Der junge Beethoven – ein Bonner Migrant in Wien

Als ein junger Bonner Hofmusiker kam Beethoven im Jahr 1792 nach Wien. Heute wird er als "Wahlwiener" gefeiert. Tatsächlich blieb er nicht ganz freiwillig


Ludwig van Beethovens Reise von Bonn nach Wien im November 1792 wird typischerweise – auch in der Fachliteratur – als triumphale Erfüllung eines persönlichen Schicksals erzählt: Das junge Genie verließ seine provinzielle Heimatstadt, Schauplatz einer unglücklichen Kindheit, für die pulsierende Musikmetropole und kehrte nie wieder zurück. So schmeichelnd dieses Bild von Beethoven als "Wahlwiener" (so Bürgermeister Michael Ludwig) für das lokale Selbstverständnis auch sein mag – es steht nicht nur in einem unangemessenen Verhältnis zu den tatsächlichen Gegebenheiten, die ihn in die Kaiserstadt brachten, sondern wertet ebenso die Bedeutung der 22 Bonner Jahre des Komponisten gravierend und unberechtigterweise ab.

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Jedoch klingt Beethoven in diesem Brief eher unentschlossen, ob er überhaupt in Wien bleiben will. Wie ist das zu erklären? Zum einen liegt es daran, dass seine Zukunft tatsächlich unklar war. 1792 wurde der hochbegabte Hofmusiker von seinem Dienstherrn, Kurfürst Maximilian Franz, nach Wien geschickt, um seine kompositorischen Fähigkeiten bei einem Meister zu perfektionieren. Der Aufenthalt folgt deutlich dem herkömmlichen Muster einer höfischen Bildungsreise – als Vorbereitung auf ein hohes Amt, möglicherweise auf das eines Hofkapellmeisters.

Bonn war von den Franzosen besetzt

Dass Beethoven nicht zurückkehrte, hat ausschließlich mit politischen Umwälzungen zu tun: Ab Oktober 1794 gab es im französisch besetzten Bonn keinen Hof mehr. Alle Hofangehörigen mussten mittlerweile für sich selbst Sorge tragen. Beethovens genauso begabte Kolleginnen und Kollegen, darunter etwa Andreas Romberg und Magdalena Willmann, gingen zeitweilig auf Konzerttourneen.

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