Gericht stärkt Flüchtlingsrechte in Deutschland

Sind Geflüchtete in einem EU-Land anerkannt, werden dort aber unmenschlich behandelt, können sie in Deutschland Leistungen erhalten. Das entschied ein Sozialgericht.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat die Rechte von Flüchtlingen gestärkt, die zwar von einem anderen EU-Land bereits anerkannt wurden, aber dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sind. Das Gericht sprach einer aus Nigeria geflüchteten Frau in einem am Montag veröffentlichen Urteil ungekürzte Asylleistungen zu, weil die Frau sich in Italien für ihren Lebensunterhalt prostituieren musste oder bettelte (AZ: L 8 AY 33/16).

Die Stadt Göttingen hatte die Leistungen mit dem Argument gekürzt, die in Italien bereits als Flüchtling anerkannte alleinerziehende Mutter sei nur nach Deutschland eingereist, um hier finanzielle Leistungen zu beziehen. Außerdem habe sie durch den Gang ins Kirchenasyl ihre Abschiebung sabotiert. Die inzwischen geduldete Frau hielt dem entgegen, sie sei in Italien ohne festen Wohnsitz gewesen, habe Angst um Leib und Leben gehabt und in Deutschland auf Hilfe gehofft.

Das Gericht entschied, dass bei materieller Not staatliche Leistungen zwar ein Motiv der Einreise sein könnten, dies aber nicht immer zu einer Leistungseinschränkung führen müsse. Dies gelte bei einer extremen materiellen Notlage, die der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichkomme. Wenn ein Flüchtling in einem EU-Mitgliedsstaat völlig auf sich allein gestellt sei und für längere Zeit auf der Straße leben müsse, müssten migrationspolitische Interessen auch bei einer illegalen Einreise hinter der staatlichen Leistungspflicht zurückstehen. Die Revision zum Bundessozialgericht wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.


Kürzlich hatten die Oberverwaltungsgerichte in Münster und Lüneburg im Fall von bereits in Griechenland anerkannten Flüchtlingen entschieden, dass diese wegen der Lage dort nicht abgeschoben werden dürften. Für sie bestehe die ernsthafte Gefahr, dass sie dort ihre elementarsten Bedürfnisse ("Bett, Brot, Seife") nicht befriedigen könnten.

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