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    Die Akte Scholz

    Nein, in diesem Artikel geht es nicht um die Verwicklung von Scholz in den Wirecard und CumEx-Betrugsskandal, nicht um seine Freundschaft mit einem Hamburger Bankier, der daraufhin Millionen Steuerrückzahlungen nicht zu leisten hatte, weil Scholz die Frist verstreichen ließ, obwohl er mehrfach angemahnt wurde, er, der Scholz, die Rückforderung einzutreiben. Es geht auch nicht um die Grundsteuerreform des Herrn Scholz, die die Grundsteuer zu einer viel zu teuren Wohnsteuer für jedermann macht, Startbeginn 2025. Es geht auch nicht um die unschöne und unsoziale Rolle als Finanzminister, die Mieten weiter in die Höhe zu treiben und soziale Vermieter (die Mieten unterhalb der Vergleichsmieten und damit noch oberhalb des Mietspiegels) zu bestrafen, weil ansonsten ja Verwandte untereinander zu billig vermieten könnten, nein, es geht um die fernere Vergangenheit des Herrn Scholz.

    Jusos und FDJ mit dem Kreml Seit' an Seit'

    Die Akte Scholz

    Die Grünen wollen gegenüber Russland mehr Härte zeigen, die SPD spricht von Dialog. Die Reaktionen auf den Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine erinnern an vergangene Zeiten, als die Sowjetunion Westeuropa mit neuen Mittelstreckenraketen bedrohte. Dokumente zeigen, wie Olaf Scholz damals die Nähe zum Kreml suchte.

    In der Ampel-Koalition bahnt sich ein Konflikt an: Wie soll Deutschland reagieren, wenn russische Truppen in die Ukraine einmarschieren? Während Annalena Baerbock und Robert Habeck damit drohen, die Gaspipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen, bezeichnete Olaf Scholz diese als rein „privatwirtschaftliches Projekt“. Und während die grüne Außenministerin Russland „harte diplomatische und wirtschaftliche Konsequenzen“ in Aussicht stellte, will der Bundeskanzler dem Vernehmen nach einen „qualifizierten Neuanfang“ in den Beziehungen. Zu diesem Zweck hat er jetzt seinen außenpolitischen Berater Jens Plötner nach Moskau geschickt.


    Der Konflikt um den Aufmarsch von fast 100.000 russischen Soldaten an der ukrainischen Grenze erinnert an die 1970er Jahre, als die Sowjetunion hunderte nukleare Mittelstreckenraketen auf Westeuropa richtete. Während die NATO damals beschloss, mit ähnlichen Raketen nachzurüsten und dem Kreml zugleich Verhandlungen anzubieten, wollten viele Sozialdemokraten von militärischen Gegenmaßnahmen nichts wissen. Der sogenannte Doppelbeschluss führte in der Bundesrepublik zu Massenprotesten, erreichte aber am Ende sein Ziel: 1987 verpflichtete sich die Sowjetunion, die neuen Waffen wieder auszumustern.


    Ein Wortführer der damaligen Proteste gegen die Politik der NATO war – Olaf Scholz. Auf alten Fotos sieht man, wie er in Bonn gegen die amerikanischen Raketen demonstriert. In der Nachrüstungsfrage, so schrieb er 1982 in der „Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft“, „kann es für die fortschrittlichen demokratischen Kräfte in diesem Land nur ein entschiedenes NEIN geben.“ In der Bundesrepublik stünden sich zwei Lösungsmodelle alternativ gegenüber: Eine „Wende nach rechts“, die in letzter Konsequenz eine „völlige Unterordnung unter die offensive Globalstrategie des US-Imperialismus bedeuten“ würde – oder eine „Wende nach links“, die den NATO-Beschluss korrigieren müsse.


    Kreml-nahe Positionen

    Wenn es stimmt, dass politische Auffassungen in jungen Jahren geprägt werden, dann könnten die Beziehungen zu Russland in der Bundesregierung schon bald zu erheblichem Streit führen. Denn zu Beginn seiner Politikerkarriere vertrat Scholz im Konflikt mit Moskau ausgesprochen Kreml-nahe Positionen. Wie bislang unveröffentlichte Dokumente im Bundesarchiv belegen, unterhielt er auch persönlich enge Beziehungen zu Funktionären der DDR und der Sowjetunion.


