Man darf ja auch nicht vergessen, dass sich Scholz schon einmal als Architekt betätigt hat, nämlich für die Agenda 2010 / Hartz IV.

Nun also wieder:


Olaf Scholz, der heimliche Architekt der Schuldenunion

Im Wahlkampf gibt es nur ein historisch bedeutsames Thema: Werden die Deutschen die Kontrolle über die Verwendung ihres Geldes behalten? Der SPD-Kanzlerkandidat treibt seit Jahren eine Haftung Berlins für EU-Schulden voran. ...

Werden die Deutschen die politische Kontrolle über die Verwendung ihres Geldes in der EU behalten? Bestimmt das deutsche Volk als Souverän, wie der Staat seine Mittel erhält und verwendet – oder wird es soziale Wohltaten anderer Länder bezuschussen und Versäumnisse auffangen müssen? Von dieser Überfrage hängen die Antworten auf alle großen Wahlkampfthemen ab, weil man diese nicht mehr ohne die EU denken kann – egal ob Rente, Migration oder Klimaschutz.

...Im Herbst 2017, zwei Tage nach der Bundestagswahl, legt Emmanuel Macron in seiner Rede an der Pariser Sorbonne-Universität seine Visionen für das künftige Europa dar. „Ich habe keine roten Linien, ich habe nur Horizonte“, sagt Macron, als er über Haushalt und Finanzen spricht.

...Es ist ein Geschenk für Emmanuel Macron, dass nach seiner Sorbonne-Rede ein SPD-Politiker das Finanzministerium übernimmt. Olaf Scholz schweigt, während Macron die deutsche Kanzlerin über rote Linien schiebt. 2018 gibt Merkel in den Beschlüssen von Meseberg ihren Widerstand gegen ein gemeinsames EU-Budget auf. Merkel stand damals unter dem Druck der CSU – ihr politisches Schicksal hing an Macrons Hilfe bei einer „europäischen Lösung“ in der Migrationspolitik. Frankreichs Präsident gab seinen Segen – und ließ ihn sich mit Merkels Ja zum gemeinsamen EU-Budget bezahlen....

In der Corona-Krise ging Macron hindurch. Erneut war Merkel durch eigene strategische Fehler unter Druck. Diesmal aus Italien, das der Bundesrepublik vorwarf, beim Kampf gegen die Epidemie in der EU egoistisch gehandelt zu haben. Merkel ergriff erneut die Flucht nach vorn: Sie stellte mit Macron den Plan für einen 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds vor, bei dem die EU-Kommission erstmals im Namen der Mitgliedstaaten eigenes Geld an den Finanzmärkten aufnimmt.

Es war der bisher letzte Akt in einer 20-jährigen Geschichte des Regelbruchs. Die Vorgaben sind eindeutig: Die Maastricht-Verträge setzten Obergrenzen bei der Verschuldung. Der Vertrag von Lissabon bestimmt, dass kein EU-Land für die Verbindlichkeiten eines anderen Landes aufkommt. Italien und Griechenland hatten sich trotzdem mit frisierten Zahlen in den Euro geschlichen....

Nun wollen Paris und die südeuropäischen Länder die Krise als Dauerzustand – mit dem Argument Klimaschutz. Öko-Ausgaben sollen nicht auf die Maastricht-Kriterien angerechnet werden. So kann jedes Land seine Schulden nach Gusto grün färben und jeder Kontrolle entziehen. Frankreich und die südeuropäischen Länder haben das SPD-Wahlprogramm gelesen und warten nun auf Olaf Scholz – am besten an der Spitze einer Linksregierung.


Im SPD-Programm stehen drei Dinge. Erstens: Aus dem Corona-Wiederaufbaufonds soll „ein dauerhafter Integrationsfortschritt“ werden. Sprich: Der Fonds wird verstetigt. Zweitens: Der Stabilitätspakt soll zum „Nachhaltigkeitspakt“ werden, Investitionen sollen im Fokus sein, keine Kürzungen. Sprich: Der Pakt wird aufgeweicht. Drittens: Die EU müsse sich zur „echten Fiskal-, Wirtschafts- und Sozialunion weiterentwickeln“. Sprich: Wir wollen die Vereinigten Staaten von Europa – koste es, was es wolle.


Olaf Scholz gibt sich im Wahlkampf ordnungspolitisch, lässt die Sache aber in Wahrheit laufen. Die Stabilitätsregeln hätten in der Corona-Krise „ihren Praxistest bestanden“ und ihre „Flexibilität“ bewiesen. „Jetzt geht es natürlich darum, diese guten Regeln zu bewahren.“ Er plädiert dafür, Regeln zu bewahren, die längst missachtet werden, und sie auch künftig so anzupassen, wie es gerade passt...

Noch vor wenigen Monaten war Scholz ehrlicher: Da nannte er den Beschluss für den Corona-Fonds den „Hamilton-Moment“ der EU. US-Finanzminister Alexander Hamilton hatte vor mehr als 200 Jahren die Schulden der Bundesstaaten vergemeinschaftet und so vermeintlich einen Schritt hin zu den Vereinigten Staaten von Amerika gemacht. Olaf Scholz strebt, das sagt er stets explizit, die Vereinigten Staaten von Europa an – einen Bundesstaat mit Zentralregierung ähnlich wie die USA. Was Scholz nicht sagt: Hamiltons laxe Schuldenregeln führten in den folgenden Jahrzehnten zu Unfrieden – und waren ein Grund für den amerikanischen Bürgerkrieg. ...

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