen Reihen gefallen lassen. Denn rund 420 Kilometer Luftlinie von Lemkes Ministerium entfernt, auf der Nordseeinsel Sylt, lebt und jagt Roland Klockenhoff.


Der freundliche 65-Jährige ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Sonderling: Denn Klockenhoff hat nicht nur vor drei Dekaden einen Jagdschein erworben, er ist auch Mitglied der Grünen. Statistiken über die Verbreitung von Jagdscheinen bei Parteimitgliedern gibt es zwar keine, der Verdacht liegt allerdings nahe, dass die Zahl nur im Promillebereich liegen dürfte. Das hat auch Klockenhoff immer wieder zu spüren bekommen.


Dabei gebe es gar keinen Zwiespalt zwischen Jägern und Umweltschützern, glaubt er: «Wir Jäger sind viel draussen und kennen uns in der Natur aus, das verbindet uns mit den Naturschützern.» Der Jäger aus Schleswig-Holstein ist sich deshalb sicher: «Wenn sich ein Umweltschützer dazu entschliessen sollte, einmal selbst an einer Jagd teilzunehmen, könnte das seinen Horizont erweitern.»


Es freut Klockenhoff umso mehr, dass sich zumindest an einigen Stellen in der Öko-Bewegung das Zerrbild vom Jäger aufzulösen scheint: «Mittlerweile geht es ja in Deutschland sehr vegetarisch-vegan zu», erzählt er. Aber selbst das Greenpeace-Magazin habe kürzlich feststellen müssen, dass Wildfleisch empfehlenswert sei. «Bemerkenswert!», findet Klockenhoff.


Der deutsche Streit um den Wolf ist dabei auch am Jäger Klockenhoff nicht vorbeigegangen. Kein Wunder, in seinem Bundesland wurden allein in den vergangenen 12 Monaten 69 Tiere vom Wolf gerissen, unter schleswig-holsteinischen Jägern sei der Wolf daher ein grosses Thema.
Für ihn persönlich spiele das Raubtier aber bislang keine Rolle: «Auf meiner Insel habe ich noch keinen Wolf gesehen», sagt er in breitem friesischem Akzent. Wenn Klockenhoff die Flinte auspackt, zielt er stattdessen auf Wildgänse und Hasen. Den offenen Konflikt mit seiner Parteifreundin Steffi Lemke und ihrer Wolfspolitik versucht Klockenhoff dennoch zu vermeiden: «Über was da auf dem Festland gestritten wird, halte ich mich lieber raus.»

https://www.nzz.ch/international/wol...ern-ld.1740326