    Auch damals hatten sich die Beziehungen zwischen Ost und West massiv verschlechtert. Grund dafür waren nicht nur die neuen SS 20-Raketen und die Entscheidung der NATO nachzurüsten. Am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1979 hatte Moskau vielmehr Truppen in ein ebenfalls bis dahin unabhängiges Nachbarland einmarschieren lassen: in Afghanistan. Neun Jahre lang versuchten rund 100.000 sowjetische Soldaten vergeblich, das Land unter Kontrolle zu bekommen. Als sie im Februar 1989 wieder abzogen, waren über eine Million Menschen ums Leben gekommen, darunter mehr als 26.000 sowjetische Armeeangehörige.


    Ausgerechnet in dieser Zeit nahmen die Jungsozialisten Beziehungen zum Jugendverband der sowjetisch kontrollierten DDR auf. Im Mai 1980 empfing der damalige Juso-Vorsitzende Gerhard Schröder den Chef der FDJ, Egon Krenz, zu einem offiziellen Besuch in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Auch Scholz, der von 1982 bis 1988 stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten war, kam deshalb bald in Kontakt mit Funktionären des Ostblocks. Als erklärter Marxist und Vertreter des sogenannten Stamokap-Flügels war er für diese von besonderem Interesse.



    Den Unterlagen zufolge begegnete Scholz spätestens im März 1983 erstmals hochrangigen Vertretern der FDJ und des sowjetischen Komsomol. Gelegenheit dazu bot der außerordentliche Bundeskongress der Jusos, zu dem auch mehrere Moskau-treue Jugendverbände eingeladen worden waren. „Diskussion wie Beschlussfassung“, so heißt es in einem Bericht der DDR-Delegation, „dokumentierten eine gewachsene Geschlossenheit der Jungsozialisten in ihrem Eintreten gegen die Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen.“ Einhellig hätten sie die USA „für die äußerst gefährliche Zuspitzung der internationalen Lage“ verantwortlich gemacht.

    Mit der FDJ in der Sauna

    Im September 1983 nahmen die Jungsozialisten erstmals an einem „Internationalen Jugendlager“ in der DDR teil. Die Veranstaltung, die in Werder bei Potsdam stattfand, stand unter dem Motto „Frieden ist unser erstes Menschenrecht! Europa darf kein Euroshima werden!“ Sechs Tage lang wurden die Teilnehmer mit Vorträgen von SED-Funktionären, Veranstaltungen und Exkursionen indoktriniert. Leiter der zehnköpfigen Juso-Delegation war Scholz, der – wie ein Teilnehmer später berichtete – am Abend mit den „FDJ-Granden“ auch in die Sauna ging.


    Nur wenig später erreichte die Auseinandersetzung um die Nachrüstung ihren Höhepunkt. Im Oktober 1983 protestierten in Bonn und weiteren Städten über eine Million Menschen. Die SPD, deren Kanzler Helmut Schmidt den NATO-Beschluss einst mit initiiert hatte, stimmte im November nahezu geschlossen dagegen. Gleichwohl erteilte der Bundestag mit den Stimmen von CDU und FDP der Stationierung seine Zustimmung. Während die Sowjetunion ankündigte, nun auch in der DDR und der Tschechoslowakei Raketen aufzustellen, ließ die SED mit Bärbel Bohley und Ulrike Poppe zwei Führungsfiguren der unabhängigen Friedensbewegung verhaften.


    Scholz trat jetzt dafür ein, den Bundestagsbeschluss durch Proteste wieder rückgängig zu machen und seine Umsetzung zu verhindern. Im Bundesvorstand der SPD erklärte er zudem, „dass man wegen der veränderten Position in Teilen der Friedensbewegung jetzt auch als Jusos das Thema NATO-Austritt diskutieren“ könne. In einem Aufsatz über „Aspekte sozialistischer Friedensarbeit“ betonte er wenig später erneut, dass „längerfristig auch die Frage der militärischen Integration der BRD in die NATO auf der Tagesordnung stehen“ werde.


