Nachdem Sandra Esken (SPD) die Polizei unter Generalverdacht stellte und bereits mehrfach nachgetreten hat, will Pistorius notfalls eine eigene Studie über den Rassismus bei der Polizei anstrengen.

Rassistisch motivierte Kontrollen Pistorius will Polizeistudie notfalls ohne Seehofer durchführen lassen

Niedersachsens Innenminister will die Untätigkeit des Bundes in Sachen Rassismusstudie offenbar nicht hinnehmen. Die Länder sollten selbst eine veranlassen, sagt Boris Pistorius, "mit oder ohne" Seehofers Ministerium.

In der Diskussion über Rassismus bei der Polizei fehlt es an belastbaren Daten, eine wissenschaftliche Studie könnte Abhilfe schaffen. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat vorerst verhindert, dass sein Haus eine solche Untersuchung veranlasst - doch das ist womöglich nicht unbedingt nötig. Denn Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hat nun angekündigt, seine Amtskollegen in den Bundesländern im Herbst von einer gemeinsamen Studie zu Polizeiarbeit und Rassismus überzeugen zu wollen.

"Ich würde mir wünschen, dass wir das anpacken, ob mit oder ohne den Bund", sagte der Koordinator der SPD-Innenminister der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Um ein repräsentatives Bild zu gewinnen, müsse die Untersuchung mehrere Bundesländer umfassen. Zudem sei die Studie schon bei der Erarbeitung des Auftrags eng mit den Gewerkschaften abzustimmen.
Im Mittelpunkt der Diskussion steht das sogenannte Racial Profiling. Davon spricht man, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale, aber ohne konkreten Anlass kontrolliert werden. Das Bundesinnenministerium hatte im Juni eine Studie dazu angekündigt, Seehofer stoppte den Prozess jedoch und erklärte das Anliegen für unbegründet. Allerdings unterstehen die Polizeibehörden der Länder den jeweiligen Landesregierungen.


Für seine Entscheidung hatte Seehofer unter anderem Widerspruch von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, der Integrationsbeauftragen der Bundesregierung sowie Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) geerntet. Eine SPIEGEL-Umfrage hatte kürzlich ergeben, dass die Deutschen in der Frage gespalten sind.
Bei der Polizeiarbeit bestehe wie bei jeder anderen Tätigkeit die Gefahr, Stereotypen zu erliegen, sagte Pistorius. Der SPD-Politiker schränkte aber ein: "Wenn Sie in einem bestimmten Gebiet immer mit einer gleichen ethnischen Gruppe zu tun haben, die dort dealt, dann kann es sinnvoll sein, Zugehörige zu dieser Gruppe und vermutlich Zugehörige häufiger zu kontrollieren als beliebige Passanten. Das ist kein Racial Profiling". Es sei auch so, dass jüngere Menschen häufiger in eine Drogenkontrolle gerieten als ältere, ohne dass dies eine Diskriminierung sei. Eine Studie könne helfen, dieses Spannungsfeld zu klären, sagte der niedersächsische Innenminister.


Vor einigen Tagen hatte Pistorius bereits in der "Süddeutschen Zeitung" betont, es gehe nicht um Stigmatisierung von Polizisten, sondern um die Verbesserung ihrer Arbeit. Deutschlands Polizei sei kritik- und lernfähig. "Eine solche Studie wäre deshalb nichts, wovor man Angst haben muss", sagte der SPD-Politiker.

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