Energiekrise: Teurer Strom und drohende Dosen-Knappheit

Während Deutschland immer noch von der totalen Energiewende träumt, kümmern sich andere Länder um ihre Interessen, steigt der Strompreis in Rekordhöhen und Aluminiumhütten stellen ihre Produktion ein.



Kurz vor dem Jahreswechsel gab es einige wichtige Nachrichten im Zusammenhang mit der andauernden Energiekrise. Über eine davon wurde großflächig berichtet: Die EU-Kommission hat den Entwurf ihrer „Taxonomie“-Verordnung vorgelegt, die bestimmte Wirtschaftstätigkeiten für „grün“ und „nachhaltig“ und somit förderungswürdig erklärt. Weil darunter auch die Stromerzeugung via Kernkraft (auf Wunsch u.a. Frankreichs) und Erdgas (auf Wunsch der deutschen Bundesregierung) fallen, gab es Aufregung bei den deutschen Grünen, die beides ablehnen.


Der EU-Kommission dämmert offenbar, dass der Strom, der in den Abendstunden des Jahres 2050 u.a. die Batterien von 44 Millionen Elektroautos aufladen soll, irgendwie produziert werden muss. Wäre es das Ziel, Fahrzeuge nur von Windenergie antreiben zu lassen, würde man besser gleich auf Strandsegler setzen. Dass für ein funktionierendes Stromnetz nach Ansicht der EU-Kommission auch die Kernenergie notwendig ist, hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon vor Monaten öffentlich geäußert. In einem Tweet, der damals auf Achgut zitiert wurde, schrieb sie im Oktober:


„Wir brauchen auch eine stabile Quelle, Kernenergie und während des Übergangs Gas. Aus diesem Grund werden wir unseren Taxonomievorschlag vorlegen.“



Sie teilte das nicht nur über Twitter mit, sondern sagte es auch auf einer Pressekonferenz in Brüssel. Es war das Ergebnis von Konsultationen, zu der auch der Bericht einer von der EU-Kommission beauftragten Expertenkommission im Frühjahr 2021gehörte. Diese kam zu dem Urteil:


„[…] Die kernenergiebasierte Stromerzeugung kann als Aktivität betrachtet werden, die wesentlich zum Klimaschutzziel beiträgt. Andere zugehörige Industrieaktivitäten im Kernbrennstoffkreislauf (Uranbergbau und -mahlung, Herstellung von Kernbrennstoffen, Wiederaufarbeitung verbrauchter Kernbrennstoffe, Endlagerung hochradioaktiver Abfälle usw.) können als Tätigkeiten behandelt werden, die die sichere und nachhaltige Nutzung der Kernenergie ermöglichen.“
Österreichs lohnende Atom-Gegnerschaft

Die überraschend vernünftige Position der EU-Kommission war also lange bekannt. Trotzdem tun manche so, als wäre sie eine große Überraschung. Die EU-Kommission habe „in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen Schritt in Richtung Greenwashing von Atomkraft und fossilem Gas“ gemacht, behauptete Österreichs grüne „Klimaschutzministerin“ Leonore Gewessler.


Als der größte Nutzer von Wasserkraft in der EU hat Österreich ein Interesse daran, Kernenergie zu dämonisieren, denn der moderne Ablasshandel mit den CO₂-Zertifikaten für „klimaneutralen“ Strom ist ein großer Bonus für das Land der Berge, Täler und Flüsse. Man gehe nur einmal auf die Website von Verbund, Österreichs größtem Stromversorger. Da werden die Zertifikate angepriesen wie Sachertorte:


„Sie denken an die Zukunft und die Energieversorgung kommender Generationen? Strom allein ist Ihnen nicht genug? Dann bieten Herkunftsnachweise und CO-Zertifikate den gewissen Mehrwert.
Strom aus Wasserkraft stellt einen Wettbewerbsvorteil dar, den Sie direkt an Ihre Kunden weitergeben können. Sie wählen zwischen H2Ö, Strom aus Wasserkraft sowie Herkunftsnachweisen (HKN) in verschiedenen Qualitäten und aus Ihrem Wunschkraftwerk in Deutschland oder Österreich.“



Bei diesen Geschäften fließt wohlgemerkt kein Strom, sondern „Zertifikate“. In irgendeiner Cloud wird ein Code geändert, das „Zertifikat“ gehört nun nicht mehr dem einen, sondern dem anderen. Und der Käufer zahlt dafür, dass er gegenüber seinen Kunden behaupten darf, er sei „klimaneutral“. Der Begriff „Luftbuchungen“ bekommt da einen neuen Sinn. Es geht um den „gewissen Mehrwert“ von „H2Ö“ und anderen Humbug.


