Weil Sonntag ist:

Breckenheimer Flüchtlinge sind gut integriert

Anja Schönwetter gehört zu jenen Breckenheimern, die sich seit 2017 um Geflüchtete kümmern. Sie schildert ihre Erfahrungen und zieht eine positive Zwischenbilanz.

BRECKENHEIM - Seit zweieinhalb Jahren gibt es in Breckenheim eine Flüchtlingsunterkunft – und Menschen, die sich um die Neuankömmlinge von Anfang an gekümmert haben. Eine von ihnen schildert die anfänglichen Schwierigkeiten und ihre Freude über gelungene Integration.

Von Anja Schönwetter


Im Mai 2017 zogen etwa 30 Flüchtlinge in die Breckenheimer „Unterkunft“ ein. Schnell fand sich eine kleine Gruppe von Helfern, die bereit war, den Flüchtlingen beim Einzug zu helfen. Wir stellten bald fest, dass vieles gebraucht wurde. In Windeseile verbreitete sich diese Nachricht im Ort, und genauso schnell setzte eine unglaubliche Flut von Spenden ein: Geschirr, Küchengeräte, Bettwäsche, Handtücher, Bügeleisen, elf Fahrräder und vieles mehr. Ein paar Helfer setzten sich zusammen und überlegten, was unternommen werden musste, damit sich die Familien in ihrer neuen Umgebung heimisch fühlten. Bei der Organisation unterstützten uns zwei erfahrene Flüchtlingshelferinnen aus Auringen und Wiesbaden, was den Ablauf beschleunigte.




Untereinander teilten wir Aufgabengebiete ein. In den ersten Wochen mussten die kleinen Kinder in der Kita angemeldet werden, die größeren in der Schule. Auch lagen bald Arztbesuche in der hiesigen Praxis an. Große Probleme bereiteten die Sprachschwierigkeiten, denn in der Unterkunft leben Geflüchtete aus vier Nationen. Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, begannen wir mit den Ausflügen in die Stadt. Auch hier gab es wieder sehr viele Fragen. Wo fährt der Bus ab? Wann müssen wir aussteigen? Wo kann man günstig Lebensmittel kaufen? Wo sind die Behörden, die ich aufsuchen muss? Das allergrößte Problem waren die Briefe von Behörden, bei denen auch wir Ehrenamtliche Schwierigkeiten hatten, sie zu verstehen.


Im Austausch mit erfahrenen Flüchtlingshelfern hörten wir, dass es ihnen genauso erging. Inzwischen haben wir viele Ausflüge unternommen, um den Flüchtlingen die Sehenswürdigkeiten unserer schönen Stadt zu zeigen. Wir sind mit der „Neroberg-Bahn“ zur Griechischen Kapelle gefahren, haben das Theater und das Kurhaus besichtigt. Einige Zeit haben wir im Museum verbracht, da dort der Eintritt für Flüchtlinge frei ist. Durch den Biebricher Schlosspark sind wir zum Rheinufer gewandert. Ein weiterer Höhepunkt war der Besuch des Freudenberger Schlosses inklusive einer Führung.


Beengte Wohnverhältnisse


Inzwischen sind drei Familien schweren Herzens in kleine Wohnungen nach Wiesbaden gezogen. Die noch hier lebenden Familien möchten aber unbedingt in Breckenheim bleiben, obwohl manche zu dritt in einem kleinen Zimmer von 17 Quadratmetern sehr beengt leben. Trotz intensiver Suche, diverser Aushänge und Anzeigen, haben wir es nicht geschafft, bezahlbaren Wohnraum in Breckenheim zu finden, denn der Quadratmeterpreis liegt inzwischen auch hier im Schnitt bei 10,21 Euro, das Jobcenter zahlt aber nur 8,20 Euro.




Wir Flüchtlingshelfer kümmern uns vor allem um Behördengänge und Verwaltungsangelegenheiten. Zwei Helferinnen unterstützen die Kinder bei den Hausaufgaben und erteilen zweimal pro Woche je zwei Stunden Deutschunterricht in ihren Privatwohnungen.


Nun sind knapp drei Jahre vergangen. Die Kinder besuchen die Schule. Einige sind Klassenbeste. Zwei junge Männer studieren sogar schon in Frankfurt. Ein junger Afghane absolviert zur Zeit eine Lehre als Maler und Lackierer, seine Frau hat bisher alle Sprachkurse in der Stadt mit Erfolg bestanden, die Tochter wird 2020 in Breckenheim eingeschult. Leider haben wir es bisher nicht geschafft, dass das Dezernat erlaubt, einen seit Monaten leer stehenden Raum in der „Unterkunft“ als Lernzimmer einzurichten. Dass trotz dieser widrigen Wohnverhältnisse solche Leistungen erbracht werden, beweist uns, dass sich unser Engagement lohnt. So, wie wir jedes Jahr eine Weihnachtsfeier mit dem Besuch des Nikolaus (der von einer Muslima gewünscht wurde) veranstalten, treffen wir uns mit allen Familien alljährlich zu einem Gartenfest, an dem auch die teilnehmen, die bereits in Wiesbaden wohnen.


Integration funktioniert in Breckenheim so gut, weil die Bevölkerung nach anfänglicher Skepsis positiv eingestellt ist. Natürlich wissen wir, dass ein kleiner Stadtteil dazu die besseren Voraussetzungen bietet. Aber wir kennen inzwischen viele Ehrenamtliche, die sich zurückgezogen haben, weil sie die Auseinandersetzungen mit der Verwaltung scheuen. Da die Geflüchteten uns Helfern große Dankbarkeit erweisen, werden wir unsere Unterstützung fortsetzen.

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