Grenzschließungen zu Tirol und Tschechien Deutsche Industrie warnt vor Abriss der Lieferketten

Schon jetzt »chaotische Verhältnisse«: Der Industrieverband BDI hat sich alarmiert über die Grenzschließungen zu Tschechien und Tirol geäußert. Bundesagrarministerin Klöckner warnt vor Hamsterkäufen.

Die Grenzschließungen zu Tschechien und Tirol könnten dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) zufolge schwerwiegende Folgen haben. »Die Gefahr ist groß, dass in den nächsten Tagen überall in Europa Lieferketten abreißen«, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang den »Funke«-Zeitungen. Grenzschließungen und Reisebeschränkungen im nationalen Alleingang beeinträchtigten auch den internationalen Güterverkehr und schadeten der deutschen Industrie massiv.






Schon jetzt verursachten die Grenzschließungen »chaotische Verhältnisse, die bei Unternehmen zu großer Unsicherheit in Bezug auf ihre Versorgungslage und Mitarbeiterverfügbarkeit führen«, sagte Lang. Er rief die Bundesregierung dazu auf, die von der EU empfohlene Regelung der »Green Lanes« zur Aufrechterhaltung des freien Güterverkehrs zu befolgen. »Grenzübergänge sollten weiterhin für alle Frachtfahrzeuge mit Gütern offenbleiben«, forderte er.
Speditionsverband: Lkw-Kontrollen seien »Blödsinn«

Seit Sonntag finden an den Grenzen zu Tschechien und Tirol in Österreich strenge Kontrollen statt. Die Einreise für Berufspendler etwa im Gesundheits- und Pflegebereich bleibt aber weiter möglich, doch Hunderte Lkw stehen im Stau. Zuvor hatte sich die Bundesregierung darauf verständigt, Tschechien, die Slowakei und das österreichische Bundesland Tirol als »Virusvarianten-Gebiete« einzustufen.


Um Transport und Produktion aufrechtzuerhalten, müssten für das Transportwesen »praxistaugliche Testmöglichkeiten in ganz Europa« bereitgestellt werden, verlangte der BDI-Hauptgeschäftsführer. Negative Tests bei Einreise von im Transportwesen und Güterverkehr tätigen Personal zu verlangen, ohne für ausreichende Testinfrastrukturen an den Grenzen zu sorgen, sei kurzsichtig und beeinträchtige die Versorgung von Bevölkerung und Industrie.
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner warnt wegen der Grenzschließungen indes vor überzogenen Vorratskäufen. Lebensmitteltransporte seien nicht vom Beförderungsverbot erfasst, sagt die CDU-Politikerin den »Funke«-Zeitungen. »Wer trotzdem hortet, handelt nicht nur unlogisch, sondern auch unsolidarisch.« Klöckner verweist auf Lehren aus dem ersten Lockdown im Frühjahr. Saisonarbeitskräfte, Grenzpendler und Transportpersonal seien nun von den Einreisebeschränkungen ausgenommen.




Die Kontrollen bei Lastwagenfahrern seien »Blödsinn«, monierte der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, Dirk Engelhardt. »Wenn ein Lkw-Fahrer im Transit durch Tirol isoliert im Fahrerhaus fährt, warum muss er sich dann negativ testen lassen?«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch Engelhardt nimmt an diesem Dienstag an dem Corona-Wirtschaftsgipfel teil, zu dem Bundesminister Peter Altmaier (CDU) mehr als 40 Organisationen eingeladen hat.


Altmaier müsse sich dafür einsetzen, dass die Bundesregierung Grenzkontrollen für Lastwagenfahrer sofort aufhebe, forderte Engelhardt. Sollten dennoch Corona-Tests als notwendig erachtet werden, müssten Selbsttests der Fahrer akzeptiert werden. Die Fahrer hätten unterwegs und an ihren Zielorten keinerlei Kontakt zu anderen Personen. Bei Tests von Lkw-Fahrern vor Weihnachten im englischen Dover seien nur 0,15 Prozent positiv getestet worden

https://www.spiegel.de/wirtschaft/un...e-7a467de77732

Klöckner, die dumme Pute!

Lebensmitteltransporte seien nicht vom Beförderungsverbot erfasst, sagt die CDU-Politikerin den »Funke«-Zeitungen. »Wer trotzdem hortet, handelt nicht nur unlogisch, sondern auch unsolidarisch.« Klöckner verweist auf Lehren aus dem ersten Lockdown
Die Lebensmittel sind nicht von einem Beförderungsverbot erfasst, sie kommen schlichtweg nicht mehr über die Grenze. Da liegt das Problem. Die Lehren aus dem ersten Lockdown hat sie auf jeden Fall nicht beherzigt. Man weiß wirklich nicht, was man zu solchen Politikern noch sagen soll!

