Ausgestoßener der Woche: Rechtsmediziner Klaus Püschel

Es gibt Ausgestoßene, da ist die Kausalkette, die zum Ausstoßen führt, ein regelrechter Domino Day. Ein Paria-Status über x Ecken. Ein solcher aktueller Fall ist der Rechtsmediziner Prof. Dr. Klaus Püschel. Letzterer war von 1991 bis 2020 Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Im Frühjahr 2020 war Püschel ein vielzitierter Mann, weil er die Angst vor dem Coronavirus als überzogen bezeichnete. In Hamburg sei bisher kein einziger nicht vorerkrankter Mensch an dem Virus gestorben. Der Rechtsmediziner befürwortet mittlerweile viele der Corona-Maßnahmen, plädiert aber auch nachdrücklich dafür, die Pandemie einfach „einzuordnen unter die vielen Gefahren und Krankheiten, die es auf der Welt und im Leben gibt […].“
Diese und ähnliche Äußerungen haben natürlich nicht jedem gefallen, allerdings spielen sie bei der aktuellen Ausgrenzung Püschels, wenn überhaupt, nur eine indirekte Rolle. Das Hamburger Kulturzentrum Kampnagel hat sich Anfang dieser Woche von einer am Donnerstagabend stattgefundenen Veranstaltung mit Prof. Dr. Püschel distanziert und ihn direkt mit Rassismus in Verbindung gebracht. Der Rechtsmediziner stellte auf Kampnagel im Rahmen des „Krimifestivals Hamburg“ mit der Hamburger Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher ihren gemeinsamen Krimi „Totenpuzzle“ vor.


Die Dominokette hinter dem Rassismusvorwurf: Die Debatte angestoßen hatte das linksradikale Hamburger Zentrum „Rote Flora“, welches auf Twitter scharfe Kritik an Püschel übte, weil er Ende November bei der schlagenden Studentenverbindung „Mecklenburgia“ eine Lesung halten wollte. Als in den sozialen Medien vor diesem Hintergrund die Absage der Hamburger Krimi-Lesung gefordert wurde, reagierte Kampnagel mit einer Erklärung, die allerdings keinen Bezug auf die andere geplante Lesung bei Mecklenburgia nahm.
Stattdessen wurden zwei Vorgänge im Institut für Rechtsmedizin unter der Verantwortung Püschels angeführt, die bis zu 20 Jahre zurückliegen. Erstens verweist Kampnagel auf den Einsatz von Brechmitteln in der Rechtsmedizin von 2001 bis 2006, von dem 530 „fast ausschließlich schwarze Personen“ betroffen waren, und auf den Tod des 19-jährigen Achidi John infolge dieser Maßnahme. Zweitens bezieht sich das Kulturzentrum auf den Fall des Kameruners William Tonou-Mbobda, der 2019 in der Psychiatrie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf behandelt wurde und nach einer Fixierung durch Wachleute ebenfalls verstarb.
Eingeführt wurde die umstrittene Maßnahme von Olaf Scholz

„Kampnagel zeigt als Institution eine klare Haltung gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung und setzt sich seit Jahren […] kritisch u.a. mit Strukturen von institutionellem Rassismus auseinander“, heißt es in der Erklärung. „Wenn Klaus Püschel in unserem Haus eine Bühne bekommt“, werde das Vertrauen von Geflüchteten, Aktivisten und Menschen mit Migrationsgeschichte nachhaltig verletzt. Kampnagel hätte sich gewünscht, rechtzeitig auf die Veranstaltung aufmerksam geworden zu sein, um sie im Voraus infrage zu stellen, so das Statement weiter. Man schätze die jahrelange gute Kooperation mit dem Krimifestival, wolle aber die kritische Haltung zur Einladung von Klaus Püschel nach internen Gesprächen mit den Mietern auch öffentlich zum Ausdruck bringen.


Püschel bezeichnet die Vorwürfe als „völlig haltlos“. Im Fall Tonou-Mbobda habe er die Obduktion durchgeführt, mit dem Verfahren der Staatsanwaltschaft und ihren Entscheidungen habe er aber „absolut gar nichts“ zu tun gehabt. Der Verordnung von Brechmitteln von 2001 bis 2006 (dann wurde diese Zwangsmaßnahme vom Europäischen Gerichtshof verboten) habe er als Hamburger Beamter Folge geleistet. Eingeführt wurde die umstrittene Maßnahme zur Eindämmung der Drogenkriminalität vom damaligen Hamburger Innensenator und SPD-Politiker Olaf Scholz (der nach der Logik des Kulturzentrums natürlich erst recht gecancelt werden müsste, aber er wird ja gebraucht, um den auch irgendwie „rechten“ Armin Laschet als Bundeskanzler zu verhindern).
Das Hamburger Abendblatt bemerkt, dass Püschel in der betreffenden Zeit nicht als persönlicher oder gar aktiver Befürworter des Brechmitteleinsatzes auffiel, aber geäußert habe, man dürfe Polizei und Justiz bei diesem Thema nicht im Regen stehen lassen. Zum geplanten Auftritt bei der Mecklenburgia sagt Püschel, er habe dort zugesagt, weil der Ehemann einer bekannten Staatsanwältin und Autorin einen Kontakt in die Verbindung gehabt und ihn gefragt habe. Die Verbindung habe er sich „nicht näher angesehen“. Er hat die Lesung mittlerweile abgesagt.
Weil die Hamburger Lesung nicht abgesagt wurde, will Kampnagel nicht von „Cancel Culture“ sprechen. Anders ausgedrückt: „Vor Rufmord schrecken wir nicht zurück, aber so weit, die eigenen Einnahmen ernsthaft zu gefährden, wollen wir dann doch nicht gehen.“ (Quellen: Hamburger Abendblatt, Börsenblatt)

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