Strompreis fast verzehnfacht – Diese Kurve ist Vorbote der nächsten Mega-Krise

Eigentlich sollten zusätzlich angefahrene Kohlekraftwerke helfen, Erdgas einzusparen. Doch die Politik verzögert den Einsatz der dringend benötigten Anlagen – mit dramatischen Folgen: Aus der Gaskrise entwickelt sich eine Stromkrise ungeahnten Ausmaßes.
Wenn Werner Marnette (CDU) dieser Tage durch Hamburg radelt, lässt ihn Zorn über die Energiepolitik heftig in die Pedale treten: „Ich erwäge Strafanzeige gegen Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck.“ Marnette, einst Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, dann Manager und Unternehmensberater, treibt eine Frage um, die gerade vielen Beobachtern des Energiemarktes ein Rätsel ist: „Wo bleibt die Kohle?“

Die Frage ist berechtigt. Obwohl früh nach Kriegsbeginn in der Ukraine klar war, dass die Kürzung russischer Gaslieferungen Deutschland in die Bredouille bringen würde, haderte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) monatelang mit den klimapolitischen Empfindlichkeiten seiner Partei. Erst im Juli schuf er mit dem „Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz“ die Voraussetzung dafür, die Gasverschwendung in der Stromproduktion zu verringern.
Lediglich ein einziges Kohlekraftwerk im niedersächsischen Mehrum ging bislang ans Netz. Eigentümer der Anlage ist der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky.... . Jetzt, wo die Strompreise in die Höhe schießen, betreibt der Kohleinvestor mit seinen deutschen Anlagen wahre Gelddruckmaschinen..
Dass weitere Kraftwerksbetreiber dem Beispiel Kretinskys bislang nicht gefolgt sind, hat auch mit politischen Vorgaben zu tun. Wohl um der klimapolitisch ungeliebten Kohlewirtschaft keine Geschenke zu machen, wurde die Erlaubnis zur Kohleverstromung vom Habeck-Ministerium befristet und an strenge Bedingungen geknüpft. Die verhindern nun den Schnellstart der Kohleverstromung in einer Zeit, in der es nach Habecks Worten „auf jede Kilowattstunde ankommt.“
Heute fuchst es Marnette, dass die Gasverstromung über den Sommer hinweg nicht zurückgefahren wurde, sondern im Gegenteil neue Rekordwerte erreichte. Im Mai und Juli wurde in Deutschland mehr Gas zur Stromerzeugung verbrannt als in den Jahren zuvor, obwohl Kohlekraft bereitstand. „Wie will man dem Bürger denn erklären, er soll sparen oder frieren, wenn zugleich Milliarden Kubikmeter des wertvollen Rohstoffs völlig unnötig verfeuert werden“, fragt Marnette: „Die Fortsetzung der vermeidbaren Verstromung von Erdgas auf hohem Niveau ist verantwortungslos, wenn nicht sogar strafbar.“

Viele in der Industrie teilen die Ausgangsthese. „Wir müssen feststellen, dass die Stromerzeugung aus Gaskraftwerken seit Beginn der Ukraine-Krise kaum zurückgegangen ist“, zitierte das „Handelsblatt“ Christof Bauer, Vorsitzender des Energieausschusses im Verband der Chemischen Industrie (VCI). Dabei hätte man mit Kohlekraft „schnell Entlastung schaffen können“.
Am Terminmarkt wird Strom zur Lieferung 2023 schon zu 450 Euro pro Megawattstunde gehandelt – fast eine Verzehnfachung des früheren Niveaus. „Der Preisanstieg ist wirklich atemberaubend“, sagt Lion Hirth, Energieexperte der Hertie School: „Das gab es in der Geschichte des Strommarkts noch nie.“
Bliebe der Großhandelsmarkt auf diesem Niveau, könnte sich der Endpreis für die Verbraucher von derzeit rund 35 Cent theoretisch in nicht allzu langer Zeit in Richtung ein Euro pro Kilowattstunde bewegen.
„Dass die Bundesregierung den Einsatz von Kohlekraftwerken vor diesem Hintergrund nicht mit mehr Dringlichkeit betreibt, verwundert“, sagt Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Tatsächlich würden unnötige Regularien das Wiederanfahren der Kraftwerke massiv verzögern.
So macht es der Gesetzgeber etwa zur Auflage, neben den Kraftwerken einen Kohlevorrat aufzuschütten, der für 30 Tage durchgehenden Betrieb auf maximaler Leistung reicht. Die Kosten sind hoch, wie das Beispiel des Essener Unternehmens Steag zeigt, das mit 2,3 Gigawatt eine erhebliche Menge Kohlekraft zurück an den Markt bringen will.
Nur: Zum Stichtag 1. November muss die Steag erst einmal 700.000 Tonnen Steinkohle beschaffen. Beim aktuellen Weltmarktpreis von 342 Euro pro Tonne kostet das 240 Millionen Euro – eine Summe, höher als der operative Gewinn des letzten Jahres. Doch ob die Kohle auch verfeuert werden kann, weiß die Steag nicht. Die Erlaubnis zur Kohleverfeuerung endet laut Verordnung schon am 30. April 2023. Wird die „Alarmstufe“ des Gasnotfallplans zurückgenommen, erlischt die Erlaubnis zur Kohleverstromung. Die Kraftwerker, gerufen in der Not, würden auf ihren teuren Brennstoffhalden sitzen bleiben.
Weiter heißt es in dem Artikel, die Anhäufung der vorgeschriebenen Kohlehalden sei ein nicht bzw. kaum zu bewältigendes logistisches Problem, teils, weil der Kohleimport aus Russland verboten ist, teilweise auch durch das Niedrigwasser des Rheins, das es den Schiffen nur erlaubt, mit halber Ladung zu fahren. Die Förderung eigener Steinkohle ist durch politische Entscheidungen im Jahr 2018 in Gänze zum Erliegen gekommen.

Nun gäbe es natürlich die Möglichkeit der Braunkohleverstromung, denn Braunkohle darf ja noch in geringerem Maße abgebaut werden. Allerdings darf die Braunkohle nach dem Willen Habecks nicht einfach verstromt werden, nein:

Doch Habecks Kohleverordnung bestimmt, dass Braunkohle-Kraftwerke erst dann zum Einsatz kommen dürfen, wenn die Steinkohlekraftwerke nicht mehr ausreichen, um die Nachfrage zu decken. Obwohl die Betreiber Leag und die rheinische RWE bereits damit begonnen haben, Hunderte Mitarbeiter aus dem Vorruhestand zu holen, werden sie im Unklaren darüber gelassen, ob und wann die Kraftwerke überhaupt wieder produzieren dürfen.
https://www.welt.de/wirtschaft/plus2...ise-droht.html

Eine Strafanzeige wäre das Mindeste....