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RBB (ARD-Senderkette): "Ohne die migrantischen Arbeiter hätte sich Berlin viel langsamer entwickelt"
60 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen "Ohne die migrantischen Arbeiter hätte sich Berlin viel langsamer entwickelt"
In Berlin leben rund 180.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund. Die ersten Gastarbeiter aus der Türkei kamen 1961. Vor allem der Bezirk Kreuzberg, damals ein Sanierungsgebiet, wurde für viele zur zweiten Heimat. Von Georg Berger
Als vor 60 Jahren die Bundesrepublik Deutschland mit der Türkei ein Anwerbeabkommen abschloss, kamen tausende Menschen aus der Türkei in den Westteil der Stadt. Vor allem in der Industrie wurden sie dringend gebraucht. Denn mit dem Mauerbau war der Zustrom von Arbeitskräften aus der DDR schlagartig abgerissen.
Auch türkische Frauen wurden angeworben
"Ohne die migrantischen Arbeiter:innen hätte das Wirtschaftswunder viel länger gedauert und Berlin hätte sich viel langsamer entwickelt", sagt Natalie Bayer, Leiterin des Friedrichshain-Kreuzberg Museums. In der Dauerausstellung präsentiert das Museum die Geschichte des Bezirks, der auch für viele Menschen türkischer Abstammung zur Heimat geworden ist.
"Es ist ein großer Irrtum, dass nur Männer kamen", sagt Bayer. "Insgesamt kamen mindestens genauso viele Frauen nach Deutschland. Hier in Westberlin gab es viele Elektrobetriebe, wie DeTeWe, Telefunken oder Siemens. Die waren vor allem an Frauen wegen ihrer besseren Geschicklichkeit interessiert." Und: Diese Frauen seien besonders fleißig gewesen – schon weil ihre Aufenthaltsgenehmigung an den Arbeitsvertrag gebunden war.
Die Geschichte der Arbeitsmigration ist eben auch eine weibliche.
Gastarbeiter sollten rotieren
Politisch war eine Einwanderung nicht gewollt. Die angeworbenen Arbeitskräfte sollten nach ein- bis zwei Jahren das Land wieder verlassen. Ein Rotationsprinzip sollte gelten. Schon der damals gebräuchliche Begriff 'Gastarbeiter' deutet an, dass die Menschen nur vorübergehend bleiben sollten. Doch die deutschen Arbeitgeber:innen sahen dies anders. Es wäre viel zu teuer geworden, ständig neue Arbeiter:innen anzulernen, das Unterbringen in Wohnheimen war aufwendig. Also pochten die deutschen Arbeitgeber:innen auf längeres Bleiberecht. Das Rotationsprinzip wurde schließlich aufgegeben.
Wohnen im Sanierungsgebiet
Kreuzberg war im Krieg stark zerstört worden. Es galt als Sanierungsgebiet. Die Häuser, die noch standen, sollten über kurz oder lang abgerissen werden. Viele Wohnungen im ehemaligen Arbeiterbezirk waren daher billig zu mieten. Und so siedelten sich die ersten Gastarbeiter:innen auch hier an. Sie teilten sich oft die Wohnung, weil sie einen Teil des Lohns an ihre Familien in der Türkei schickten. 1973 lebten in Westberlin bereits knapp 80 000 Türk:innen.
Anwerbestopp und Ausweisung
1973 verhängte die Bundesregierung ein Anwerbestopp. Mit finanziellen Anreizen sollten die Gastarbeiter:innen dazu bewegt werden, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. "Wer sich darauf einließ, durfte aber viele Jahre nicht mehr zurück nach Deutschland kommen, deshalb haben sich viele Migrant:innen das sehr genau überlegt," so Natalie Bayer. "Wer nicht in die Türkei zurückging und eine Arbeitsstelle hatte, konnte aber nun die Familie nachholen. Das führte zu einem weiteren Anwachsen auch der türkischstämmigen Bevölkerung."
Die Wende als Problem
Viele Türk:innen in Berlin haben sich anfangs durchaus über den Fall der Mauer gefreut. Aber als es hieß "Wir sind ein Volk!" wurde manchen schnell klar, dass sie nicht gemeint waren. Natalie Bayer weiß von einigen Migrant:innen, die wegen der günstigeren Mieten in den Ostteil der Stadt gezogen waren. Doch schon bald seien sie wieder zurückgekommen, weil sie sich nicht akzeptiert fühlten. In Kreuzberg, so Bayer, gebe es eben einen besseren sozialen Zusammenhalt.
Inzwischen gibt es in ganz Berlin über 180.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund. Viele von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft.
Sendung: Inforadio, 27.07.2021, 9:24 Uhr
https://www.rbb24.de/politik/beitrag...abkommen-.html
Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.
Gustav von Rochow (1792 - 1847), preußischer Innenminister und Staatsminister
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