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    Amadeu Antonio und der tote Junge vom Frankfurter Hauptbahnhof

    Amadeu Antonio und der tote Junge vom Frankfurter Hauptbahnhof

    Chaim Noll

    Amadeu Antonio, ein Gastarbeiter aus Angola, wurde im November 1990 von einer Gruppe junger Deutscher im brandenburgischen Eberswalde totgeschlagen. Ich erinnere mich, welchen Eindruck diese brutale und sinnlose Tat auf uns machte. Sie schien symbolisch für das Aufkommen rechtsextremer Stimmungen in Ostdeutschland. Im Jahre 2002 gründeten die ehemalige Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane und hinter ihr stehende Interessengruppen die Amadeu Antonio Stiftung – heute nichts anderes als eine dürftig verschleierte, staatlich subventionierte Einrichtung zur Überwachung unerwünschter Gesinnungen und Gedanken.


    Der Name Amadeu Antonio wurde dadurch nicht nur für dubiose Zwecke ausgenutzt, sondern auch – dies der positive Aspekt – vor dem Vergessen bewahrt. Und so die Untat, die zum Tod des jungen Afrikaners führte. Sie ist ins kollektive Gedächtnis Deutschlands eingegangen: Amadeu Antonio hat einen Wikipedia-Eintrag, anlässlich seines Todestages gibt es Zeitungsartikel und Rundfunksendungen, in Schulbüchern und zeithistorischen Werken wird sein Fall erwähnt, ein gutes Dutzend hauptamtlicher Mitarbeiter der Amadeu Antonio Stiftung lebt von ihm, von der Erinnerung an ihn. Das alles bewirkt sein Name. Ein Name kann zum Symbol werden. Was aber geschieht, wenn das Opfer anonym bleibt?


    Der Name des „achtjährigen Jungen“, den ein anderer Afrikaner am 29. Juli 2019 auf Gleis sieben des Frankfurter Hauptbahnhofs vor einen einfahrenden Zug gestoßen, also vorsätzlich ermordet hat, wird nicht bekannt gegeben. (Ich vermeide das fast zärtliche Wort „schubsen“, auf dessen missbräuchliche Verwendung in einem Mordfall Dirk Maxeiner vor einigen Tagen an dieser Stelle hingewiesen hat.) Die deutschen Behörden – und mit ihnen die staatstreuen Medien – verschweigen die Identität des Opfers. Dafür mag es plausible Gründe geben: Rücksicht auf die Familie, vor allem auf die Mutter, die selbst knapp mit dem Leben davon kam und der man begreiflicherweise öffentliche Aufmerksamkeit ersparen möchte. Dieses Argument ist so schwerwiegend, dass kein einigermaßen rücksichtsvoller Mensch die Maßnahme kritisieren wird. Sie hat indessen einen verborgenen Aspekt. Eine heimliche Nebenwirkung, von der ich annehme, dass die Verantwortlichen sehr wohl um sie wissen.


    Erinnerung ist an Namen und Fakten gebunden

    Die Anonymisierung des Opfers ist die Garantie dafür, dass es vergessen wird. Und damit das Verbrechen, das zu seinem Tod führte. Darin wird mir jeder Historiker zustimmen: Erinnerung ist an Indices, an Namen und Fakten gebunden. Über den ermordeten Jungen haben uns Behörden und Medien bisher nur wissen lassen, wie alt er war, dass er „aus dem Hochtaunauskreis“ stammt, sich mit seiner Mutter auf dem Weg in die Ferien in Österreich befand und dass er eine zwölfjährige Schwester hat, die gleich nach der Tat von der Polizei informiert wurde. Dagegen ist der Täter längst namhaft gemacht, wenigstens mit dem Vornamen und der Initiale des Nachnamens, Habte A., wodurch zwar ein Name genannt, doch seine Identität weiterhin geschützt ist. Wir werden mit Details über ihn versorgt, vor allem über seine psychologische Befindlichkeit, seine Probleme, seine Verfolgungs-Ängste. Wieder schwebt Symbolisches in der Luft. Er ist damit erinnerbar. Das Opfer nicht.

    Und das lässt mich ratlos zurück. Ist dieses vollkommen unschuldige Kind, das von einem wie auch immer motivierten erwachsenen Mann auf grausame Weise ermordet wurde, kein Symbol? Kein Gedenken wert? Keine erinnernden Zeitungsartikel? Keine Stiftung in seinem Namen? Warum nicht? Weil es, aller Vermutung nach, ein weißes Kind war, ein genuin europäisches, ein deutsches? Ich bekenne, dass ich damit nur schwer leben kann. Irgendetwas an Information müssen wir den Behörden noch abtrotzen, seine Initialen, ein paar Details über sein kurzes Leben, ein – und sei es gepixeltes – Bild, damit dieses sinnlos geopferte Kind nicht im Nebel der Namenlosigkeit verschwindet und in wenigen Wochen vergessen ist.

    https://www.achgut.com/artikel/amade...r_hauptbahnhof
    Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.
    Gustav von Rochow (1792 - 1847), preußischer Innenminister und Staatsminister

  2. #2
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    AW: Amadeu Antonio und der tote Junge vom Frankfurter Hauptbahnhof

    Wer erinnert sich noch an die 5 Toten von Tankenrade? Ein Dorf in Holstein, welches in der Silvesternacht 1992/93 einen Massenmord erlebte. Ein Türke erschoss 3 Frauen, ein Kind und einen alten Mann. Für die besonders guten Menschen eine akzeptable Tat, denn ein paar Monate zuvor starben in Solingen 5 Türkinnen in den Flammen ihres Wohnhauses. Die Opfer von Solingen sind unvergessen, die von Tankenrade scheint es nie gegeben zu haben.
    Alle Texte, die keine Quellenangaben haben, stammen von mir.

  3. #3
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    AW: Amadeu Antonio und der tote Junge vom Frankfurter Hauptbahnhof

    Offenbar wird zwischen "guten" und "schlechten" Opfern unterschieden, ebenso wie zwischen "guten" und "schlechten" Tätern. Dabei müssten alle gleich sein. Gerade bei den Hypermoralisten. Aber sie sind eben notorische Heuchler.

    Der Philosoph und Theologe Friedrich Kirchner definierte Heuchelei als eine „aus selbstsüchtigen Interessen entspringende Verhüllung der wahren und Vorspiegelung einer falschen, in dem Betreffenden nicht vorhandenen lobenswerten Gesinnung“ und führt auf, dass ein Heuchler besser erscheinen wolle, als er ist, „um Mächtigen zu gefallen“ und „davon Gewinn zu haben“. Vorgeheuchelt werden „politische, religiöse, ethische Grundsätze, um vorwärts zu kommen“, sei es aus Feigheit, des Broterwerbs oder der „Liebedienerei“ wegen. Die Heuchelei würde seiner Meinung nach „leicht durch despotisches Regiment in Staat und Kirche geweckt“, wobei „strenge Staatsgesetze“ und „orthodoxe Religionsedikte“ die Menschheit nicht „gut und fromm“, sondern heuchlerisch machen würden. - https://de.wikipedia.org/wiki/Heuchelei
    Was ich schreibe ist meine Meinung und nicht unbedingt die Wahrheit - Regimekritik - WEFers are evil. Im Zweifel ... für die Freiheit. Das Böse beginnt mit einer Lüge.

    Kalifatslehre. Darum geht es.


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