Kurz und knapp in Auszügen über den Zustand der Bundeswehr, der sich auch trotz "Sondervermögen" nicht wesentlich ändern wird. Man kann schließlich nicht alles haben, denn die Gelder, die der Bundeswehr nächstes Jahr zur Verfügung stehen, sollen wesentlich geringer sein als die Gelder, die dieses Jahr der Bundeswehr zur Verfügung standen, weil es ja das "Sondervermögen" gibt. Also alles in allem wieder ein großer Trick.

ZEIT ONLINE: Es geht oft um einfache Dinge wie neue digitale Funkgeräte, die die Soldatinnen und Soldaten dringend brauchen, aber nicht bekommen, obwohl die Milliarden bereitstehen.
Högl: Das stimmt. Aber daran wird auch mit Hochdruck gearbeitet. Ende November wird im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss endlich über die Funkgeräte entschieden. Die wären dann das Erste, was aus dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen finanziert wird, mit Ausnahme der persönlichen Ausstattung – Schutzwesten und Rucksäcke beispielsweise –, die bereits bestellt ist und bis 2025 eintreffen soll.
Manche Soldaten kaufen sich die Ausrüstung privat auf eigene Kosten.
Eva Högl
ZEIT ONLINE: Es braucht mehrere Jahre, um Rucksäcke zu bestellen und an die Soldatinnen und Soldaten zu verteilen?
Högl: Für die Bundeswehr ist das schon richtig schnell. 2,4 Milliarden Euro hat das Parlament für die persönliche Ausstattung bewilligt. Aber bislang haben sie fast nichts bekommen. Das Geld muss jetzt in der Truppe ankommen.
ZEIT ONLINE: Warum ist das so schwierig, die richtigen Kleidungsstücke in ausreichender Menge zu beschaffen?
Högl: Leider gibt es auch bei der Bundeswehr in den Ämtern manchmal Gleichgültigkeit und Desinteresse bei den zuständigen Beamten: Haben wir nicht, geduldet euch, wird schon nicht so wichtig sein, schicken wir hinterher, so etwas hören die Soldaten ständig. Manche Soldaten kaufen sich deshalb die Ausrüstung privat auf eigene Kosten.
ZEIT ONLINE: In ihrem Jahresbericht 2021 ist zu lesen, dass die deutschen Kräfte in Osteuropa unter den Verbündeten als schwächstes Glied in der Kette gelten.
Högl: Das ist unangenehm, aber leider wahr. Nehmen Sie die alten, analogen Funkgeräte: Mit denen können sie nicht mit internationalen Partnern kommunizieren. Die deutschen Soldaten haben noch Sprechtafeln, manchmal muss auch jemand aus dem Panzer herausschauen und winken oder etwas zurufen. Das ist kein Witz. Das ist Einsatzrealität der Bundeswehr im Jahr 2022. Und gegenüber unseren Verbündeten peinlich.
ZEIT ONLINE: Sie haben bereits nach einem Truppenbesuch in Litauen Alarm geschlagen, dass nicht einmal ausreichend wärmende Unterwäsche vorhanden war.

Högl: Das habe ich bewusst öffentlich gemacht. Und die fehlende Thermokleidung ist kein Einzelfall. Kürzlich war ich beim Jägerbataillon 292 in Donaueschingen. Deren Soldaten verlegen gerade nach Mali und ihnen fehlten unmittelbar vor dem Abflug noch Hosen, Hemden und Schutzwesten in der richtigen Größe. Sie konnten nicht mal in Schutzausrüstung trainieren. Dabei muss im Ernstfall alles sitzen.
https://www.zeit.de/politik/deutschl...to-zeitenwende

ZEIT ONLINE: Ist die Bundeswehr derzeit überhaupt auch nur bedingt einsatzbereit?
Högl: Ich sage nicht, dass unsere Soldaten nicht einsatzbereit sind. Aber ausreichend funken können sie beispielsweise nicht. Wegen dieser Lücke ist die Bundeswehr unter anderem nicht vollständig einsatzfähig.
https://www.zeit.de/politik/deutschl...nwende/seite-2

Högl: Die rote Linie ist die Einsatzbereitschaft der Truppe. Die Bundeswehr muss in der Lage sein, ihren Auftrag zu erfüllen. Es gab vor dem 24. Februar bereits zu wenig, nun ist es noch schlechter geworden, weil Systeme an die Ukraine abgegeben wurden und nichts Neues gekommen ist. Ich befürworte die Abgabe von Schützenpanzern, die bei der Industrie stehen. Die gehören nicht der Bundeswehr und fehlen der Truppe damit auch nicht.
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