    Während die Grünen wegen ihrer Unterstützung ostdeutscher Friedensgruppen Einreiseverbot in die DDR erhielten, plante der Bundesvorstand der Jungsozialisten in dieser Zeit ein weiteres Treffen mit der FDJ. In einem internen Vorbereitungspapier lobten die DDR-Funktionäre die Jungsozialisten, die sich als „konsequentester Teil innerhalb der SPD“ von Anfang an klar gegen die Raketenstationierung ausgesprochen hätten. Zu Scholz wurde hervorgehoben, dass er der Stamokap-Gruppe angehöre, die oft stärker bereit sei, „mit Kommunisten zusammenzuarbeiten.“ Als Geschenk sollte er einen Band mit Künstlerporträts, zwei Schallplatten mit politischen Liedern sowie Bücher von DDR-Autoren im Gesamtwert von 75 DDR-Mark erhalten.

    Empfang bei Egon Krenz

    Wie zuvor verabredet, erschienen Scholz und seine Genossen am Morgen des 4. Januar 1984 am Berliner Grenzübergang Friedrichstraße. Ein Abgesandter der FDJ nahm sie in Empfang und brachte sie ins Gästehaus des DDR-Ministerrates. Da sie im Vorfeld darauf gedrungen hatten, nicht nur mit FDJ-Chef Eberhard Aurich, sondern auch mit einem Vertreter des Zentralkomitees zu sprechen, wurden sie noch am Vormittag von Egon Krenz empfangen, dem damals zweitwichtigsten SED-Funktionär. Auf diese Weise schaffte es der 25-jährige Scholz nicht nur in die DDR-Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“, sondern auch auf die Titelseiten des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“ und des FDJ-Organs „Junge Welt“.



    Im Bericht des DDR-Fernsehens sieht man, wie Olaf Scholz – damals noch mit langen, strubbeligen Haaren – gegenüber von Krenz vor einer Schale Obst sitzt. An der Wand hängt ein Porträt des Kommunistenführers Ernst Thälmann, der die SPD in der Weimarer Republik als „Sozialfaschisten“ beschimpft hatte. Mit am Tisch sitzen Honeckers Verantwortlicher für Deutschlandpolitik, Herbert Häber, FDJ-Chef Eberhard Aurich sowie weitere Juso-Funktionäre. Ein Screenshot, der in den sozialen Medien kursiert und hinter Scholz auch noch das Logo der RAF zeigt, ist jedoch eine Montage.


    Einem internen Bericht der FDJ zufolge versicherten die Jusos Krenz, dass sie mithelfen wollten, in der Bundesrepublik „ein solches Klima zu schaffen, dass die Gefahr der Raketenstationierung im Bewusstsein der Bevölkerung wachgehalten wird.“ Sie würden deshalb aktiv für eine Volksbefragung gegen die US-Raketen am Tag der Europawahl eintreten. Von einer Kritik an den sowjetischen SS 20-Raketen ist nirgendwo die Rede. In einer gemeinsamen Presseerklärung setzten sich Jusos und FDJ am Ende des dreitägigen Besuchs vielmehr nur „für den sofortigen Stationierungsstopp und den Abzug der bisher aufgestellten US-Erstschlagwaffen“ ein.


    Für Missstimmung sorgte am letzten Besuchstag allerdings eine Meldung, die im West-Berliner „Tagesspiegel“ erschienen war. Unter Berufung auf den damaligen Juso-Chef Rudolf Hartung wurde darin behauptet, Krenz hätte den Jusos zugesichert, dass die DDR-Behörden die Inhaftierung Bohleys und Poppes „überprüfen“ würden. Im Abschlussgespräch erklärte der Sekretär des Zentralrates der FDJ, Günter Bohn, dass dies „eine Lüge ist und Geist und Inhalt des Gesprächs grob entstellt.“ Erbost fragte er Hartung, ob die Jusos nun „an konstruktiven Beziehungen zur FDJ interessiert sind oder sich in bestimmte Kampagnen gegen die DDR einreihen wollen.“ Der Juso-Chef hätte daraufhin sichtlich um Fassung gerungen und den Bericht bedauert. Scholz und ein weiterer Stellvertreter hätten sich dagegen „offen vom Inhalt der Meldung“ distanziert.


