Um noch nicht einmal das Wort "Attentäter" in der Überschrift verwenden zu müssen, kreiert die ARD ein neues Wort, das des "Wien-Täter".

Razzien nach Attentat
Wien-Täter hatte Kontakt nach Deutschland


Der Attentäter von Wien hatte offenbar Verbindungen nach Deutschland - diese geraten jetzt ins Visier der Ermittler. Die Polizei führt Razzien in mehreren Wohn- und Gewerberäumen mutmaßlicher Islamisten durch.



Von Michael Götschenberg, ARD-Terrorismusexperte


Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios werden zur Stunde bei mehreren mutmaßlichen Islamisten in Deutschland Wohn- und Geschäftsräume durchsucht. Hintergrund sind Ermittlungen der Bundesanwaltschaft infolge des islamistisch motivierten Terroranschlags in Wien am Montagabend.


Durchsucht wird bei Kontaktpersonen des 20-jährigen Attentäters von Wien in der islamistischen Szene in Deutschland. Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, handelt es sich um insgesamt vier nicht tatverdächtige Personen in Pinneberg, Kassel und Osnabrück. Mit zwei von ihnen soll sich der Attentäter im Juli 2020 in Wien getroffen haben, zu einer dritten Person gab es Kontakt über das Internet. Zur vierten Person gab es keinen direkten, sondern lediglich indirekten Kontakt über das Internet.
Seehofer äußerte sich zu Kontakten nach Deutschland

Die Durchsuchungen kommen nicht völlig unerwartet. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte gestern im Bundestag erklärt, dass der Attentäter von Wien Bezüge zu Gefährdern in Deutschland gehabt habe. Die Bundesanwaltschaft geht bisher davon aus, dass die Kontaktpersonen in der islamistischen Szene in Deutschland an der Vorbereitung des Anschlags nicht beteiligt waren. Festgenommen wurde niemand, es gehe lediglich darum, mögliche Beweismittel zu sichern, teilte die Bundesanwaltschaft mit.




Bei dem Anschlag am Montagabend in der Wiener Innenstadt waren vier Menschen getötet und mehr als 20 zum Teil schwer verletzt worden. Der Attentäter selbst war von der Polizei erschossen worden. Der 20-jährige Kujtim F. mit österreichischer und nordmazedonischer Staatsangehörigkeit hatte 2018 versucht, sich dem "Islamischen Staat" in Syrien und Irak anzuschließen. Allerdings war der Versuch gescheitert. Er wurde in der Türkei festgenommen und nach seiner Überstellung nach Österreich verurteilt.


Wie mehrere Medien berichteten, soll er während des Zwischenstopps in der Türkei mehrere Tage unter einem Dach mit zwei deutschen Islamisten gewohnt haben, die ebenfalls zum IS wollten. Ob diese Kontakte in irgendeiner Form relevant waren, ist unklar. Zumindest soll es sich bei den Personen, bei denen heute durchsucht wird, um andere Kontakte handeln, erfuhr das ARD-Hauptstadtstudio in Sicherheitskreisen.
Täter sehr gut vernetzt

Kujtim F. war in der islamistischen Szene offenbar bestens vernetzt. Die österreichischen Ermittler teilten gestern mit, dass es auch Bezüge in die Schweiz gebe. Seit der Tat nahmen die Ermittler 15 Personen im Alter von 16 bis 28 Jahren in Österreich vorläufig fest - allesamt mutmaßlich radikale Islamisten.




Wie eng das Netzwerk war, wird noch ermittelt. Außerdem gehen die Ermittler der Frage nach, wie eng die Verbindungen zum "Islamischen Staat" waren. Die islamistische Terrororganisation reklamierte den Anschlag am Dienstagabend für sich und verbreitete ein Video, in dem Kujtim F. dem IS-Führer al Qurashi die Treue schwört.
Vorbereitungen mithilfe des IS?

Ob Kontaktpersonen beim IS den Attentäter bei der Vorbereitung des Anschlags unterstützt haben, ist aber noch unklar. Der "Islamische Staat" verlor zwar das Territorium, das er sich in Syrien und Irak unterworfen hatte, besteht seitdem aber als Organisation im Untergrund weiter. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärte gestern in einem Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio, dass der IS dabei sei, sich neu zu organisieren. Allerdings sehe der Verfassungsschutz noch kein koordiniertes Vorgehen in Westeuropa mit konkreten Strukturen und Planungen.

https://www.tagesschau.de/inland/isl...ungen-101.html