„TATORT“-REGISSEUR ERKLÄRT VIDEO-AKTION
„Wir haben in ein Wespennest gestochen“
Er ist mitverantwortlich für eine Kunst-Aktion, die polarisierte: 53 Schauspieler knöpften sich mit ironischen Videos die Corona-Politik vor.

Regisseur Dietrich Brüggemann (45, „Tatort“) bekam Zuspruch, aber auch eisigen Gegenwind, selbst aus dem Kollegenkreis.

Wie hat er die Debatte um #allesdichtmachen erlebt? Brüggemann am Montag bei BILD Live: „Wir haben in ein Wespennest gestochen. Man musste mit heftigen Reaktionen rechnen. Dass sie so heftig würden, damit haben wir alle nicht gerechnet. Sonst hätten wir intern auch besser überlegt, wie wir damit umgehen können.“
Die Vorwürfe, Corona zu verharmlosen oder Opfer zu verhöhnen, weist der Filmemacher von sich. Brüggemann: „Wir beziehen uns auf die Kommunikation der Bundesregierung. Wir beziehen uns auf Spots, wo uns etwas Unzumutbares wie der Lockdown, der für viele Leute eine extreme Belastung darstellt, als etwas Gutes verkauft wird.“
Brüggemann weiter: „Wenn die Regierung ehrlich wäre, würde sie uns reinen Wein einschenken. Dann käme da eine Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede. Dann würde die Kanzlerin sagen: ,Leute, es ist schlimm. Wir muten euch etwas Unzumutbares zu, denn wir haben auf der anderen Seite nicht die Macht, das Corona-Virus zu stoppen. Selbst mit diesem Lockdown.“

Die Tatsache, dass einige Mitstreiter Videos zurückgezogen haben, erklärt sich mit Brüggemann mit „massiven Attacken“.
„Wenn einem vorgeworfen wird, man sei zynisch und menschenverachtend, würde rechte Narrative bedienen. Das hat eine unglaubliche Wirkung auf Menschen. Und dieser Shitstorm ist sehr gezielt. Das ist ein symbolischer Lynchmord. Das sind lauter Vernichtungsattacken. Das ist der soziale Tod, mit dem man bedroht wird.“

Es sei menschlich, dann zu sagen: Das war ein Riesen-Fehler. „Aber das heißt dann noch nicht, dass es auch ein Fehler war. Denn auch dann lohnt es sich, auf den eigentlichen Inhalt der Kampagne zu schauen.“


Brüggemann betont, er sei zugleich mit Dankes-Mails überschüttet worden. „Es sind Tausende. Von ganz normalen Leuten. Und ich lasse mir nicht erzählen, das sind alles Querdenker oder Nazis.“
Wie geht es weiter?


Brüggemann deutet eine Fortsetzung der Aktion an: „Es kann Videos von weiteren Schauspielern geben, die sich solidarisieren. Es kann Videos von Ärzten geben. Und was wir erreichen wollten, ist, dass wir offen reden können.“

Brüggemann: „Ich muss mich für diese Aktion nicht entschuldigen. Denn sie kritisiert die Kommunikation der Regierung. Es sind 900 000 Menschen im letzten Jahr gestorben. Millionen konnten keinen Abschied von Angehörigen nehmen.“

„Schreckliche“ Spots wie „Wir bleiben zu Hause“ hätten dies verharmlost.

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