    In der Folgezeit trafen sich die Jusos regelmäßig mit DDR-Funktionären. Allein 1984 passierten noch sechs weitere Delegationen die innerdeutsche Grenze. Höhepunkt war der „Gegenbesuch“ Aurichs am 17. Dezember 1984 in Bonn. In einem Kommuniqué warfen Jusos und FDJ der Bundesregierung vor, mit ihrer Zustimmung zur Stationierung der US-Raketen „schwere Mitverantwortung für die Verschärfung der internationalen Lage übernommen“ zu haben, und forderten einen sofortigen Stopp und Abbau der bereits vorhandenen Systeme. Zudem wiesen sie „alles Gerede von einer angeblich ‚offenen deutschen Frage‘“ zurück.



    Bis 1988 trafen sich die Vorsitzenden von Jusos und FDJ noch neun weitere Male. Auch Scholz, der als „Fraktionsführer“ des Stamokap-Flügels galt, war nun häufiger Gast in der DDR. In den Erinnerungen von FDJ-Chef Aurich findet sich zum Beispiel ein Foto, das ihn im September 1987 in einer Gruppe von Funktionären beim Olof-Palme-Friedensmarsch in Wittenberg zeigt. Auch das „Internationale Friedensseminar der Jugend“, das von SED-Chef Erich Honecker eröffnet und in den DDR-Medien tagelang gefeiert wurde, wurde Aurich zufolge „in enger Zusammenarbeit mit den Jungsozialisten“ durchgeführt. Mehrmals im Jahr veranstalteten Jusos und FDJ zudem gemeinsame Seminare und eine Arbeitsgruppe beider Organisationen beriet regelmäßig über Rüstungsfragen.

    Partner der FDJ

    In einer als Vertrauliche Verschlusssache eingestuften Analyse des Zentralrates der FDJ zogen die Funktionäre 1988 Bilanz. Es sei gelungen, die Jusos zu international sehr beachteten Friedensinitiativen zu gewinnen. „Die Jusos wurden Partner der FDJ im Friedenskampf.“ Hervorgehoben wird unter anderem „der aktive Beitrag der Jusos zur Durchführung der XII. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1985 in Moskau.“ Zu den Hauptergebnissen zähle zudem „die veränderte Beschlusslage der Jusos hinsichtlich der weiteren Normalisierung der Beziehungen zur DDR.“ Seit 1985 würden sie die Forderungen der DDR voll anerkennen, was auch in einem Gemeinsamen Kommuniqué Niederschlag gefunden hätte.


    Das Papier unterstrich die Bereitschaft der Jusos, auch auf internationaler Ebene mit den Moskau-treuen Jugendverbänden zusammenzuarbeiten. „Sie erweisen sich als gesprächsbereite und berechenbare Dialogpartner.“ In diesem Zusammenhang wird betont, dass Scholz zugleich Vizepräsident des Weltverbandes sozialistischer Jugendorganisationen IUSY sei, über den sich die Jusos auch international für eine gemeinsame Friedensinitiative mit der FDJ eingesetzt hätten. Unter „Schlussfolgerungen“ hieß es: „Es ist so auf die Jusos einzuwirken, dass sie die von ihnen mitgetragenen Friedensvorschläge der Sowjetunion, der DDR und der anderen sozialistischen Staaten in ihrem Bündnisbereich in der BRD und in der Internationalen Union der Sozialistischen Jugend verankern und stabil vertreten.“


    Im Mai 1988 reiste Scholz erneut in die DDR. Die FDJ hatte zu einem fünftägigen Seminar über „Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Zusammenarbeit junger Kommunisten und junger Sozialdemokraten“ bei der Friedenssicherung eingeladen. Zum Programm gehörten auch Betriebsbesichtigungen und Gespräche mit Volkskammerabgeordneten und DDR-Journalisten. „Das Auftreten der Delegation“, resümierte der Zentralrat anschließend, „war geprägt vom offensichtlichen Willen, den erreichten Stand der Beziehungen zur FDJ konstruktiv fortzusetzen.“ Scholz habe erklärt, im Juni auch am „Internationalen Treffen für kernwaffenfreie Zonen“ in Ost-Berlin teilnehmen zu wollen. Bei der von der SED organisierten Veranstaltung setzte sich die hochmilitarisierte DDR vor mehr als eintausend Teilnehmern aus 113 Ländern medienwirksam als Friedensstaat in Szene.


