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Person der Woche Dienstag, 17. August 2021Person der Woche: Heiko Maas Der schlechteste Außenminister seit 1945


Die deutsche Außenpolitik erlebt in Afghanistan ein historisches Debakel. Schon seit Jahren schlingert Heiko Maas durch die Weltpolitik. Bei vielen Brandherden sind Verbündete enttäuscht bis entsetzt über die planlose Phrasenpolitik Berlins. Doch die außenpolitische Krise Deutschlands ist größer als das Versagen eines Ministers.

Afghanistan wird zum historischen Desaster westlicher Weltpolitik. Der Westen verliert den längsten Krieg seiner Geschichte, trauert um mehr als 3000 gefallene Soldaten und hat eine Billion Euro verpulvert. Zuletzt waren 36 NATO-Staaten und Partnerländer an der Mission beteiligt. Nun übernehmen brutale Taliban-Islamisten und Massenmörder wieder die Macht. Der Einsatz endet in einer katastrophalen Hals-über-Kopf-Flucht - die westlichen Truppen ziehen ab wie gedemütigte Verlierer nach einer unwürdigen Kapitulation. Damit wird der gesamte 20-jährige Einsatz diskreditiert und - schlimmer noch - die Autorität des Westens schwer erschüttert.


Auch für Deutschland ist der Afghanistan-Krieg eine Blamage gewaltiger Dimension. Die Bundesrepublik war nach den USA der zweitgrößte Truppensteller. Berlin hat seit 2002 mehr als 18 Milliarden Euro für den Einsatz gezahlt. Insgesamt leisteten rund 160.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten Dienst in Afghanistan, 59 verloren dort ihr Leben, viele sind traumatisiert zurückgekommen.


Das Militär hat diesen Einsatz nicht verloren - sehr wohl aber die Politik. Der chaotische Abzug ist das Fanal einer naiven Strategie, Afghanistan in eine stabile Ordnung zu überführen. Insbesondere die Außenpolitik hat sich über Jahre hinweg als strategischer, diplomatischer und nun auch als operativer Krisenbewältiger blamiert. Grüne und Liberale attackieren den Bundesaußenminister Heiko Maas von der SPD daher mit scharfen Worten.
"Auf ganzer Linie versagt"

Der eigentlich besonnene FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff meint, Maas habe "auf ganzer Linie versagt". Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin wirft Maas sogar ein persönliches Versagen bei der Rettung afghanischer Ortskräfte vor. Maas habe "hier viel Schuld auf sich geladen. So ein Versagen, das so viel Leid mit sich bringen wird, ist beispiellos", sagte Trittin, der dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags angehört. Auch von der Linkspartei und der AfD, und sogar von Kabinettskollegen wie Julia Klöckner (CDU) wird Maas massiv kritisiert, weil er noch vor wenigen Wochen die angeblichen politischen Erfolge in Afghanistan hoch gelobt und die wahre Lage im Land völlig falsch eingeschätzt habe.



Tatsächlich wirkt das Verhalten des Außenministers in diesen Tagen katastrophal. Seit Wochen hat die Botschaft in Kabul Alarm geschlagen, doch Maas handelte nicht und ließ deutsche Staatsbürger, Diplomaten und Soldaten vor Ort einfach im Stich. Laut "ARD-Hauptstadtstudio" hatte Vize-Botschafter Hendrik van Thiel in seinem Lagebericht am Freitag geschrieben, "dass den dringenden Appellen der Botschaft über längere Zeit erst in dieser Woche Abhilfe geschaffen" worden sei. "Wenn das an irgendeiner Stelle diesmal schiefgehen sollte, so wäre dies vermeidbar gewesen", schrieb der Diplomat.


Heiko Maas hat auf die massive Kritik inzwischen reagiert und Fehler eingestanden: "Wir alle haben die Lage falsch eingeschätzt", erklärte der Außenminister am Montag. Da gebe es "nichts zu beschönigen". Das gelte "für die Bundesregierung, die Nachrichtendienste, die internationale Gemeinschaft". Es gilt aber insbesondere auch für ihn persönlich.


Für Maas ist das Afghanistan-Desaster der traurige Tiefpunkt einer ohnedies schlechten Bilanz als 15. Außenminister der Bundesrepublik. Am Ende der Ära Maas im Auswärtigen Amt gilt: Mit Afghanistan endet die größte außenpolitische Aktivität in der Katastrophe. Zugleich ist das außenpolitische Verhältnis Deutschlands zu den beiden Weltmächten China und Russland so schlecht wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr geworden. Mit unmittelbaren Nachbarn wie Polen, Tschechien und Ungarn sind die Beziehungen eisschroff abgekühlt, auch weil Maas die drei Länder mit moralisch-arroganter Attitüde abkanzelt, nur weil Osteuropa politisch konservativer fühlt als er.

Von Libyen bis Syrien, von der Ukraine bis in die Ägäis

Mit der Türkei sind die diplomatischen Beziehungen unter Maas ebenfalls auf einen Tiefpunkt abgerutscht, Maas beleidigt die Türkei öffentlich als ein Land "auf dem Weg ins Mittelalter". Erdogan attackiert Maas wiederum unverblümt als Dilettanten ("Wenn Du etwas von Politik verstehen würdest, würdest Du nicht so sprechen."). Der hohe Ton selbstgefälliger Maas-Moralität kommt aber auch in engen Partnerländern wie Italien, Kroatien und Griechenland schlecht an - sie fühlen sich von Berlin insbesondere in der Flüchtlingsfrage allein gelassen. Mit Großbritannien wiederum fällt die deutsche Außenpolitik in der Maas-Ära sogar ins Brexit-Loch. Obendrein schlingern EU und NATO- auch dank fehlender politischen Führung in Berlin - durch Autoritätskrisen und an den Rändern der von Deutschland schwach geführten EU brechen von Libyen bis Syrien, von der Ukraine bis in die Ägäis gewaltsame Konflikte auf.

