Ausschreitungen in Stuttgart Gewerbetreibende fürchten die Folgen der Gewaltnacht





Gianpietro Marion vor seiner Eisdiele






Handel, Gastronomie und Dienstleistung in Stuttgart fürchten die Folgen der Gewaltnacht. Der Inhaber des Eiscafés Venedig beklagt den zunehmenden Verlust an Image und Frequenz auf der Königstraße, der nun weiter erodiert werde. Zudem fordert er eine stärkere Polizeipräsenz.

Stuttgart - Als Gianpietro Marion am Sonntagmorgen auf sein Klapphandy blickte, traute er seinen Augen nicht. 46 Anrufe in Abwesenheit. „Alle wollten mir mitteilen, dass etwas Schreckliches passiert ist“, sagt der Inhaber des Eiscafés Venedig, das an der oberen Königstraße beheimatet ist. Nun steht er da, zeigt auf die provisorische Reparatur seines Pavillons und beziffert den Schaden auf 20 000 Euro. Noch mehr schmerzt ihn allerdings, dass diese Zerstörung von materiellen und immateriellen Gütern seine Geschäftsgrundlage, aber auch die aller Dienstleister, Händler und Gastronomen auf der Königstraße weiter schädigt.


„Früher war die Königstraße eine Top-Einkaufsmeile in Europa, heute sind wir nicht einmal mehr in Deutschland top“, sagt er und spielt auf den dramatischen Frequenz- und Imageverlust an. Das alles hätte er, wie so viele andere Händler auch, mit Tüchtigkeit und Passion weggesteckt. Doch nun folge ein Nackenschlag nach dem anderen. Erst der Lockdown durch Corona, der sowohl Gäste als auch und Personal in Angst versetzt. Jetzt diese „Nacht der Schande“. Dadurch, so befürchtet er, werde der Umsatz noch stärker in den Keller rauschen.

Fragiles Sicherheitsgefühl

Denn das ohnehin fragile Sicherheitsgefühl der Stuttgarter habe dies einen weiteren Schlag versetzt. Er selbst hält die Königstraße zu gewissen Zeiten für ein gefährliches Pflaster. Nicht zuletzt habe er seinen Sohn von einem innerstädtischen Gymnasium genommen und ins Internat nach Villingen/Schwenningen geschickt. „Meine Frau warnt die Kinder immer, geht am Samstag lieber nicht in die Stadt“, berichtet, Gianpietro Marion, „die vielen extremen politischen und ethnischen Demonstrationen sind einfach zu gefährlich.“







Der „Eisverkäufer aus Leidenschaft“, wie er sich bezeichnet, teilt die Meinung seiner Gattin und wünscht sich eine stärkere und längere Polizeipräsenz in der Innenstadt: „Die Beamten sollte nicht nur in Autos patrouillieren, sondern mehr zu Fuß oder auf dem Rad in den Straßen unterwegs sein.“


Zur Seite springt ihm und allen andren Gewerbetreibenden in der City die FDP-Landtagsabgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr: „Die Polizisten, Händler, Gastronomen und Kulturbetriebe sind die Leidtragenden des Eklats und zahlen jetzt die Zeche für diesen Akt der Barbarei. Viele von ihnen stehen ohnedies schon mit dem Rücken zur Wand. Wenn jetzt noch das Renommee der Innenstadt stark beschädigt wird, kommen noch weniger Kunden als zuvor, und das ist dann kaum noch zu kompensieren.“

Arbeitsplätze in Gefahr

Marjoke Breuning, Präsidentin der IHK Region Stuttgart, schlägt in die gleiche Kerbe: „Die unglaublichen Ereignisse und Zerstörungen treffen den Einzelhandel in einer extrem belastenden Phase nach Lockdown und nur langsam wieder anlaufender Nachfrage. Viele Betriebe stehen schon jetzt am Rande des Ruins“, sagt sie. Dabei gefährdeten die Zerstörungen nicht nur unternehmerische Existenzen, sondern auch die der Beschäftigten mit ihren Familien. „Hier stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel, nicht nur im Einzelhandel, bei Reisebüros, Gastronomie oder Bankfilialen, sondern in der gesamten gewerblichen Wirtschaft, die in der Stuttgarter Innenstadt präsent ist“, mahnt Breuning in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Handelsverband und der City-Initiative Stuttgart.

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