Hase Berliner Polizei und Igel Querdenker

Wo die Polizei auftauchte, waren die Querspaziergänger schon wieder woanders

Von Georg Gafron





Man kann davon ausgehen, dass Berlins Innensenator Geisel (SPD) am gestrigen Sonntagmorgen gelassen und sogar mit einer gewissen Heiterkeit auf den vor ihm liegenden Tag blickte. Das Oberste Verwaltungsgericht hatte das Demonstrations-Verbot für die Kritiker der Corona-Politik der Bundesregierung bestätigt. Wenn das kein Grund für Genugtuung bei Berlins oberstem Polizisten ist? Und noch mehr – generalstabsmäßig hatte man eine Einsatzkonzeption der Polizei vorbereitet, die dafür sorgen sollte, dass die Demonstranten die Objekte ihrer Begierde im Zentrum des Regierungsviertels rund um das Brandenburger Tor gar nicht erst erreichen würden. Eine gewaltige Präsenz von Männern und Frauen in schwarzen Uniformen, bis zur Unkenntlichkeit vermummt mit üblicher Bewaffnung, hatten das Gebiet weiträumig abgeriegelt. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man denken können, der ehemalige US-Präsident Trump hätte sich mit einigen schießwütigen Cowboys im Tiergarten verschanzt, die Polizei wartete nur noch auf die schlagkräftige Unterstützung der Antifa, um gemeinsam mit diesen auf die Jagd zu gehen. Man wusste es aber natürlich besser. Hier galt es, angeblich mehrheitlich Neonazis und Reichsbürger vom Herzen der Demokratie fernzuhalten. Übrigens waren jedoch derartige Gestalten gestern nirgends zu sehen. Doch sei es drum, für Senator Geisel schien es ein schöner Tag zu werden!





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Doch schon bald zeichnete sich ab, dass dieses Kalkül nicht aufgehen dürfte. Denn natürlich hatten sich auch die Demonstranten so ihre Gedanken gemacht: „Wenn wir schon nicht demonstrieren dürfen, gehen wir eben in einzelnen Gruppen spazieren.“ Durch Zufall könnten diese dann irgendwo ja aufeinander treffen. Und schon wäre die Kundgebung da. Ein einzigartiges „Katz- und Maus-Spiel“ mit der Staatsmacht begann. Wie in der alten Geschichte vom Hasen und dem Igel, waren die Demonstranten wie letzterer immer ein Stück voraus. Schon bald waren Geisels Regimenter durcheinander gewirbelt. Ihr Einsatzradius weitete sich immer weiter ins Stadtgebiet aus. Immer wieder neuen Straßensperren schienen völlig planlos und bar jeder Logik veranlasst zu werden. Wenn die Ordnungshüter eintrafen, waren sie meistens unter sich, denn die gemeldeten Demonstranten waren längst weitergezogen – nur wohin? Das zu lokalisieren, waren auch die herbeigerufenen Kräfte der Luftverteidigung nicht in der Lage. Kurzum, Berlins Innensenator und die Polizeiführung stürzten die Hauptstadt gestern in das totale Chaos. Ein Totalversagen, das von vielen Berlinern und ihren Gästen mit Wut und Unverständnis zur Kenntnis genommen wurde. Ein wohlmeinender Tip fürs nächste Mal: Vielleicht wäre es doch besser gewesen, man hätte den Zug wie angemeldet einfach laufen lassen. Zumal die Begründung für das Verbot, die Corona-Vorschriften, also Maske und so, würden erfahrungsgemäß nicht eingehalten, schon bei ihrer Formulierung nicht mehr glaubwürdig war. Erst wenige Tage zuvor hatte man beim Umzug aus Anlaß des vom politischen Establishment so geschätzten „Christopher Street Day“ seitens der Polizei keinerlei Anstoß am Maskenboykott Tausender genommen. Wen schert schon die im Grundgesetz festgeschriebene Gleichheit vor dem Gesetz? Was der Obrigkeit gefällt, ist rechtskonform. Wer abweichender Meinung ist, ist ein Rechtsbrecher – und basta. Weiß der Berliner Senat, aber auch die Bundesregierung, auf welchen gefährlichen Weg sie damit sind? Schon mahnt der fest auf Regierungsseite stehende Berliner „Tagesspiegel“, man müsse damit rechnen, dass sich im Herbst ähnliche Proteste gegen die Maßnahmen zum Klimaschutz wiederholten. Sollte man dann nicht ehrlicherweise schon das kritische Denken der Bürger an sich verbieten? Das würde das Regieren über Nacht viel bequemer machen. Ein Blick nach China, dessen Führung die Kanzlerin ja so mag, verschafft Eindrücke, was das am Ende heißt.
Ob Innensenator Geisel nach seinem Chaos eine ruhige Nacht hatte? Denn auch das Berliner Parlament wird in acht Wochen neu gewählt.

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