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»Unser ganzes Transportnetzwerk ist durcheinandergebracht«

Im Alleingang hat die Bundesregierung rigide Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Tirol beschlossen. Nun stehen Hunderte Lkw in den Staus. Ökonomen warnen vor schweren Konjunkturschäden, Spediteure sind entsetzt.



Am Samstagmorgen haben Thomas Schwarz und seine Disponenten mit einer Hauruck-Aktion versucht, den laufenden Betrieb vor dem schlimmsten Chaos zu bewahren.

Sie haben alle ihre knapp 30 Lkw-Fahrer in Tschechien angerufen, die in den kommenden Tagen für die Spedition Schwarz nach Deutschland fahren sollten – und sie sofort zum Corona-Test beordert. Parallel haben sie für jeden Fahrer digitale Einreiseanmeldeformulare ausgefüllt: so wie es die Bundesregierung auch für den Güterverkehr aus Tschechien verlangt. Die auf Tschechien-Transporte spezialisierte Spedition hat damit alle neuen Vorschriften erfüllt.

Und doch müssen an diesem Montag viele Lkw von Schwarz stundenlang vor der Grenze zu Deutschland warten. Auf tschechischen Autobahnen, inmitten kilometerlanger Staus. »Die beste Vorbereitung nützt wenig, wenn Sie hinter anderen stehen, die nicht die richtigen Papiere haben«, sagt Thomas Schwarz, 54, der das Familienunternehmen aus dem baden-württembergischen Herbrechtingen in der vierten Generation führt. »Unser ganzes Transportnetzwerk ist durcheinandergebracht. Da funktioniert nichts mehr mit Termineinhaltung.«


Szenen wie in der ersten Corona-Welle

Es ist der erste Werktag, an dem die rigiden Einreiseregeln an den Grenzen zu Tschechien und Tirol gelten. Die Bundesregierung hat sie beschlossen: mit dem Ziel, noch ansteckendere Varianten des Coronavirus einzudämmen. Im Alleingang. Ohne die Nachbarstaaten adäquat einzubeziehen. Ganz zu schweigen von der EU-Kommission, die sich um möglichst freie Fahrt für den Güterverkehr bemüht – und von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) abgekanzelt wurde.



Die Schlangen vor manchen Kontrollposten erinnern an das Chaos vom vergangenen Frühjahr: als Deutschland in der ersten Corona-Welle reihenweise Außengrenzen dichtmachte, die Güterversorgung tagelang behindert wurde, Lieferketten zerbrachen, Fabriken stillstanden.

So weit ist es diesmal noch nicht. Aber Ökonomen warnen vor schweren Schäden für die Wirtschaft, sollten die Staus länger anhalten. Der Verband der Automobilindustrie mahnt, die Produktion in einigen Werken könne zum Erliegen kommen. Und die Spediteure sind entsetzt.
»Wir lassen nicht zu, dass Tirol der Parkplatz Europas wird«

»Unsere Branche ist aufgebracht«, sagt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) dem SPIEGEL. Man verstehe, dass die Politik auf die Mutationen reagieren müsse. Aber: »Diese Maßnahmen sind überzogen. Unsere Fahrer haben ja bei ihren Touren kaum Außenkontakt.«

Zudem seien die verschärften Grenzkontrollen »hastig« beschlossen worden, meint Huster. »Unsere Unternehmen konnten sich kaum darauf vorbereiten.« Viele hätten ihre Trucks vor Tagen zu Touren losgeschickt und seien dann von den neuen Bestimmungen überrascht worden. Nun sei fraglich, wann und wie die Fahrer zurückkommen – und ob sie im Falle negativer Testergebnisse arbeiten können.

Die Regelungen sind Huster zufolge uneinheitlich. Wenn die Fernfahrer deutsche Staatsbürger seien, müssten sie sich nach der Einreise nach Deutschland in der Regel für fünf bis zehn Tage in Quarantäne geben, sagte der DSLV-Geschäftsführer. Ausländische Trucker hingegen unterlägen zwar auch der Isolationspflicht, ihnen fehlten jedoch oft die geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten.

Die neuen Kontrollen treffen nicht nur Lkw aus Tirol und Tschechien – sondern auch solche, die durchreisen, etwa mit Gütern aus Italien. Wegen der neuen deutschen Regeln will Tirol den Lastwagenverkehr über den Brenner drosseln, um einen extremen Rückstau zu verhindern. »Wir lassen es nicht zu, dass Tirol der Parkplatz Europas wird«, sagt Tirols Landeshauptmann Günther Platter. Dies könnte deutsche Betriebe hart treffen, die an Lieferungen aus Italien hängen.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/un...e-7a467de77732