Den Anfang macht die Zeit. Auszüge:

Er ist nicht allein

Es heißt, der Täter von Halle sei Einzeltäter. Das darf nicht verschleiern, dass er Erzählungen benutzte, die auch von Rechtspopulisten in Talkshows vorgetragen werden.

Einleitung:

Kurz bevor der Mörder sich gestern aufmachte, seine widerwärtigen Fantasien in die Tat umzusetzen, wandte er sich in einem Video an eine globale Blase von Neonazis, Rechtsextremisten und Antisemiten und sagte etwas, das so dumm und hasserfüllt wie bedeutend ist.
Er leugnete in dem kurzen Video erst den Holocaust, dann sprach er vom Feminismus, der der Grund für niedrige Geburtenraten im Westen sei, was wiederum zu Massenimmigration führte. Und erklärte, dass "der Jude" der Grund für all das sei.
Zu wem genau sprach er da? Das Video zeigt, dass B., der zum Teil auf Englisch spricht, offenbar einerseits einer weltweiten, in Foren organisierten Community von Rechtsextremen imponieren wollte. Leuten, die sich in einem Kampf gegen den Islam und die Juden sehen und deren Helden rassistische Mörder wie Breivik und die Täter von Charlottesville und Christchurch sind. Beunruhigend genug.
Nun kommt der Höhepunkt:

Doch da ist noch mehr. B. versuchte in dem Video nicht nur, Neonazis zu gefallen. Es ist das direkte Nebeneinander seines Antisemitismus mit Thesen, die heute auch innerhalb der AfD-Anhängerschaft weit verbreitet sind.
Thesen, die in abgeschwächter Form auch manche, die sich konservativ nennen, in Talkshows vortragen. Der Judenhass des Täters, in einen Zusammenhang gebracht mit den Narrativen von Genderwahn und Bevölkerungsaustausch: Doch, das geht.
Auch wenn jeder Rechte bei Verstand sich nun so weit möglich distanziert
Natürlich kann man als Rechtspopulist behaupten, man habe damit nichts zu tun. Aber der Mörder von Halle benutzt ihre Argumente, er benutzt ihre Worte und ihre Erzählungen.
Nun sind die Neuen Rechten nicht mehr die Neonazis von früher. Sie haben in Deutschland den Durchbruch geschafft, als sie sich konzeptionell vom Nationalsozialismus trennten. Isolierten sich Rechtsradikale früher durch ihre Hitlerei regelmäßig selbst, so lassen sie heute kaum eine Gelegenheit verstreichen, sich von NS und Antisemitismus zu distanzieren.
..versuchen sie mit wachsendem Erfolg, sich sogar als die wahren Verteidiger der Juden aufzuspielen. Die Figur, die es dafür brauchte, war der pathologisch antisemitische Muslim. Mit ihm ließ sich die Verächtlichmachung des Islam prächtig hinter dem "Nie wieder!" der Bundesrepublik verstecken.
Wie stark diese Reinwaschung wirkt, kann man daran erkennen, dass die Behauptung, der
wahre Antisemitismus sei inzwischen ein zugewanderter, auch in bürgerlichen Milieus wirkt.
https://www.zeit.de/politik/deutschl...chtspopulismus

Nein, man kann an diesem Tag nicht verschweigen, dass in Berlin erst vor fünf Tagen ein 23-jähriger Syrer mit einem Messer in der Hand auf die Wachmänner vor einer Synagoge zulief. Der Judenhass aber wirkt längst wieder in allen Teilen der Gesellschaft.
Der Versuch, ihn zu ethnisieren und ihn damit weit weg von der weißen deutschen Bevölkerung zu halten, hilft niemandem außer der AfD selbst.
...Beide antisemitischen Erzählfiguren kommen zusammen, wenn die AfD und ihre Anhänger von der demografischen Katastrophe sprechen, die der linke Feminismus ausgelöst habe und die nun handstreichartig durch arabische Massenzuwanderung gelöst werde, unterstützt von linken Bildungsbürgern, die nichts von den Normen und Werten des Normalbürgers wüssten
Nicht viel anderes sagte ja auch der Täter von Halle, bevor er den Juden daran die Schuld gab.
So unelegant gehen heutige Rechtspopulisten natürlich nicht vor. Sie überlassen es meist den Zuhörerinnen und Zuhörern, ihre Schlüsse zu ziehen
Der Antisemitismus der AfD braucht keine Juden mehr.
Dass die AfD längst wieder dabei ist, mit antisemitischen Denkfiguren Zustimmung zu gewinnen, und zwar nicht nur unter Rechtsextremen. Sondern bis ganz weit in das, was man die Mitte nennt.
https://www.zeit.de/politik/deutschl...lismus/seite-2