Es scheint ein abgekartetes Spiel zu sein. Die SPD möchte den Kommunen zu mehr Einnahmen verhelfen, gleichzeitig die Immobilienbesitzer ein wenig enteignen und mit den Folgen wie Mieterhöhungen nichts zu tun haben. Das hätten sie ja nicht gewollt und außerdem sei es ein Unding, wenn die Grundsteuer auf die Mieter umgelegt würde. Schön gedacht, die Bürger sind schließlich doof und das Chaos ist vorprogrammiert. Chaos ist aber immer ganz wichtig, um Änderungen in Gang zu bringen. Chaos schafft Unzufriedenheit und man muss nur die "richtigen Schuldigen" benennen. Lieblingswort in diesem Zusammenhang sind natürlich "Spekulanten". Die SPD schafft die Probleme, die sich später lösen möchte... oder eher nicht.

Kommunale Abgaben Bei der Grundsteuer droht Deutschland ein Chaos

Am Donnerstag beraten die Finanzminister von Bund und Ländern erneut über die Grundsteuerreform. Die Vorschläge von Scholz stoßen auf wenig Zustimmung. Inzwischen hat jeder wieder eigene. Doch die Zeit wird knapp.

Die Zeit für eine Reform der Grundsteuer läuft ab. Manchen der Beteiligten dürften schon Parallelen zum Brexit-Verfahren in den Sinn kommen, bei dem es monatelang hieß: Ein Abkommen steht kurz bevor. Jetzt ist März, und London und Brüssel sind in Sachen EU-Austritt so weit voneinander entfernt wie kaum jemals zuvor.
Ähnlich sieht es inzwischen bei der Grundsteuer aus. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bis Ende 2019 Zeit gegeben, eine Neuregelung für die kommunale Steuer zu finden. Vor rund einem Jahr hatten die Richter in Karlsruhe festgestellt, dass die veralteten Hebesätze, die als Grundlage für die Berechnung der Steuer dienen, nicht mehr verfassungsgemäß sind. Nun ist es März, und die Bundesländer, der Bundesfinanzminister, aber auch Finanzpolitiker und Experten sind einer Einigung kaum näher gekommen.
Im Gegenteil. Am Mittwoch stellte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) gegenüber der Nachrichtenagentur dpa fest: „Die Erfolgsaussichten der anstehenden Gespräche und das weitere Vorgehen hängen maßgeblich davon ab, ob der Bundesfinanzminister endlich bereit ist, einfacheren und mit weniger Bürokratie verbundenen Modellen eine reelle Perspektive zu geben.“ Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wiederum wird beim Treffen mit seinen Amtskollegen aus den Ländern am Donnerstag in Berlin auf seinem Reformvorschlag bestehen.






Quelle: Infografik WELT



Scholz hält ein Modell für richtig, bei dem bestimmte Werteparameter einer Immobilie für die künftige Besteuerung berücksichtigt werden. Dazu gehören der jeweilige Bodenrichtwert sowie ein vereinfachter Mietenwert, der das wirtschaftliche Potenzial einer Immobilie darstellen soll. Anders als im vergangenen Jahr sollen aber keine echten Vergleichsmieten herangezogen werden, sondern Mietpreisgruppen. Mit in die Berechnung einfließen würde dann noch das Baualter.


„Nach unserer Überzeugung ist auch das jetzt diskutierte Reformkonzept bei Weitem zu komplex, zu verwaltungsaufwendig sowie für die Steuerzahler nicht nachvollziehbar“, sagte nun der Bayerische Finanzminister Füracker. Es sei in der Praxis weder für Grundstückseigentümer noch für die Steuerverwaltung handhabbar.
Länderfinanzminister mit eigenen Vorschlägen

„Bayern tritt nach wie vor für eine Einfachgrundsteuer ein, die im Grundsatz auf den Kriterien „Fläche des Grund- und Bodens“ sowie „Wohn- beziehungsweise Nutzfläche des Gebäudes beruht“, sagte er. Auch der Finanzminister Nordrhein-Westfalens, Lutz Lienenkämper (CDU) ist mit dem Scholz-Vorschlag alles andere als zufrieden.