    Das FDJ-Dokument enthält auch Angaben, welche Auffassungen die Jusos in Ost-Berlin vertraten. So hätten sie erklärt, dass der Abbau pauschaler Feindbilder nicht bedeute, „dass die wahren Feinde des Friedens nicht mehr benannt werden dürften“. Diese befänden sich vielmehr „im Militär-Industrie-Komplex der USA“ sowie in der „Stahlhelm-Fraktion“ der Unionsparteien. Die „Friedensoffensive der sozialistischen Länder“ hätte dagegen zu einem „Aufbrechen des antikommunistischen Feindbildes“ in der Bundesrepublik geführt. „Auffällig“ nannten es die FDJ-Funktionäre, dass die innere Situation in der DDR nach der Verhaftung und Abschiebung prominenter Bürgerrechtler keine große Rolle gespielt hätte. An der „Buhmann-Diskussion gegen die DDR“ hätten sich die Gäste nicht beteiligt.


    An einer Stelle des Dokumentes werden die Ausführungen Scholz‘ auch wörtlich wiedergegeben. Der Juso-Vize wird mit den Worten zitiert, dass es legitim sei, „Vorstellungen über eine andere Entwicklung im jeweils anderen System“ zu entwickeln. Das bedeute jedoch nicht, dass die SPD je wieder ein „Ostbüro“ eröffnen würde. Anschließend hätte er die Überzeugung geäußert, „dass im Zuge der Entwicklung der sozialistischen Länder die sozialistische Demokratie Züge des bürgerlichen Parlamentarismus annehmen werde.“


    Die Geschichte nahm bekanntlich einen anderen Verlauf. Die SED wurde im Herbst 1989 entmachtet und Deutschland wenig später wiedervereinigt. Geblieben ist allerdings das Großmachtdenken im Kreml, das den Nachbarstaaten das Recht auf Selbstbestimmung abspricht – und die Bereitschaft der Sozialdemokraten, die daraus folgende Politik zu akzeptieren.


    Zweifellos hat sich Scholz seit seiner Zeit als Juso-Vize nicht nur äußerlich erheblich verändert. Doch sollten russische Truppen in die Ukraine einmarschieren, dürfte dies die Ampel-Koalition in massive Konflikte stürzen. Auch für diese Situation hält die Geschichte bereits ein Drehbuch bereit: Als die SPD 1982 immer mehr vom NATO-Beschluss abrückte, kehrte ihr die FDP den Rücken – und bildete mit der Union eine neue Regierung.

    https://www.tichyseinblick.de/daili-...e-akte-scholz/
    Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.
    Gustav von Rochow (1792 - 1847), preußischer Innenminister und Staatsminister

  2. #2
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    AW: Die Akte Scholz

    Die SPD stand der SED immer sehr nahe. Letztlich hat die Zusammenarbeit, die unter Brand begann, das Überleben der sozialistischen Brüder um Jahre verlängert. Scholz ist der typische West-Sozialist....


    Historiker enthüllt: So nahe stand der Jungsozialist Olaf Scholz den Machthabern in der DDR