Dass Deutschland in beinahe allen großen Konfliktlagen passiv bis peinlich laviert und in der Regel nur als politisch korrekter Besserwisser auffällt, führt dazu, dass der deutsche Außenminister schon seit einiger Zeit ein bemerkenswert schlechtes Medienecho bekommt. Heiko Maas sei "Der Untätige", wettert die "Zeit". "Die Bilanz des deutschen Außenministers ist kläglich", lästert die "Neue Zürcher Zeitung". Ein "Mann ohne Leidenschaft. Politisches Leichtgewicht" ("Spiegel") sei er. "Heiko Maas ist als Außenminister nicht prägend" urteilt die FAZ und nennt ihn "Minister Schmal". "Planlos, naiv, weltfremd", attackiert ihn "Cicero", "Mann ohne Idee", kritisiert der Tagesspiegel. "Selten war ein deutscher Außenminister so farblos wie Heiko Maas", fertigt ihn Focus ab. Auch ntv.de analysierte die Bilanz des deutschen Außenministers bereits vor Monaten mit: "Deutsche Außenpolitik unter Maas: Rumeiern, wegducken, Sorge äußern". Seither ist es mit der ängstlichen Ratlosigkeit von Heiko Maas noch schlimmer geworden.


Maas hat neben den strategischen Problemen und politischen Fehlern zuweilen auch Pech im diplomatischen Timing und Detail. So schreibt er einen Namensbeitrag zur Berliner Mauer, dankt allen möglichen für die Wiedervereinigung, nur ausgerechnet den Amerikanern nicht. Ein anderes Mal präsentierte er auf dem Höhepunkt der Nawalny-Krise keinen Aktionsplan gegen Moskau, sondern das Videospiel "Pathways", mit dem "Europa spielerisch erlebbar gemacht wird".


Während Lukaschenko, Putin oder Trump dreiste Machtpolitik organisieren, fällt Deutschland als Ordnungsmacht weitgehend aus und startete lieber billige PR-Initiativen wie den "Donnerstag für Demokratie", "Europe United" oder die "Allianz der Multilateralisten". Weder in der Ukraine- noch in der Weißrussland-Frage hat Berlin eine respektierte Strategie entfalten können. Das Autoritätsvakuum des Bundesaußenministeriums hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Ermahnung verleitet, Deutschland müsse endlich "die internationale Sprache der Macht" wieder erlernen.
Keine Strategie zu Putin oder Xi

Zur Fehlerkette des Außenministers zählt auch, dass er ein eisernes Gesetz der deutschen Politik missachtet - er trägt auf Auslandsreisen deutsche Parteipolitik aus. Einmal kritisiert er CDU-Konkurrent Armin Laschet auf einer Balkanreise wegen dessen Äußerungen zu bulgarischen und rumänischen Arbeitern in deutschen Schlachtbetrieben, ein anderes Mal trägt er seinen Syrien-Disput mit Annegret Kramp-Karrenbauer in Ankara aus und brüskiert die deutsche Verteidigungsministerin ausgerechnet beim neo-osmanischen Despoten.
Maas kommt mit Frankreich zu keiner Übereinkunft, wie EU und NATO neu gestärkt werden könnten. Er findet kein Druckmittel gegen Lukaschenko, keine Strategie gegen Putin oder Xi Jinping. Er findet keinen Aktionsplan für eine gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik.


Die Fehlerkette des Außenministers ist lang und tragisch, denn Maas ist durchaus integer, freundlich, fleißig und keineswegs ideologisch verblendet. Seine Probleme rühren im Tagesgeschäft auch daher, dass er bei seiner Partei keine Rückendeckung erhält - so etwa in der Frage von Drohneneinsätzen in militärischen Konflikten. Strategisch ist die miserable Maas-Bilanz in der grundsätzlichen Passivität und Mutlosigkeit der deutschen Außenpolitik begründet. Der machtpolitische Bedeutungsverlust und Abstieg Deutschlands ist weltpolitische Realität - und so verkörpert der Außenminister die wachsende Hilflosigkeit Deutschlands nur. Wenn man ihn auf der Weltbühne beobachtet, blickt man der Ohnmacht der eigenen Nation ins Antlitz. Denn Deutschland wirkt derzeit nicht nur militärisch wie in einen Passiv-Modus geschaltet. Außer Dialogofferten und Appellen nutzt die Bundesrepublik nicht einmal mehr den breiten Instrumentenkasten einer Soft Power.


Dabei hatte Deutschland mit diesem lange Jahre bemerkenswerte Erfolge. Die Bundesrepublik konnte damit auf starke Außenminister wie Konrad Adenauer, der das Amt jahrelang vom Kanzleramt aus mitführte, Willy Brandt, der vor seiner Kanzlerschaft Chefdiplomat war, Hans-Dietrich Genscher oder Heinrich von Brentano bauen. Sie hatte gestaltungswillige Charakterköpfe als Außenminister wie Joschka Fischer oder Sigmar Gabriel. Sie hatte solide Profis wie Klaus Kinkel, Frank-Walter Steinmeier oder Walter Scheel. Und sie erduldete schwächelnde Chefdiplomaten wie Guido Westerwelle. Heiko Maas reiht sich nun sogar noch hinter Westerwelle ein. Die einst so geschickte Zivilmacht Deutschland wirkt außenpolitisch wie ein Zögling der Ohnmacht. Die Katastrophe von Kabul macht das aller Welt deutlich. Maas geht als schlechtester Außenminister seit 1945 von der Bühne.

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