Minister, die die Konjunktur beleben, kann das Land in der beginnenden Rezession gut gebrauchen. Die Verteidigungsministerin hat das geschafft. Am 22. Juni stellte sich Christine Lambrecht (SPD) einer Regierungsbefragung im Bundestag – und ein Teil ihrer Antworten kurbelt nun den Handel mit Patches an.
So drückten Soldaten auf dem Höhepunkt des Kampfeinsatzes der Bundeswehr in Afghanistan in den Jahren 2009 und 2010 ihren Unmut über die Politik der Bundesregierung, die den Krieg nicht Krieg nennen wollte, mit einem Aufnäher aus, auf dem zu lesen war: „I fight for Merkel“. Die Ironie verstand damals jeder.
Aktuell wird im Internethandel ein „selbst gestickter Patch auf robustem Bundeswehr-Oliv-Stoff“ angeboten, auf dem ein Lambrecht-Zitat vom 22. Juni zu lesen ist: „Dauerfeuer – Nein, das macht man nicht“. Das Abzeichen geht auf den Versuch der Ministerin zurück, den Abgeordneten zu erklären, warum der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard nach ihrer Lesart kein Panzer ist.
„Der Gepard ist zum Beispiel dafür da, auch kritische Infrastruktur zu schützen, indem er mit dem Rohr in die Luft schießt“, sagte Lambrecht. Natürlich, wie der Kampfpanzer Leopard habe auch der Gepard „große Rohre“. Doch es gelte: „Den Gepard stellt man nicht auf Dauerfeuer. Nein, das macht man nicht.“ Dann sei nicht nur schnell die Munition weg, „sondern auch alles andere, also das Rohr ist auch kaputt“.
Im kommerziell ausgeschlachteten Amüsement über die anhaltende fachliche Unbedarftheit der Wehrministerin ging unter, dass Lambrecht bei der Regierungsbefragung ein noch viel bedeutenderer Schnitzer unterlaufen war.
So hatte sie behauptet, dass „Anträge auf Rüstungsexporte selbstverständlich auch weiterhin im Bundessicherheitsrat entschieden“ würden. Dessen Sitzungen müssten „nicht unbedingt in Präsenz stattfinden“, man könne sich „auch in einem Umlaufverfahren abstimmen“. Und „selbstverständlich“ habe man auf diesem Weg „diese Entscheidungen dann getroffen.“
Das machte den CDU-Abgeordneten Thomas Röwekamp stutzig. Die Bundesregierung hatte ihm nämlich zuvor schriftlich mitgeteilt, dass die Exportentscheidungen für die Ukraine eben nicht vom Bundessicherheitsrat, sondern „derzeit regelmäßig auf Leitungsebene vom Bundeskanzleramt und den Bundessicherheitsrats-Ressorts getroffen“ würden. Der Sicherheitsrat habe „im Jahr 2022 bisher keine Genehmigungsentscheidungen zum Export von Rüstungsgütern, dazu zählen auch Waffenlieferungen aus Bundeswehrbeständen, getroffen“. Auf Nachfrage Röwekamps bestätigte die Regierung die Auskunft an diesem Montag erneut.
Für Florian Hahn (CSU), den verteidigungspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, ist damit klar: „Ministerin Lambrecht hat im Bundestag offensichtlich die Unwahrheit gesagt.“ Man könne sich fragen, ob Lambrecht das mit Vorsatz oder aufgrund mangelnden Wissens getan habe. „Beides bereitet mir große Sorgen mit Blick auf ihre Aufgabe als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt“, sagte Hahn WELT.
Womöglich ist die SPD-Politikerin das Opfer der eigenen Intransparenz geworden. Denn Lambrecht zählte zu jenen Kräften in der Regierung, die aus den Details der Waffenlieferungen an die Ukraine ein Geheimnis machten – mit wechselnden Begründungen.
„In der Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates und in den außenpolitischen Leitlinien der Bundesregierung ist verankert, dass über jede erteilte Genehmigung der Bundestag zu informieren ist“, sagt Röwekamp. Das sei der Bundesregierung wohl „irgendwie lästig“ gewesen.
Röwekamp stößt besonders sauer auf, dass SPD und Grüne ansonsten stets für besonders weitgehende Rüstungskontrolle plädierten und im Koalitionsvertrag sogar ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz vereinbart hätten. Derzeit aber würden selbst die geltenden Regeln „klammheimlich ausgesetzt“.
Für Lambrecht kommt hinzu: Dass Soldaten sich über die militärfachliche Kompetenz ihrer Ministerin lustig machen, ist nicht schön, aber auch nicht neu. Wenn eine Volljuristin allerdings zusätzlich Wissenslücken im Staatsorganisationsrecht offenbart, ist es um ihre Glaubwürdigkeit schlecht bestellt.
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