    Freitag, 24.09.2021, 16:04
    Der Kanzlerkandidat der SPD hat eine lange Parteikarriere hinter sich. Aber nur wenige wissen, dass er als Jungsozialist eine enge Zusammenarbeit mit der kommunistischen Jugendorganisation in der DDR pflegte. Eine Spurensuche in den Hinterlassenschaften der FDJ.
    Umso erstaunlicher ist, dass sich bislang kaum ein Journalist für die Biografie von Olaf Scholz interessiert hat – insbesondere für die Anfänge seiner politischen Karriere in der SPD, als er nicht nur Helmut Schmidt und die NATO heftig bekämpfte, sondern auch eine große Nähe zu Exponenten des Machtapparats der DDR entwickelte. Dabei ist dieses Kapitel in seinem Lebenslauf von besonderem Interesse, schließlich könnte Scholz nach der Wahl mit den Erben der SED in Koalitionsverhandlungen treten. Diese Geschichte soll deshalb hier erzählt werden.
    Beginnen wir im Jahr 1980. Scholz trug damals noch einen Wuschelkopf, studierte Rechtswissenschaft in Hamburg und kämpfte in den Jungsozialisten gegen die „rechte“ SPD-Führung. Die Sowjetunion war gerade in Afghanistan einmarschiert und US-Präsident Jimmy Carter forderte, aus diesem Grund die Olympischen Spiele in Moskau zu boykottieren. In dieser Zeit, genauer: am 23. Mai 1980, empfing der damalige Juso-Vorsitzende Gerhard Schröder erstmals den Chef des kommunistischen Jugendverbandes in der DDR, Egon Krenz, zu einem Besuch in der Bundesrepublik. Damals wurde vereinbart, dass FDJ und Jusos offizielle Beziehungen aufnehmen.
    1982 geriet Scholz ins Blickfeld der SED
    Zwei Jahre später wurde Scholz stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten – womit er auch ins Blickfeld der SED geriet. Denn diese verfolgte damals mit enormem finanziellen, personellen und geheimdienstlichen Aufwand das Ziel, die Bundesrepublik gegen einen NATO-Beschluss in Stellung zu bringen, als Antwort auf die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen ähnliche Waffen auf westdeutschem Territorium aufzustellen.
    Die Jungsozialisten bildeten dabei einen wichtigen Hebel, da sie direkt in die regierende SPD hineinwirkten und deutlich glaubwürdiger waren als die kommunistischen Bruderorganisationen in Westdeutschland. Scholz war für die SED besonders interessant, weil sich der damals 24-Jährige nicht nur als vehementer Kritiker der NATO hervorgetan hatte, sondern auch dem marxistischen Stamokap-Flügel der Jusos angehörte.

    Zuständig für Jungsozialisten und Scholz war Zentralrat der FDJ
    Tatsächlich wurde Scholz zu einem wichtigen Verstärker von DDR-Positionen im Vorstand der Jungsozialisten. In der Nachrüstungsfrage, so schrieb er nach seiner Wahl in der „Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft“, „kann es für die fortschrittlichen demokratischen Kräfte in diesem Land nur ein entschiedenes NEIN geben.“ In der Diskussion mit anderen Teilen der Friedensbewegung müssten Jungsozialisten dabei deutlich machen, „dass Aufrüstung und Kriegsgefahr notwendige Begleiterscheinungen des Imperialismus sind und dass deshalb eine dauerhafte Friedenssicherung nur möglich ist, wenn das kapitalistische Gesellschaftssystem vom Sozialismus abgelöst wird.“
    Zuständig für die Kontakte zu den Jungsozialisten war der Zentralrat der FDJ, in dem einst auch die Linken-Politikerin und heutige Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestages Petra Pau arbeitete. In den FDJ-Hinterlassenschaften findet sich eine Reihe aufschlussreicher Dokumente über Olaf Scholz. Aufmerksam registrierte man in der DDR, dass sich der Jugendverband der SPD nach dessen Wahl in den Bundesvorstand nach links bewegte. In einer Information über den Bundeskongress im März 1983 wurde zum Beispiel hervorgehoben, dass die Jusos – trotz eines bestehenden Unvereinbarkeitsbeschlusses – erstmals eine Abordnung der DKP-nahen Jugendorganisation SDAJ eingeladen hätten. Zudem hätten sie einhellig „die USA für die äußerst gefährliche Zuspitzung der internationalen Lage verantwortlich“ gemacht.
    Scholz und die Diskussion um den Nato-Austritt
    Auf dem Juso-Kongress wurde auch die Frage diskutiert, ob die Bundesrepublik aus der NATO austreten solle – eine Forderung, die nach den Bundestagswahlen in möglichen Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Linken eine bedeutende Rolle spielen dürfte. Die Jusos hätten sich damals dagegen gewandt, „den 5. vor dem 1. Schritt tun zu wollen,“ heißt es in dem FDJ-Bericht. Im Dezember 1983 erklärte Scholz allerdings im SPD-Bundesvorstand, „dass man wegen der veränderten Position in Teilen der Friedensbewegung jetzt auch als Jusos das Thema NATO-Austritt diskutieren“ könne. Und im März 1984 bekräftigte er in einem Aufsatz über „Aspekte sozialistischer Friedensarbeit“, dass „längerfristig auch die Frage der militärischen Integration der BRD in die NATO auf der Tagesordnung“ stehen werde.
    In dieser Zeit nahmen die Jungsozialisten erstmals an einem Internationalen Jugendlager teil, das die FDJ jedes Jahr für linke Jugendfunktionäre aus der Bundesrepublik und Österreich durchführte. Die sechstägige Veranstaltung in Werder bei Potsdam bestand aus Vorträgen erfahrener SED-Agitatoren, die mit abendlichen Musikdarbietungen, Filmvorführungen und Ausflügen garniert wurden. Delegationsleiter der Jusos war Scholz, der die abendlichen Leiterbesprechungen allerdings mehrfach schwänzte. Wie sich der damalige Bundesschatzmeister der Jungdemokraten erinnerte, musste er Scholz erst heranschaffen, damit dieser die Absicht seiner Jungsozialisten „tötete“, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu verfassen. Zur Strafe hätte Scholz anschließend mit den „FDJ-Granden“ alleine in die Sauna gehen müssen.

