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    Angst heißt jetzt „Haltung“

    Das Ausland hat sich immer köstlich über die "German-Angst" amüsiert. Die Deutschen als Volk von ängstlichen Vollidioten.
    Das ganze Volk? Nein, die German-Angst ist vor allem ein Phänomen der Linken. Die Linken sind zum eigenständigen Leben nicht fähig, rufen deshalb nach einer Diktatur, der sie sich allzu gerne unterwerfen wollen. Wer nennt Merkel eigentlich Mutti? Es wird behauptet, dass die Kanzlerin vom Volk so genannt wird. Dabei sind es nur die linken Deppen, die sich an diese Person ankuscheln.



    Alle reden von Haltung, dabei geht es um Angst und Anbiederung
    Medien entschuldigen sich für kritische Artikel, Firmen entlassen Angestellte, Verlage trennen sich von Autorinnen, Richter biedern sich bei Klimaaktivisten an: wie die Shitstorm- und Empörungskultur gerade die Welt verändert.
    Die Netzjustiz arbeitet schnell und effizient. Ihr jüngstes Urteil lautet wie folgt: Erstens, die Chefredaktion der «Süddeutschen Zeitung» muss sich für einen Artikel über den Pianisten und grünen Twitter-Aktivisten Igor Levit entschuldigen. Zweitens, der Autor des Artikels, Helmut Mauró, darf öffentlich unter Antisemitismusverdacht gestellt werden. Drittens, dieses Urteil kann nicht angefochten werden.
    Die Karriere des abgeurteilten Journalisten, so ist aus dem Umfeld der Zeitung zu vernehmen, ist, zurückhaltend formuliert, gefährdet. Sein Fall wird schnell vergessen sein, weil die Netzjustiz ständig neue Fälle braucht. Die öffentliche Abbitte der «Süddeutschen» steht indes für ein Phänomen, das wohl nicht allzu schnell verschwinden dürfte.

    Erst Unterstützung zusagen, dann einknicken
    Das Muster ist simpel: Interessengruppen, Aktivisten und Empörte entfachen in den sozialen Netzwerken einen Entrüstungssturm, die Angegriffenen knicken ein und geloben Besserung. Der Fall Levit ist insofern bezeichnend, als er offenbart, mit welcher Hektik und Ängstlichkeit mittlerweile in manchen Chefetagen auf sogenannte Shitstorms reagiert wird. Dies besonders, wenn sich die Empörten im Namen der sozialen Gerechtigkeit, des Antirassismus oder sonst eines moralisch aufgeladenen Prinzips ereifern.

    Dass der prominent platzierte Artikel für Empörung sorgen würde, war klar. Mauró macht sich nicht nur über Levits Qualitäten als Pianist lustig, sondern auch über dessen «Kampf gegen rechts», der möglicherweise bloss ein «lustiges Hobby» sei. Der Text ist zweifellos hämisch, und er wirkt noch provozierender, weil meinungsstarke Grünen-Mitglieder wie Levit in der Regel nicht zu den bevorzugten Spottobjekten linksliberaler Feuilletons gehören.

    Da die Provokation offensichtlich beabsichtigt war und auch mediengewandte Personen wie Levit mit Kritik umgehen müssen, wollte die Chefredaktion zunächst nichts von einer Entschuldigung wissen. Das änderte sich jedoch schnell, als Levits Unterstützer antisemitische Codes in Maurós Text entdeckt haben wollten. Obwohl die Vorwürfe konstruiert wirken – auch in jüdischen Kreisen sorgte der Artikel für mässige Aufregung – entschuldigte sich die Chefredaktion und desavouierte damit ihren eigenen Mitarbeiter.

    Als hätte er etwas geahnt, schreibt Mauró in seinem Text: «Es hat sich da ein etwas diffuses Weltgericht etabliert, dessen Prozesse und Urteile in Teilen auf Glaube und Vermutung, aber auch auf Opferanspruchsideologie und auch regelrechten emotionalen Exzessen beruhen. Es scheint ein opfermoralisch begründbares Recht auf Hass und Verleumdung zu geben, und nach Twitter-Art: ein neues Sofa-Richtertum.»

    Die Vorherrschaft der eigensinnigen Minderheit
    Nun ist es nicht per se schlecht, wenn sich (Medien-)Unternehmen für Fehler entschuldigen; im besten Fall führt das zu einer ehrlichen Fehlerkultur und besseren Dienstleistungen. Allerdings ist es etwas anderes, wenn sich Zeitungen für Berichte über eine nicht beweisbare Sex-Affäre eines Diplomaten entschuldigen, als wenn sie sich leichtfertig und ohne innere Überzeugung politisch motivierten Entrüstungsstürmen beugen.

