Mitbestimmung für Mitarbeiter? Dieser Ampelplan lässt Familienunternehmen zittern

Nach den Plänen der Regierung müssten viele Familienunternehmen bald Aufsichtsräte gründen. Gewerkschaften halten das für überfällig. Doch die Firmen fürchten um ihre Freiheit. Was die Änderungen für Unternehmen und Mitarbeiter bedeuten würden.

... Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, müssten viele von ihnen demnächst einen Aufsichtsrat gründen, bei dem Arbeitnehmervertreter zu einem Drittel mit am Tisch sitzen. Vorbei wären die Zeiten, in denen der Seniorchef samt dem Sohn, der Tochter oder den Enkelkindern in vertrauter Runde entscheiden.

Den betroffenen Firmen sind die Pläne ein Dorn im Auge. Viele von ihnen haben bisher noch nicht mal einen Aufsichtsrat. Sie fürchten um ihre unternehmerische Freiheit und um ihr Familieneigentum, bei dem künftig auch andere mitreden sollen. Mitarbeiter bekämen Einblicke in sensible Geschäftsdetails familiengeführter Unternehmen, dürften plötzlich Firmenstrategien und Budgets prüfen.



Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), nennt das Vorhaben deshalb realitätsfern. „Im mittelstandstypischen Familienbetrieb liegen Verantwortung für die Mitarbeiter, Kapital, Risiko und Haftung seit jeher in einer Hand“, sagt Jerger. Ein Zwangsaufsichtsrat sei „mit der unternehmerischen Freiheit im Mittelstand unvereinbar“. Neben der bloßen Symbolik gehe es aber auch um zusätzliche Belastungen. „Ein Aufsichtsrat würde für einen Mittelständler einen immensen bürokratischen Mehraufwand und damit Kosten verursachen“, sagt Jerger. Das sieht auch die Stiftung Familienunternehmen so. „Nach den Vorstellungen der Koalition müsste in vielen Familienunternehmen erstmals überhaupt ein Aufsichtsrat gebildet werden“, sagt Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer.


...Wann die Pläne nun umgesetzt werden, darauf will sich die Bundesregierung noch nicht festlegen. Am grundsätzlichen Willen lässt sie allerdings keinen Zweifel: Es solle in der laufenden Legislaturperiode erfolgen, erklärt das Bundesarbeitsministerium auf Nachfrage. Das komplexe Gestrüpp ist für Rechtsanwälte aber schon derzeit ein Geschäft. Sie kennen die gesetzlichen Pflichten – und mit ihnen auch die Lücken. Einer von ihnen, der sich auf Unternehmensmitbestimmungsrecht spezialisiert hat, ist Marc Müller, Partner bei der Kanzlei Taylor Wessing. „Das Vorhaben der Ampel-Koalition führt bereits jetzt zu einem erheblichen Beratungsbedarf für Firmen und Unternehmensgruppen, die dann einen drittelmitbestimmten Aufsichtsrat einzurichten hätten“, sagt der Jurist. Die Firmen würden sich nun mit der Thematik auseinandersetzen und „alternative Gestaltungsmöglichkeiten“ prüfen.

Dazu gehörte bislang etwas, was Experten als „Flucht in die SE“ bezeichnen. Unternehmen wählen die Rechtsform der Societas Europaea (SE), der Europäischen Aktiengesellschaft. Beim Wechsel zur SE wird der Mitbestimmungsstatus eingefroren, bleibt also auch in Zukunft unverändert. Das gilt selbst dann, wenn die Mitarbeiterzahl später die 2000 übersteigt – und der Aufsichtsrat der Gesellschaften nach dem Mitbestimmungsrecht eigentlich zur Hälfte mit Arbeitnehmern besetzt werden müsste...

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