"Brav" sein bis Weihnachten Soziologe: Lockdown ähnelt Eltern-Predigt

Die Lockdown-Maßnahmen im November sollen der Bevölkerung ein "einigermaßen vernünftiges Weihnachten" ermöglichen. So hatte es Unionsfraktionschef Brinkhaus angekündigt. Der Soziologen Szabo fühlt sich an die Kindheit erinnert.



Bei manchen Politikerworten zum aktuellen Teil-Lockdown fühlt sich der Soziologe Sacha Szabo an Kleinkind-Eltern vor Heiligabend erinnert. Es sei auffällig, dass Weihnachten bei den Beschränkungen des öffentlichen Lebens immer wieder als Zeitmarke vorkomme. "Dass man Weihnachten nimmt, trägt schon auch die Botschaft mit sich, wenn man jetzt "brav" ist, dann gibt es ein "schönes Weihnachtsgeschenk"", sagte Szabo.


"Das kann man dahin deuten, dass die Bürger ein wenig wie Kinder betrachtet werden, die erzogen werden müssen. Aber zugleich ist es eben auch eine Botschaft, die sofort verstanden wird, weil dieses Belohnungsmuster vertraut ist." So hatte zum Beispiel Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus gesagt: "Wenn wir es jetzt im November richtig machen, dann haben wir eine Chance, dass wir einigermaßen vernünftig Weihnachten feiern können."


Szabo, der das Weihnachtsfest im Wandel der Zeiten erforscht hat, sieht jedoch das Problem, dass die aktuellen Verordnungen die heutige Pluralität in der Gesellschaft kaum abbilden. "Es wird ein bestimmtes Familienbild transportiert. Angenommen, es dürfen sich die Angehörige zweier Haushalte treffen, dann bildet man zugespitzt formuliert, die Einkindfamilie der Babyboomer-Generation ab." Doch werde es schon kompliziert, wenn die Weihnachtsfeierlichkeiten bei deren Eltern stattfinden oder aber wenn man an Patchwork-Familien und Freundeskreise denke. "All das gibt es natürlich, aber es wird zugunsten eines romantisch verklärten Familienbildes ausgeblendet."


Noch wisse niemand, wie das Weihnachtsfest konkret ablaufen soll, sagte Szabo, der den Sammelband "'Fröhliche Weihnachten'. X-Mas Studies. Weihnachten aus Sicht der Wissenschaft" mit herausgegeben hat. "Einerseits existiert ein Bedürfnis, sich innerhalb der Familie, als Hort der Sicherheit, aufgehoben zu fühlen. Zugleich aber kann jeder auch selbst ein Spreader sein und so die Bedrohung in genau dieses sehr private Gefüge hineintragen."

https://www.n-tv.de/panorama/Soziolo...e22148307.html


Die Hälfte der Bundesbürger rechnet mit einem Weihnachtsfest in der Isolation. Konkret befürchten 52 Prozent, dass die Haushalte in Deutschland wegen der Corona-Krise diesmal getrennt feiern müssen, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Dass Restaurants, Kneipen und Cafés rund um die kommenden Feiertage geschlossen bleiben müssen, erwarten 53 Prozent.

Noch pessimistischer sind die Bundesbürger beim Thema Weihnachtsmärkte, Gottesdienste, Konzerte und Silvesterpartys: Hier rechnen zwei von drei Befragten damit, dass diese im Corona-Winter ausfallen müssen (68 Prozent). Wird dies alles dazu führen, dass sich mehr Menschen als gewöhnlich einsam fühlen? Ja, befürchten 62 Prozent. Dass Weihnachten und Silvester in diesem Jahr überwiegend so ablaufen wie in jedem Jahr, erwarten noch 8 Prozent.
Gefragt nach dem bei ihnen persönlich vorherrschenden Gefühl mit Blick auf Weihnachten nennt die Hälfte negative Gefühle wie Sorge (19 Prozent), Traurigkeit (16 Prozent), Unbehagen (14 Prozent) und Angst (2 Prozent). Insgesamt ein Drittel der Befragten (32 Prozent) schaut trotz allem positiv Richtung Feiertage: 15 Prozent sehen Weihnachten mit Entspannung entgegen, 11 Prozent mit Zuversicht, 6 Prozent mit Vorfreude.
Fast zwei Drittel der Befragten haben negative Gefühle

Unabhängig von Weihnachten bezeichnet sich ein Drittel der Deutschen zu Beginn des zweiten Teil-Lockdowns als überwiegend „besorgt“ (33 Prozent). Als „angespannt“ empfinden sich 16 Prozent, wie die YouGov-Umfrage herausfand. „Wütend“ nennen sich 12 Prozent, „ängstlich“ oder gar „panisch“ sind nach eigener Einschätzung 4 beziehungsweise ein Prozent der Bundesbürger. Positiver sieht ein knappes Drittel der Befragten die Lage, trotz des weitgehenden Stillstandes des öffentlichen Lebens seit dem 2. November: 19 Prozent bezeichnen sich als „entspannt“, 9 Prozent sogar als „zuversichtlich“.


Mehr als jedem Viertem (27 Prozent) fehlt in der Coronakrise Unterstützung aus dem persönlichen Bereich. „Ich habe zwar Menschen, mit denen ich reden kann – ich fühle mich aber nicht ausreichend unterstützt“, sagen 17 Prozent der Befragten von sich. Weitere zehn Prozent kämpfen nach eigenen Angaben mit Corona-Einsamkeit: „Mir fehlen Menschen, mit denen ich reden kann und die mich ausreichend unterstützen“.


Am stärksten wiegt die Sorge, dass sich Familienmitglieder, Angehörige oder Freunde mit dem Coronavirus infizieren könnten. Es folgen auf Platz zwei die Beschneidung der eigenen Sozialkontakte und auf Platz drei die Sorge, dass man sich selbst mit dem Coronavirus infizieren könnte.

https://www.faz.net/aktuell/gesellsc...-17037165.html