Wenn die Polizei vor der Tür steht

Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden eine Reihe von Beschränkungen erlassen. Dass diese eingehalten werden, kontrolliert die Polizei - sie hat dabei weitgehende Rechte.


  • 0




Christine H. soll zahlen, weil ihr ein Verstoß gegen die Bestimmungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zur Last gelegt wird.

Christine H. ärgert sich maßlos. Der Grund ist ein Bußgeldbescheid, den sie von der Stadt Coburg erhalten hat. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erlassen wurden. Weil sie nach den Umständen, unter denen dieser Verstoß stattgefunden haben soll, ihrer Meinung nach nichts falsch gemacht hat, weigert sie sich zu zahlen.


Was war passiert? Christine H. fuhr ihre Tochter, die wegen eines gebrochenen Beins nicht selbst mobil war, zu ihrem Vater, Christine H.'s früherem Lebensgefährten. Dieser lebt im Landkreis. Als Christine H. und ihre Tochter bei ihm ankommen, hat er Besucher, die sich aber im Garten aufhalten.


Mutter und Tochter wollen nicht lange bleiben. Die Tochter möchte lediglich etwas abholen. "Ich wollte nur schnell die Toilette benutzen und bin deswegen für ein paar Minuten ins Haus", schildert Christine H. den Vorfall. Allerdings kam in genau dem Augenblick eine Polizeistreife am Haus ihres früheren Lebensgefährten an. Die Beamten stellten fest, dass sich mit Christine H. genau eine Person mehr auf dem Grundstück aufhält, als zum damaligen Zeitpunkt erlaubt.
Dementsprechend lag eine Ordnungswidrigkeit nach dem Infektionsschutzgesetz vor, die mit insgesamt 178,50 Euro geahndet werden soll, wie es dem Bußgeldbescheid zu entnehmen ist, der Christina H. wenig später zuging. "Ich hatte doch gar keinen Kontakt zu den Leuten im Garten, und das Haus von meinem früheren Lebensgefährten habe ich in der Zeit fast täglich aufgesucht", ärgert sich die Coburgerin und sieht nicht ein, dass sie dafür so viel Geld bezahlen soll, da sie auch an diesem Tag nur kurz dort gewesen ist.


Christine H. will sich einen Anwalt nehmen, um sich gegen den Bußgeldbescheid zu wehren. Sie ist nicht die Einzige, die jetzt so einen Bescheid bekommen hat, seit wegen der Epidemie Maßnahmen verhängt wurden. Seit April hat alleine das Landratsamt Coburg nach Angaben von Pressesprecherin Corinna Rösler 190 Bußgeldbescheide verschickt. "Die meisten davon waren im ersten Lockdown wegen Verlassen der Wohnung ohne triftigen Grund", so Rösler. Im Bereich der Gastronomie gab es bisher keine Beanstandungen. Gerade am Wochenende waren in Neustadt und Rödental nach Beschwerden wegen Ruhestörung private Feiern von der Polizei besucht worden, die dort ebenfalls Verstöße gegen Corona-Bestimmungen feststellte.
Weitreichende Kompetenzen

Vielen stellt sich daher die Frage, wie weit die Kompetenzen gehen, die Ordnungshütern in der augenblicklichen Lage eingeräumt werden. Rechtsanwalt Christian Müller fasst es in einem Satz zusammen: "Sie dürfen relativ viel." Doch wie es in Rechtssachen häufig ist, liegt die Krux im Detail. In der Tat eröffnet das Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit, das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung einzuschränken. Als Freibrief für Wohnungsdurchsuchungen gilt das aber nicht. "Es gilt grundsätzlich ein Richtervorbehalt", sagt er. Das heißt, es ist ein richterlicher Beschluss nötig, damit die Beamten die Wohnung betreten dürfen. Doch es gibt auch so etwas wie Gefahr im Verzug. Wird die als gegeben angenommen, so wäre das Betreten theoretisch auch ohne Entscheidung eines Richters oder Staatsanwalts möglich. Wie weit das wegen eines Verstoßes gegen die geltenden Bestimmungen zur Corona-Bekämpfung tatsächlich verhältnismäßig wäre, das müsste wohl im Einzelfall überprüft werden. "Es ist viel Fingerspitzengefühl nötig", sagt Christian Müller. Eine Rechtseinschätzung, die es weder den Beamten noch den Wohnungsinhabern leicht macht, sich in der jeweiligen Situation richtig zu verhalten.
Polizei hat Betretungsrecht

"Die Polizei kontrolliert auch die Einhaltung der geltenden Vorschriften im Zusammenhang mit der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung", bestätigt Anne Höfer vom Polizeipräsidium Oberfranken. Sie stellt aber ebenso fest: "Zuständig für die tatsächliche Ahndung und Verfolgung ist aber nicht die Polizei, sondern die örtlich zuständige Kreisverwaltungsbehörde. Nach Übermittlung der polizeilichen Anzeigen werden dort nach erneuter Prüfung der vorliegenden Sachverhalte die Bußgeldbescheide erlassen." Gegen einen solchen Bußgeldbescheid kann der Betroffene dann Einspruch erheben und sich gegebenenfalls einen Anwalt nehmen.


Damit eine Kontrolle sinnvoll durchgeführt werden kann, dürfen Polizisten unter Umständen auch eine Privatwohnung betreten. "Das Betretungsrecht, zum Beispiel für Wohnungen, ergibt sich für die Polizei bei einem Anfangsverdacht wegen einer Straftat, Ordnungswidrigkeit oder Gefahrensituation. Zu unterscheiden ist hierzu die Durchsuchung einer Wohnung", stellt Anne Höfer klar.


Zunächst muss aber die Polizei auch erfahren, dass es etwas zu kontrollieren gibt. "Immer wieder erhalten die Polizeidienststellen Hinweise aus der Bevölkerung zu verschiedensten Vorkommnissen. Darunter sind auch Mitteilungen in Bezug auf mögliche Verstöße gegen die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Grundsätzlich werden die polizeilichen Einsätze, wie bisher auch, nach Priorität abgearbeitet."

https://www.infranken.de/lk/gem/wenn...ht-art-5110456