    Jusos als „als konsequentester Teil innerhalb der SPD“
    Nachdem der Bundestag im November 1983 der Aufstellung neuer Raketen auf westdeutschem Boden zugestimmt hatte, ging es der DDR darum, diesen Beschluss mit allen Mitteln rückgängig zu machen. Eine erste Gelegenheit, die Jusos hierbei als nützliche Verstärker einzusetzen, bot sich im Januar 1984, als Scholz mit weiteren Mitgliedern des Bundesvorstandes zur FDJ nach Ost-Berlin reiste.

    In einem Vorbereitungspapier würdigte die FDJ die Rolle der Jusos in der Bundesrepublik. Sie hätten sich „als konsequentester Teil innerhalb der SPD“ von Anfang an für ein eindeutiges Nein zur Raketenstationierung ausgesprochen. Sie gehörten zu jenen Kräften, „die auf die weitere Auseinandersetzung für den Abbau der stationierten Nuklearsysteme der USA orientieren und eine entsprechende Volksbefragung am 17. Juni 1984 unterstützen.“ Zu Scholz wurde vermerkt, dass er der Stamokap-Gruppe angehöre, die oft stärker bereit sei, „mit Kommunisten zusammenzuarbeiten“.

    Scholz mit Egon Krenz vor einer Schale Obst
    Auf Wunsch der Jusos kam es neben den Gesprächen mit FDJ-Chef Eberhard Aurich auch zu einem Zusammentreffen mit dem damaligen ZK-Sekretär für Sicherheit, Egon Krenz. Die DDR-Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ zeigte Scholz, wie er gegenüber von Krenz vor einer Schale Obst sitzt. Das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ veröffentlichte am nächsten Tag ein Foto auf der Titelseite, das die Runde unter einem Porträt des KPD-Führers Ernst Thälmanns zeigt, der die SPD einst als „Sozialfaschisten“ bezeichnet hatte. Welche Bedeutung die SED dem Treffen beimaß, konnte man auch daran erkennen, dass der Verantwortliche für Honeckers Deutschlandpolitik, Herbert Häber, mit am Tisch saß.
    In der Folgezeit kam es zwischen Jusos und FDJ zu zahlreichen weiteren Begegnungen. Allein 1984 passierten noch sechs Delegationen die innerdeutsche Grenze. Höhepunkt war der „Gegenbesuch“ Aurichs am 17. Dezember 1984 in Bonn, bei dem sich Jusos und FDJ in einem gemeinsamen Kommuniqué „entschieden für den sofortigen Stopp der Raketenstationierung“ aussprachen und den Abbau der bereits vorhandenen Systeme forderten. In einer weiteren Erklärung verlangten sie zwei Jahre später auch die „Normalisierung“ der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten. Zudem bildeten sie eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Friedenspolitik. Zwischen 1985 und 1988 fanden allein neun Treffen auf Spitzenebene statt; an welchen dieser Begegnungen Olaf Scholz teilnahm, ist nicht überliefert.
    Keine weiteren Gespräche mit Vertretern der Evangelischen Kirche in der DDR
