Ein Kommentar von t-online in Auszügen:

Jetzt wird's richtig teuer
Wie sie da gestern vor den Videokameras saßen, wirkten Joe Biden, Wladimir Putin, Angela Merkel, Xi Jinping und mehr als 30 weitere Staatenlenker tatsächlich ein wenig wie ein Gremium weiser Köpfe, die gemeinsam eine existenzielle Gefahr abwenden. Während bei jeder anderen internationalen Konferenz schon nach fünf Minuten die erste Zankerei beginnt, hinterließ der vom US-Präsidenten einberufene Klimagipfel einen fast schon verdächtig harmonischen Eindruck.
Und Deutschland zieht mit. Selbst wenn man die allzu vagen Details der europäischen Klimaschutzpläne kritisieren mag – die neuen Ziele sind bahnbrechend. In den 30 Jahren zwischen 1990 und 2020 haben die EU-Länder 25 Prozent ihrer Treibhausgase reduziert – nun wollen sie weitere 30 Prozent in gerade einmal 9 Jahren einsparen. Und unser Land, die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, ist vorne dabei. "Für Deutschland ist das eine gewaltige Aufgabe", sagt Ottmar Edenhofer, der Präsident des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Um die Versprechen zu erfüllen, die Frau Merkel und die anderen EU-Chefs in diesen Tagen der Weltgemeinschaft geben, werden wir alle unser Leben umkrempeln müssen. Wir werden künftig anders reisen, anders pendeln, anders wohnen, anders einkaufen und anders arbeiten müssen – aber die wenigsten von uns dürften heute schon begreifen, was das wirklich bedeutet.
bis Juni, wollen die EU-Mitgliedstaaten und die Brüsseler Kommission konkrete Gesetze und Verordnungen vorschlagen, wie die ambitionierten Klimaziele zu erreichen sind. Wichtige Hebel wären ein hoher europäischer, später globaler CO2-Mindestpreis und ein internationaler Fonds, um auch Staaten wie Südafrika und Indonesien den Kohleausstieg zu ermöglichen.
Fossile Brennstoffe dürften nirgendwo mehr subventioniert werden, weder Kohle noch Benzin noch Öl – was nur gelingt, wenn ärmere Länder Unterstützung erhalten. Flugreisen müssten kostspieliger werden, der Warentransport per Schiffscontainer zwischen Asien, Europa und Amerika ebenfalls. Das Ergebnis werden wir an den Ladenkassen sehen, ob wir nun Turnschuhe oder Smartphones kaufen. Bisher wird im weltweiten Durchschnitt jede Tonne CO2 mit 150 Dollar bezuschusst, Klimaverschmutzung wird also auch noch belohnt.
Das und noch viel mehr muss sich ändern, und das wird richtig teuer. Falls Sie nun einwenden: Moment, wie finanzieren wir denn dann den Abbau der Corona-Schulden, die Digitalisierung der Schulen und der Verwaltung, den sozialen Wohnungsbau und all die anderen unheimlich wichtigen Projekte, dann sind Sie schon mitten drin in dem Dilemma, das die künftigen Jahre prägen wird: Wir werden uns als Gesellschaft genau überlegen müssen, was uns wieviel wert ist, wofür Steuermilliarden ausgegeben werden sollen und wofür nicht. Uns stehen harte politische Verteilungskämpfe und hitzige gesellschaftliche Debatten bevor.
Doch da müssen wir durch, alle miteinander – egal, ob nun Herr Laschet im Kanzleramt sitzt oder Frau Baerbock oder Herr Scholz oder doch noch Herr Schäuble. Der Gestaltungsspielraum der Politik wird kleiner, und wir werden die gesamte Innovationskraft unserer Gesellschaft brauchen, um die größte Herausforderung unserer Zeit zu meistern. "Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Transformation unserer ganzen Lebens- und Wirtschaftsweise", hat Frau Merkel gestern gesagt. Lesen Sie den Satz ruhig noch einmal, seine Bedeutung lässt sich gar nicht überschätzen. Aber wer einmal im Zeitraffer gesehen hat, wie sich unser Planet seit 1984 verändert hat, der kann eigentlich gar nicht anders, als entschlossen mitzumachen. Also packen wir’s an!
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