Wenn Ihr Nachbar Sie zur Elektro-Ladesäule zwingt

Die Bundesregierung reformiert das Wohneigentumsrecht. Millionen Bürger wären davon betroffen. Viele Eigentümer müssten dann teure Einbauten wie Aufzüge oder Ladesäulen mittragen – auch wenn sie das finanziell überfordern würde.

Die Bundesregierung will den Bau von privaten Ladestationen für Elektroautos erleichtern. Auch energetische Sanierungen und der Einbau von Aufzügen sollen einfacher werden. Das Justizministerium plant dazu Veränderungen im Wohneigentumsrecht. Schon im Laufe des kommenden Jahres könnten neue Regeln in Kraft treten. Etwa 1,8 Millionen Eigentümergemeinschaften mit bis zu zehn Millionen Eigentumswohnungen wären betroffen.


„Wir brauchen mehr Lademöglichkeiten im öffentlichen wie im privaten Raum“, sagte Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, am Dienstag in Berlin. Das Wohneigentumsrecht stehe den dafür notwendigen Beschlüssen bisher im Weg. Denn bei fast allen wesentlichen baulichen Veränderungen in einer Wohnanlage ist eine einstimmige Zustimmung aller Eigentümer notwendig.


Das sei eine hohe Hürde, die man nun absenken wolle. „In wenigen Monaten werden wir einen Referentenentwurf vorlegen, der im Kern vorsieht, dass in einer Wohnungseigentümergemeinschaft ein Eigentümer einen Rechtsanspruch auf eine Ladestation hat“, so Billen.


Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe veröffentlichte am Dienstag einen Abschlussbericht als ersten Schritt für eine Reform. Darin sind umfassende Änderungen vorgesehen, die noch weit über das Thema Ladesäulen hinausgehen. Sollte aus den Vorschlägen ein Gesetz werden, würden Wohnungseigentümer, die in ihrer Wohnanlage umfassende Sanierungen anstreben, deutlichen Vorschub erhalten.


Seit Jahren herrscht in Deutschland ein Sanierungsstau. Nur noch ein winziger Bruchteil der bestehenden Wohnanlagen ist auf dem aktuellen technischen Stand. Viele Eigentümer scheuen die hohen Kosten für neue Fenster, Fassaden, für Aufzüge oder Einbruchschutz. „Sehr oft ist es so, dass die vorhandenen Instandhaltungsrücklagen nicht ausreichen, um notwendige Baumaßnahmen durchzuführen“, sagt Martin Kaßler, Geschäftsführer des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter (DDIV).


Insbesondere bei Dämmmaßnahmen seien Eigentümer nicht von der Wirtschaftlichkeit überzeugt. Manchmal überwiegt auch die Technikskepsis, wie aus Gerichtsurteilen hervorgeht. Da ist von einer Angst vor herumliegenden Ladekabeln oder von Bedenken vor einer Überspannung des Stromnetzes die Rede – Einwände, denen die Richter auf Grundlage der geltenden Gesetze stattgeben müssen.

Auch Mieter bekommen das Ladesäulen-Recht

Doch die Bundesregierung will bis zum Jahr 2030 rund zehn Millionen E-Autos auf die Straßen bringen. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte im Zusammenhang mit dem Abschlussbericht: „Eigentümer und Mieter brauchen ein Recht auf Einbau von Ladestationen. Nur mit flächendeckender Ladeinfrastruktur wird die Wende zur Elektromobilität gelingen.“


Auch Mieter sollen demzufolge ein Recht haben, nachträgliche Einbauten durchzusetzen. Man wolle das Eigentümerrecht und das Mietrecht entsprechend harmonisieren, sagte Billen. Das könnte darauf hinauslaufen, dass ein Mieter, der sein E-Auto in der Tiefgarage aufladen möchte, gegenüber seinem Vermieter einen gesetzlichen Anspruch auf Einbau einer Ladestation hätte.


Der Vermieter wiederum müsste das gegenüber seiner Eigentümergemeinschaft durchsetzen – selbst wenn er eigentlich keine Ladestation wollte. Ähnliches könnte für Einbruchschutz oder Barrierefreiheit gelten, unter Umständen sogar für einen Fahrstuhl mit entsprechend hohen Folgekosten wie etwa für die Wartung.


Die juristische Grundlage dafür ist eine Definition von „Maßnahmen von übergeordnetem gesellschaftlichen Interesse“. So könnte eine E-Auto-Ladesäule – Stichwort Klimaschutz – sogar ohne Zustimmung der anderen Eigentümer eingebaut werden. Nur die Kosten müsste der Bauwillige dann auch selbst tragen, und zwar auch jene Kosten, die bei Umbauten am Gemeinschaftseigentum anfallen. Unklar ist allerdings, wer was bezahlt, wenn weitere Eigentümer auf die gleiche Idee kommen und infolgedessen der Hausanschluss ans Stromnetz ausgebaut werden muss.


Auch was die Abstimmungsquoren bei der Eigentümerversammlung angeht, gibt es noch Unklarheiten. Bei den meisten baulichen Veränderungen, also auch einer energetischen Sanierung, ist bisher die Einstimmigkeit notwendig. Künftig soll eine absolute Mehrheit von mehr als 50 Prozent der Abstimmenden ausreichen. Diese könnte dann etwa den Einbau eines Fahrstuhls beschließen, alle anderen Eigentümer müssten sich dann beteiligen. Voraussetzung: Der Einbau stellt „keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage“ dar.


An dieser Stelle warnt DDIV-Geschäftsführer Kaßler vor einer Überforderung: Es müsse „verhindert werden, dass die überstimmte Minderheit aufgrund der Kostenlast zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums gezwungen werde“. Trotzdem begrüße er die Vorschläge aus dem Justizministerium. Seit 2007 hat es keine Reform des Eigentümerrechts mehr gegeben. Die würde jedoch nicht die großen Komplexe betreffen, die beispielsweise Wohnungsbaugenossenschaften betreiben. Dabei handelt es sich nahezu ausschließlich um Mietwohnungen. Das neue Eigentümerrecht wäre auf sie nicht anwendbar.


Viele Hausverwalter hingegen stehen bei den Eigentümerversammlungen vor unlösbaren Problemen. Deshalb sei das vorgelegte Papier ein großer Fortschritt. Allerdings sei nun auch „eine ausgewogene Förderstrategie von Bund und Ländern“ notwendig, um die Eigentümergemeinschaften bei ihren Sanierungsprojekten zu unterstützen. Staatssekretär Billen jedenfalls versprach, dass sich der Staat künftig stärker um „finanzielle Härtefälle“ kümmern werde.

https://www.welt.de/finanzen/immobil...hrstuehle.html

Auch in der ehemaligen DDR bestimmten die Wünsche der Mieter den Umfang der Modernisierungsmaßnahmen der Vermieter. Da die Mieten noch nicht einmal diese Kosten abbildeten, verschenkten viele Hauseigentümer in der Folge die Häuser an den DDR-Staat.

Der einzige Unterschied hier ist, dass der Mieter diese Kosten auch mittragen muss. Die Mieten gehen in Folge dieser Gesetzesänderungen durch die Decke, was sie ja eigentlich jetzt schon tun, weil viel zu wenig Wohnungen für viel zu viele Mietinteressenten, darunter auch die immer noch ins Land strömenden Flüchtlinge existieren, und die Eigentümer werden enteignet, wenn sie sich den Erhalt ihrer Wohnanlage durch die Wünsche ihrer Miteigentümer oder auch Mieter nicht mehr leisten können. Das Drittel der Bevölkerung, das jetzt noch genug Geld verdient, könnte dazu führen.