    In einer zehnseitigen, als Vertrauliche Verschlusssache eingestuften Analyse über die Beziehungen zu den Jungsozialisten aus dem Jahr 1988 resümierten die SED-Funktionäre: „Die Jusos wurden Partner der FDJ im Friedenskampf.“ Auch auf internationaler Ebene seien sie zur Zusammenarbeit mit den kommunistischen Jugendverbänden bereit. „Sie erweisen sich als gesprächsbereite und berechenbare Dialogpartner.“ In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass Olaf Scholz mittlerweile auch Vizepräsident des Weltverbandes sozialistischer Jugendorganisationen IUSY geworden war. Gewürdigt wurde nicht zuletzt die „Anerkennung der uneingeschränkten Staatlichkeit der DDR“, was auf die seit 1986 mehrheitlich herrschende Gruppierung aus Stamokap-Fraktion und Antirevisionisten im Juso-Bundesvorstand zurückgeführt wurde.


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    Olaf Scholz (2.v.r.) und die Juso-Führung werden am Mittwoch, den 4.1.1984, von Egon Krenz (2.v.l.) empfangen, dem Sekretär des Zentralkomitees der SED. Ausschnitt aus "Junge Welt" dem Organ der FDJ .


    Laut einem weiteren Dokument reiste Scholz im Mai 1988 erneut in die DDR. Die FDJ hatte zu einem Seminar eingeladen, das den Titel trug: „Zur Verantwortung von Jugendorganisationen aus Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen für die Erhaltung und Sicherung des Friedens. Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Zusammenarbeit junger Kommunisten und junger Sozialdemokraten“. Das Auftreten der Juso-Delegation sei geprägt gewesen „vom offensichtlichen Willen, den erreichten Stand der Beziehungen zur FDJ konstruktiv fortzusetzen (sic).“
    „Die sozialistische Demokratie werde Züge des bürgerlichen Parlamentarismus annehmen“
    Das Dokument ist das jüngste Schriftstück aus dem DDR-Machtapparat, in dem Olaf Scholz namentlich erwähnt wird. Ausführlich werden darin auch die von seiner Delegation vertretenen Meinungen referiert. Der Abbau pauschaler Feindbilder, hätten die Jusos erklärt, heiße nicht, „dass die wahren Feinde des Friedens nicht mehr benannt werden dürften“. Diese befänden sich „im Militär-Industrie-Komplex der USA“ sowie in der „Stahlhelm-Fraktion“ der Unionsparteien. Die „Friedensoffensive der sozialistischen Länder“ hätte demgegenüber zu einem Aufbrechen des antikommunistischen Feindbildes in der Bundesrepublik geführt. An der „Buhmann-Diskussion gegen die DDR“ würden sich die Jusos nicht beteiligen.

    An einer Stelle werden die Ausführungen Scholz‘ auch wörtlich wiedergegeben. Der Juso-Funktionär wird mit den Worten zitiert, dass es legitim sei, „Vorstellungen über eine andere Entwicklung im jeweils anderen System“ zu entwickeln – was jedoch nicht bedeute, dass die SPD je wieder ein „Ostbüro“ eröffnen würde. Anschließend äußerte er die Überzeugung, „dass im Zuge der Entwicklung der sozialistischen Länder die sozialistische Demokratie Züge des bürgerlichen Parlamentarismus annehmen werde.“ Wenig später, im Herbst 1989, ist in der DDR genau das eingetreten – aber sicher anders, als es der damals 31-jährige Jungsozialist Olaf Scholz erwartet hatte.

    https://www.focus.de/politik/deutsch..._24256554.html
    Alle Texte, die keine Quellenangaben haben, stammen von mir.

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