    Wer das tut, stellt nicht nur seine Unabhängigkeit infrage. Er beweist auch, dass das gerade in linksliberalen Medien sehr beliebte Wort «Haltung» nur so lange gilt, als es gegen rechte Netzrabauken und Hasstrolle geht. Damit macht man sich erpressbar, und man nährt eine Kultur der Feigheit, der Illoyalität, der Anbiederung und des Konformismus, die nicht nur die Medien, sondern längst auch andere Wirtschaftszweige und Institutionen erfasst hat.

    Möglich ist das, weil die Dauererregung in den sozialen Netzwerken in manchen Chefetagen beinahe irrationale Ängste freisetzt. Kleine, radikale Gruppen, die einen grossen Lärm veranstalten, werden plötzlich als Wortführer einer Mehrheit oder zumindest als Avantgarde wahrgenommen, der man sich besser nicht in den Weg stellt. Selbst wenn insgeheim eine Mehrheit denkt, dass die Forderungen und Analysen dieser Gruppen Quatsch sind.

    Dieses Phänomen war schon vor der digitalen Revolution bekannt; Wissenschafter und Philosophen haben es unter Stichworten wie «Schweigespirale» oder «Vorherrschaft der eigensinnigen Minderheit» beschrieben. Wie das funktioniert, konnte man in den letzten Monaten unter anderem im Zuge der «Black Lives Matter»-Proteste beobachten.

    So hat sich der Turnschuhproduzent Adidas im Sommer medienwirksam von seiner Personalchefin Karen Parkin getrennt. Die nämlich hatte sich geweigert, Rassismus als gravierendes internes Problem zu anerkennen, was empörte Mitarbeiter auf den Plan rief. Der Redaktor einer amerikanischen Architekturzeitschrift musste seinen Posten räumen, weil er den Titel «Buildings Matter, Too» gesetzt hatte.

    Der Chef der Meinungsseiten der «New York Times» musste gehen, weil er einen Beitrag eines republikanischen Senators veröffentlicht hatte, der Militäreinsätze gegen Randalierer und Plünderer forderte. Die Autorin Bari Weiss trennte sich kurze Zeit später von der «New York Times», weil sie laut eigenen Aussagen internen und externen Anfeindungen ausgesetzt war: Man beschimpfte sie als «Nazi» und «Rassistin», obwohl oder vielleicht weil sie selber Jüdin ist, die in Israel keinen Schurkenstaat erkennen mag.

    Abweichler gehören bestraft
    Die Hashtag-Aktivisten, so schrieb Weiss kürzlich, wähnten sich in einem Krieg gegen das absolut Böse. Daher hielten sie es geradezu für eine Pflicht, demokratische Prinzipien wie Toleranz, Meinungsfreiheit, Vernunft oder die Unschuldsvermutung zu tilgen. Medien haben in diesem Konzept einzig die Meinung ihrer Peer-Group zu bestätigen, abweichende Meinungen werden mit orchestrierten Schimpftiraden und Boykottdrohungen quittiert.

    Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert das mitteleuropäische «Sofa-Richtertum», auf das Helmut Mauró in seinem Text über Igor Levit anspielt. Die Vertreter dieses Milieus würden sich selber wohl als «liberal», «tolerant» oder «kritisch» bezeichnen; da sie jedoch überall «rechte Narrative» wittern, kennen sie im Umgang mit Abweichlern genauso wenig Pardon wie rechtspopulistische Wutbürger.

    Deutlich wurde das bereits vor zwei Jahren, als die «Zeit»-Redaktorin Mariam Lau einen Meinungsbeitrag publizierte, in dem sie das Selbstverständnis der Seenotretter im Mittelmeer kritisch hinterfragte. Um Haltung gegen diese Provokation zu markieren, inszenierte das Sofa-Richtertum um Jan Böhmermann einen gewaltigen Hasssturm gegen Lau, angeblich lustig gemeinte Folterphantasien inbegriffen.

    Die Chefredaktion der «Zeit» entschuldigte sich – vor dem Mob, womit Lau gleich noch einmal blossgestellt wurde. Die Angst vor Empörungsstürmen geht mancherorts so weit, dass es für Sanktionen und Entschuldigungsrituale gar keinen Sturm mehr braucht.