„CO2-arme Produktion“ sei ein „Standortvorteil“ Österreichs, heißt es auf der Website des österreichischen Bundesministeriums Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Kein Wunder, dass man dort nach Wegen sucht, die Konkurrenz der Kernenergie aus dem Geschäft zu drängen. Das mit Windrädern übersäte Dänemark hat ähnliche pekuniäre Interessen.


Die Schließung der Aluminium-Hütten

Wer zu denjenigen gehört, die nicht vom Emissionshandel profitieren, wird es mit Sorge sehen, dass der Preis dieser Zertifikate immer weiter steigt. Denn dadurch wird der Strom noch teurer. Während Presse und Rundfunk sich mit der „scharfen Kritik“ an jener angeblich „absolut falschen“ Entscheidung der EU-Kommission – so Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) – beschäftigten, klagten am Silvesterabend in den sozialen Medien zahlreiche Nutzer über die Verdopplung des Strompreises, die ihnen ihre Versorger zum Jahreswechsel mitgeteilt hatten. So verlangt E.ON etwa für seinen, so wörtlich: „günstigen Ökostrom“ inzwischen 64,86 ct/kWh. Bislang waren es rund 30 ct/kWh, zur Jahrtausendwende noch 14 Cent.


Unterdessen hat der amerikanische Konzern Alcoa, einer der weltgrößten Aluminiumhersteller, angekündigt, seine Aluminiumhütte im spanischen San Ciprian für zwei Jahre zu schließen. Die Beschäftigten sind damit einverstanden, denn sie bekommen weiter ihr volles Gehalt. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, sei der Schritt notwendig, „nachdem die Energiekosten letzte Woche auf neue Rekorde gestiegen sind und die Schwerindustrie zunehmend unter finanziellen Druck geraten ist.“

https://www.achgut.com/artikel/energ...nium_knappheit


Aluminium Dunkerque Industries France, die führende Metallhütte der Region, habe Anfang Dezember ebenfalls die Produktion gedrosselt, so Bloomberg. Und das, obwohl der Aluminiumpreis im vergangenen Jahr um 40 Prozent gestiegen ist – aber der Strompreis kletterte noch schneller. Um aus Bauxiterz durch Elektrolyse Aluminium zu gewinnen, benötigt man eben Strom, sehr viel davon. Weil Aluminium auf dem Weltmarkt gehandelt wird, ist die ganze Welt davon betroffen, wenn in China und nun auch in Europa weniger davon produziert wird.
Droht ein Mangel an Getränkedosen?

In den USA gibt es bereits Berichte, wonach Getränkedosen und Tierfeuchtfutter mancherorts schwer zu bekommen seien. Was muss passieren, damit es nicht zu einer dauerhaften Aluminiumknappheit kommt? Wenn der Strompreis nicht sinkt und es nicht zu einem jähen Nachfragerückgang infolge eines Konjunktureinbruchs kommt, dann müssen die Aluminiumpreise auf ein Niveau steigen, bei dem auch die Aluminiumhütten mit den höchsten Betriebskosten wieder rentabel sind – also auch die Arbeiter in San Ciprian wieder an die Arbeit gehen.
Wir sind an billiges Aluminium gewöhnt, aber es war nicht immer so wie zu unseren Lebzeiten. Der französische Diktator Napoleon III. servierte seinen Gästen Essen auf Aluminiumtellern statt auf Silber, weil Aluminium damals noch teurer war. Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass wir in solche Zeiten zurückfallen. Andererseits: Wer hätte es vor wenigen Monaten für möglich gehalten, dass im Januar 2022 Strom 65 Cent pro Kilowattstunde kosten wird?


Unterdessen berichtet die amerikanische Tageszeitung Tampa Bay Times über die Probleme eines in der Redaktion arbeitenden Katzenhalters, der auf Trockenfutter umstellen musste, weil das Feuchtfutter u.a. wegen der Aluminiumknappheit aus den Regalen verschwunden ist:


„Seine Hauskatzen, die nicht ihr normales Feuchtfutter, sondern das ungewohnte Trockenfutter bekamen, traten in einen Hungerstreik. Sie schlugen ihre Schüssel zweimal um, falls die Botschaft nicht klar war. Und als sich herausstellte, dass sich die Dinge nicht so schnell ändern würden, erbrachen sie sich in einem Schlafzimmer, was vermutlich vorsätzlich war.“



Die deutschen Stromkunden, die 65 Cent pro Kilowattstunde für „günstigen Ökostrom“ zu zahlen haben, sollten nicht dasselbe tun wie diese Katzen – aber sie sollten nach eigenen Wegen suchen, klare Botschaften zu senden.