Bidens Geschwätz von gestern interessiert ihn nun nicht mehr.....

US-Senat: Der Präsident hat sein Versprechen gebrochen
1,9 Billionen Dollar klingt gigantisch, aber: im US-Hilfspaket fehlt Entscheidendes. Erneut zeigt sich, dass die Armen in den USA nicht auf die Demokraten zählen können.
Es gehört zu den Realitäten des politischen Washington, dass auf kämpferische Rhetorik meist ernüchternde Kompromisse folgen. Im Januar hatte Joe Biden noch umfassende Hilfen versprochen, um die Folgen der Covid-Wirtschaftskrise zu mildern. 2.000-Dollar-Stimulus-Checks solle es für die meisten US-Amerikaner geben, kündigte der damalige Präsident in Wartestellung kurz vor der Stichwahl in Georgia an, die den Demokraten schließlich die Senatsmehrheit sicherte. In seinem wenig später veröffentlichten Vorschlag für ein 1,9 Billionen Dollar schweres Corona-Hilfspaket war eine Mindestlohnerhöhung auf 15 Dollar pro Stunde und Arbeitslosengeld-Zuschüsse von 400 Dollar pro Woche enthalten. Hätte Biden seine Vorhaben durch den Kongress gebracht, wäre das ein eindrucksvoller Beginn seiner Präsidentschaft gewesen. Doch das Paket, dass der Senat am Samstag verabschiedet hat, ist enttäuschend.
Zwar stellt die Regierung auf diesem Weg unter anderem wichtige Gelder für Kommunen und die Eindämmung der Covid-Pandemie bereit, aber soziale Hilfen blieben aus oder wurden gekürzt. Aus den Anfang Januar versprochenen 2.000-Dollar-Checks wurden schon vor Beginn der Verhandlungen im Kongress 1.400 Dollar, weil Biden kurzerhand die schon ausgezahlten 600 Dollar aus dem letzten Hilfspaket mit einrechnete. Man könnte diese Präzisierung als kreative Auslegung eines Wahlkampfversprechens bezeichnen – oder aber als glatte Lüge.

So verprellt man die Mittelschicht
In dem nun verabschiedeten Hilfspaket hat der Senat auch die Einkommensgrenze gesenkt, bis zu der Bürger sich für einen Stimulus-Scheck qualifizieren. 12 Millionen Menschen weniger werden nun die in Pandemie-Zeiten dringend notwendigen Einmalzahlungen erhalten. So verprellt man Wähler aus der Mittelschicht. Der 400-Dollar-Arbeitslosengeldzuschuss wurde am Freitag noch rasch auf 300 Dollar gekürzt. Wohlgemerkt: Auf Bitten konservativer Demokraten – und nicht der Republikaner. Beim ersten Hilfspaket unter Donald Trump hatte es noch 600 Dollar zusätzlich pro Woche gegeben.

Auch die lange versprochene Mindestlohnerhöhung auf 15 Dollar fällt aus. Eine Senatsbeamtin war der Auffassung, dass diese Maßnahme des "American Rescue Plan" nicht im vereinfachten Verfahren des Senats verabschiedet werden könne, das beim Hilfspaket zur Anwendung kam. Vizepräsidentin Kamala Harris hätte deren Gutachten allerdings leicht überstimmen können – entschied sich aber dagegen.

Rund 32 Millionen prekär Beschäftigte im Niedriglohnsektor bekommen nun keine Gehaltserhöhung. Der verzweifelte Versuch des Parteilinken Bernie Sanders, den Mindestlohn am Freitag doch noch in das Hilfspaket aufzunehmen, scheiterte. Acht demokratische Senatoren stimmten dagegen. Die Senatorin Kyrsten Sinema aus Arizona machte bei der Abgabe ihrer Nein-Stimme eine derart herablassende Geste, dass selbst CNN darüber berichtete. Zwar muss das Hilfspaket noch vom Repräsentantenhaus verabschiedet werden, bevor Joe Biden es unterzeichnen kann, doch große Änderungen sind dort nicht mehr zu erwarten. Die Mindestlohnerhöhung liegt vorläufig auf Eis. So viel zur Frage, wie links eigentlich die Demokraten unter ihrem neuen Präsidenten sind.

Der Schriftsteller Gore Vidal schrieb schon Mitte der 1970er-Jahre: "Es gibt nur eine Partei in den Vereinigten Staaten, die Partei der Besitzenden. Und diese Partei hat zwei rechte Flügel. Die Republikaner und die Demokraten." Erneut zeigt sich, dass die Armen im Land nicht auf die Hilfe der Demokraten zählen können. Der Mindestlohn ist während der gesamten Amtszeit von Barack Obama nicht erhöht worden und beträgt seit Anfang 2009 (noch verabschiedet unter der Bush-Regierung) 7,25 Dollar pro Stunde. Das ist nach Kaufkraft gemessen weniger Geld als vor über 50 Jahren. Millionen US-Amerikaner können sich nur mit mehreren Jobs über Wasser halten und leben von Gehaltscheck zu Gehaltscheck.

Bidens Partei kontrolliert beide Parlamentskammern sowie das Weiße Haus. Welche Voraussetzungen braucht es denn noch, damit abgehängte Niedriglöhner endlich bessergestellt werden, wenn sich nicht einmal mit einer Regierungsmehrheit genug Demokraten finden, um wichtige soziale Projekte umzusetzen?

Bidens mangelnder Einsatz
Dabei stößt nicht nur der Kompromiss sauer auf, sondern auch der mangelnde Einsatz von Joe Biden. Denn offenbar kümmerte der Präsident sich nicht besonders offensiv darum, parteiinterne Skeptiker von der Mindestlohnerhöhung zu überzeugen. Dazu gehört vor allem Joe Manchin, Senator aus West Virginia, der trotz breiter Zustimmung in seinem Bundesstaat zu einer Erhöhung 15 Dollar pro Stunde zu viel findet. Laut Angaben des renommierten Journalisten David Shuster, der mit einem Mitarbeiter Manchins sprach, unternahmen weder Biden noch sein Team Versuche, den konservativen Abgeordneten zu überzeugen. Stattdessen lobbyierte das Weiße Haus tagelang dafür, dass der Senat Bidens umstrittene Kandidatin für die Leitung des Budgetbüros absegnet. Auf entsprechende Nachfragen über die Prioritätensetzung der neuen Regierung reagierte Bidens Sprecherin schnippisch.

Diese Schwerpunktsetzung wirft die Frage auf, wie ernst er es eigentlich jemals gemeint hat: Mit großen Versprechen antreten, dann beim geringsten Widerstand aufgeben und die großspurig angekündigten Pläne begraben – so beschädigt Biden seine Glaubwürdigkeit. Mit welchen Argumenten will die Partei in die kommenden Wahlen ziehen?

Zudem wissen Republikaner und konservative demokratische Abgeordnete nun, dass Biden bei seinen Vorhaben bereitwillig nachgibt. Für künftige politische Projekte wird der Spielraum des Präsidenten nun noch kleiner.

Die ohnehin verbreitete Skepsis gegenüber der Establishment-Politik in Washington wird sich verstärken, vor allem unter jenen Abgehängten im Land, die Hilfe dringend nötig hätten. Man kann für die Zukunft des Landes nur hoffen, dass Biden sich in den kommenden Jahren noch zu dem Arbeiterkämpfer entwickelt, als der er sich inszeniert.

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