    Die Migros etwa hat kürzlich aus Angst vor Sexismusvorwürfen über 1o0 000 Tragtaschen mit Frauenmotiven einstampfen lassen, obwohl die Motive nicht einmal Gender-Expertinnen schockierten. Die Valora-Gruppe hat ihre Kioske angewiesen, die rechtskonservative Zeitung «Junge Freiheit» aus den Regalen zu nehmen, weil der «Blick» etwas von empörten Kunden geraunt hatte.

    Der S.-Fischer-Verlag wiederum hat kürzlich seine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin Monika Maron beendet. Offiziell wurde ihr vorgeworfen, sich über Umwege mit einem neurechten Verlag eingelassen zu haben, inoffiziell störte man sich an kritischen Aussagen Marons zum Islamismus, zur Geschlechterdebatte und zur Flüchtlingspolitik.

    Bezeichnenderweise hat der Rauswurf Marons – deren schriftstellerische Qualitäten bei S. Fischer unbestritten sind – ausgerechnet in Igor Levits Twitter-Gefolgschaft für Applaus gesorgt. Denn, so drückte es ein ehemaliger «Spiegel»-Autor aus, «es gibt kein Recht, für seine Worte nicht Verantwortung tragen zu müssen».

    Es braucht sehr viel guten Willen, um hinter solchen Aussagen keine Lust am Ausgrenzen, Ächten und Bestrafen von politischen Gegnerinnen zu erkennen. Wer dagegen auf der richtigen Seite steht, soll sich in der Welt des sozial gerechten Netzrichtertums auch mehr herausnehmen dürfen. Erhellend sind diesbezüglich Äusserungen der deutschen «Tageszeitung» («taz»).

    Diese erntete Anfang Jahr ebenfalls einen gewaltigen Empörungssturm, weil die Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah sämtliche Polizisten als berufsunfähige Rassisten bezeichnet hatte, die man am besten auf dem Müll entsorge. Das ist, obwohl angeblich satirisch gemeint, genau jener gruppenbezogene Hass, den die «woke» Kolumnisten- und Twitter-Gilde sonst überall wittert. Und doch erhielt Yaghoobifarah aus dieser Ecke viel Support, nach dem Motto «Wer von rechts attackiert wird, hat immer recht». Vom KaDeWe wurde die Autorin mit einem Werbeauftritt belohnt.

    Die «taz» selber lavierte in einer gewundenen Entschuldigung, dass «Identität, Repräsentation und Antidiskriminierung» inzwischen einen ganz anderen Stellenwert hätten. Deshalb werde auch intern die Frage diskutiert, «ob das einen anderen Journalismus definieren darf oder muss». Ausgedeutscht: Es gibt Leute, die glauben, dass eine reale oder behauptete Diskriminierungserfahrung dazu berechtigt, auch im Journalismus auf alle Regeln zu pfeifen.

    Gesinnung ist wichtiger als das Gesetz
    Wie weit sich diese Doppelmoral durchsetzt, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass die Rücksichtnahme auf Prinzipien wie die Unschuldsvermutung, die Wahrung der Verhältnismässigkeit oder die Gleichheit vor Gericht auch in Politik und Justiz schwindet. In Berlin zum Beispiel gilt die Unschuldsvermutung nach dem Willen der rot-rot-grünen Mehrheit nicht mehr, zumindest für Polizisten, die künftig im Fall von Rassismusvorwürfen ihre Unschuld beweisen müssen.

    Gleichzeitig können manche, die ihre Forderungen gerne mit weltweit orchestrierten Empörungsstürmen gegen Banken und Prominente untermauern, auf Nachsicht vor Gericht hoffen. Dies zumindest in der Schweiz, wo Gerichte mehrere Klimaaktivisten freigesprochen haben, mit der Begründung, diese hätten sich nur mittels illegaler Aktionen wie Hausfriedensbruch Gehör verschaffen können.

    Juristisch, das ist in einem Fall bereits festgestellt worden, ist diese Argumentation völlig abwegig. Dafür durfte der Richter überall in den sozialen Netzwerken seine fünfzehn Minuten «fame» geniessen. «Gesinnungsjustiz» ist ein starkes Wort. Aber es hört sich wieder sehr modern an.


    https://www.nzz.ch/meinung/wie-shits...rnaD_CCQ2XRbSE
    Geändert von Realist59 (07.11.2020 um 10:50 Uhr)

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