Es werde nach dem Anfang Februar erzielten Kompromiss „wesentliche Weiterentwicklungen geben müssen“, sagte er. Bisher sei das Ziel der einfachen Verwaltung der Steuer längst noch nicht erreicht.


Aus Sicht der Opposition ist die zeitliche Schmerzgrenze bald erreicht. „Es ist absolut unverständlich, warum der Bundesfinanzminister immer noch keinen Referentenentwurf vorgelegt hat und damit total offen lässt, wie der Zeitplan der Grundsteuerreform überhaupt noch gehalten werden soll“, sagte Stefan Schmidt, Sprecher für Kommunalfinanzen der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Manche Experten gehen sogar noch weiter und stellen alles wieder infrage. So wurde in Kreisen von Steuerfachleuten in den vergangenen Wochen diskutiert, ob die Grundsteuer eigentlich noch eine kommunale Finanzierungssteuer ist, wenn Bodenwerte und Mieten bei der Berechnung berücksichtigt werden – und ob hier nicht eine neuartige Vermögensteuer durch die Hintertür entsteht. Manche argumentieren deshalb auch, man müsste die Steuer konsequenterweise durch kommunale Abgaben ersetzen.

Zum Beispiel Hanno Kube, Professor am Institut für Finanz- und Steuerrecht der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Mit den Steuereinnahmen würden Leistungen der Gemeinden bezahlt, etwa für Kinderbetreuungseinrichtungen und Parks, von denen auch die Mieter profitieren, argumentiert er. „Letztlich wäre dafür eine von der Gemeinde erhobene Abgabe statt einer Steuer das bessere Instrument, so wie es auch heute schon Erschließungsbeiträge und Straßenausbaubeiträge gibt.“

Länder könnten das auch alleine regeln

Außerdem stelle sich die Frage, ob der Bund die ganze Sache mit der Grundsteuer nicht besser gleich den Ländern überlassen sollte. „Der Verlauf der politischen Diskussion zeigt, dass es in den Ländern sehr unterschiedliche Vorstellungen gibt. Dies ist lebendiger Föderalismus“, sagte Kube im Gespräche mit WELT.
Seit einigen Wochen gibt es einen weiteren Knackpunkt, nämlich die Umlage der Grundsteuer auf die Betriebskosten bei Mietwohnungen. Einige SPD-Politiker hatten gefordert, die Umlagefähigkeit im Zuge der Reform abzuschaffen, durch eine gleichzeitige Änderung der Betriebskostenverordnung.






Quelle: Infografik WELT


Das Ziel: Die zunehmende Wohnkostenbelastung von Mieterhaushalten vor allem in Großstädten abzumildern. Damit machten die Sozialdemokraten eine ganz neue Debatte auf, die von politischen Kontrahenten und Experten sofort aufgenommen wurde.


Steuerrechtsexperte Kube etwa hält ein Verbot der Weiterreichung an die Mieter nicht von vornherein für verfassungsrechtlich problematisch. Um ein solches Verbot zu rechtfertigen, müsste aber klar sein, dass dies tatsächlich zu einer Entlastung der Mieter führt.


Probleme sieht Kube dabei insoweit, als sich die Vermieter das Geld auf anderem Weg holen könnten, beispielsweise über eine höhere Kaltmiete. „Dies stellt die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs infrage.“


Seit geraumer Zeit meldet sich auch immer wieder die Initiative Grundsteuer: Zeitgemäß! zu Wort, ein Zusammenschluss etlicher Verbände und Vereine – unter anderem mit dem Deutschen Mieterbund, dem Bund Deutscher Architekten und der Deutschen Umwelthilfe – sowie einiger Bürgermeister aus fast allen Bundesländern. Diese Initiative fordert eine einfache Kombination aus Bodenwert und Bodenfläche für die Berechnung der Grundsteuer.



Dann sei eine Wertkomponente enthalten, die indirekt auch vom Bundesverfassungsgericht gefordert worden war. „Eine ergänzende Bodenflächenkomponente führt zu einer teilweisen Umverteilung der Steuerlast zwischen hoch- und niedrigpreisigen Lagen“, heißt es in einer Stellungnahme. „Das vereint die Vorteile eines wertabhängigen und eines wertunabhängigen Ansatzes.“

https://www.welt.de/finanzen/immobil...ein-Chaos.html