Kritischer Lehrer zahlt hohen Preis für die Meinungsfreiheit
Grundrechte mit Grenzen......Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt, er möchte ihn aber nicht veröffentlicht sehen, da er sich vor weiteren negativen Konsequenzen schützen möchte. Nennen wir ihn Josef K. Warum dieses Pseudonym nicht rein zufällig dem Kafka-Klassiker „Der Prozess“ entlehnt ist, zeigt seine Geschichte, die so nur Corona schreiben kann. Franz Kafka schuf aus Elementen der Groteske und des Surrealismus eine beklemmende Atmosphäre der Ohnmacht des Individuums, die als „kafkaesk“ längst Teil unseres Sprachgebrauchs geworden sind.

„Hier wohnt der Coronaleugner“, schnappte K. an manchen Abenden vom Feldweg hinter seinem Haus von vorbeiziehenden Schülern auf. „Schon alles irgendwie ekelhaft“, meint der Mann, der so gerne seinem Beruf nachgehen würde. Doch er konnte schlecht schlafen und bekam Herz-Rhythmus-Störungen. Heute ist er krankgeschrieben. Begonnen hatte alles Ende März mit seiner Teilnahme an der Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Kassel.

'Erhöhte Infektionsgefahr für die Schulgemeinschaft'
„Ich habe mich von einem Fernsehteam des Hessischen Rundfunks zu einem kurzen Statement hinreißen lassen, in dem ich meine Beweggründe für meine Teilnahme und meine grundsätzlichen Sorgen ausdrückte“, blickt K. zurück. Am Tag der Demonstration, kaum eine Stunde nach der Ausstrahlung in der „Hessenschau“, erhält er eine E-Mail seines Schulleiters, in der er um eine schriftliche Stellungnahme zu einer angehängten Nachricht einer „besorgten Mutter“ gebeten wird.

Sie drängt darauf, dass sich die Schulgemeinschaft von K. distanziert, weil er auf einer aus ihrer Sicht „politisch rechten Querdenker-Demo“ gewesen sei und zudem ohne Maske angegeben habe, für die Rechte seiner Schüler zu demonstrieren.

Die Kontaktaufnahme mit der Mutter wird ihm verboten. Tags darauf entnimmt K. einer E-Mail des Vertretungsplaners, dass er zunächst nicht für den Präsenzunterricht eingeplant wird. Wenig später folgt eine Dienstanweisung des Rektors: K. darf das Schulgelände „bis auf Weiteres“ nicht mehr zu betreten – begründet mit einer durch K’s Demoteilnahme scheinbar erhöhten Infektionsgefahr für die Schulgemeinschaft.

Der Abend bleibt aufregend, gegen 21.00 Uhr schickt ihm sein Chef die Stellungnahme des Schulelternbeirats zur Kenntnisnahme. Zwar räumt der Beirat in schwarzen Lettern und Ausrufezeichen ein, dass das Demonstrationsrecht und das Recht der freien Meinungsäußerung ein Grundrecht und ein „vehement zu schützendes Gut“ sei. Doch „Herr K. überschreitet die Grenze seiner Privatsphäre“, schreibt der Schulelternbeirat, „er tritt nicht nur als Privatmann auf, der seine Meinung äußert, sondern als Lehrer, der seine Schüler vor angeblich falschen Maßnahmen des Staates beschützen müsse.“

Kafkaeske Atmosphäre der Ohnmacht
Die Konsequenz: „Wir erwarten eine an alle Teilnehmer der Schulgemeinschaft gerichtete schriftliche Klarstellung und Entschuldigung. Bis zur Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses möchten wir nicht, dass Herr K. unsere Kinder unterrichtet, da er augenscheinlich privates und dienstliches Auftreten nicht trennen kann.“

Die kafkaeske Atmosphäre der Ohnmacht geht weiter, denn der Gymnasiallehrer bekommt Mitteilungen zugespielt, dass auf Twitter bestimmte Inhalte von Telegram-Gruppen und andere persönliche Informationen über ihn verbreitet und mit vermeintlichen Straftaten, gar staatsfeindlichen Einlassungen in Verbindung gebracht werden.

Es folgt eine tagelange, quälende Stille. Eine erste juristische Bewertung zu den vorgeblichen, im Shitstorm aufgeworfenen strafbaren Handlungen, die mit ihm in Verbindung gebracht wurden, ergibt, dass diese weder eindeutig zugeordnet werden können noch hinreichenden Beweise für eventuelle Straftatbestände darstellen. Zwischenzeitlich führt K. das erste und einzige persönliche Gespräch mit dem Rektor. Dieser signalisiert, dass ihm im Sinne aller Beteiligten an einer Beruhigung der Situation und K’s Arbeit an der Schule gelegen sei.

'Sollte es hier nicht weitergehen, geht es woanders weiter'
„Ich bin mir der angespannten Situation und der gesellschaftlichen Spaltung völlig bewusst. Schließlich wird diese ja nun auch schon seit fast 14 Monaten in der Berichterstattung durch einerseits die drohenden Horrorszenarien und andererseits die verzerrten und überwiegend abwertenden Bilder und Narrative maßnahmenkritischer Demonstrationen immer weiter vorangetrieben“ sagt K. Dies sei für eine demokratische Gesellschaft ungesund, da ein respektvoller und sachlicher Austausch verschiedener Ansichten so unmöglich gemacht werde.

In Zeiten wie diesen eine vom Mainstream abweichende Meinung zu äußern, erfordert Mut – und Rückgrat. Josef K. ist ein Mann mit Rückgrat. „Die vielen durch die Maßnahmen verstörten und depressiven Schüler sind mir nicht gleichgültig“, sagt er, „ich kann die nackten Inzidenzwerte nicht losgelöst von den Schäden betrachten, die die Corona-Maßnahmen bei vielen Kindern und Jugendlichen anrichten.“ Auch Kinder müssten, egal unter welchen Bedingungen, das Recht haben, eine möglichst angstfreie und kindgerechte Entwicklung zu erleben. Doch dies sieht er derzeit akut gefährdet.

„Ich nehme die Geschehnisse mittlerweile als deutliches Zeugnis dafür, dass ich so in dieser Stimmungslage nur noch schwer meine Arbeitskraft und meine Nerven opfern kann, wenn der Preis für meine eigene Meinung so hoch ist“, bedauert K. Er weiß, dass er etwas verändern muss – aus voller Überzeugung heraus. Und er hat keine Angst mehr: „Sollte es hier nicht weitergehen, geht es woanders weiter.“

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