Nachfrage nach Sozialwohnungen in Stuttgart Wohnen: Notfälle nehmen drastisch zu

4700 Haushalte stehen aktuell auf der Warteliste für eine Sozialwohnung. Nie war die Zahl der Menschen größer, die verzweifelt eine staatlich subventionierte Wohnung in Stuttgart suchen. Die Caritas sowie Haus und Grund und die Baubranche kritisieren die Stadt harsch.



Stuttgart - Die Notfälle bei Wohnungssuchen nehmen deutlich zu. Nach Recherchen unserer Zeitung wird die Stadt im Mai einen neuen traurigen Rekord vermelden müssen. Demnach ist die Zahl der Haushalte auf der Vormerkdatei, der Notfall- und Warteliste für eine Sozialwohnung in Stuttgart, dramatisch angestiegen. Standen im Jahr 2017 noch 4300 Haushalte auf der Datei, so sind es Ende Januar 2019 bereits rund 4700.


Speziell über einen Zeitraum von mehreren Jahren betrachtet, ist die Steigerung der Wohnungsnotfälle beträchtlich. Denn im Jahr 2011 zählte die Stadt noch lediglich 2834 Haushalte auf der Warteliste für eine staatlich subventionierte Wohnung.


Die Stadtverwaltung will die aktuellen Zahlen noch nicht bestätigen, obwohl diese bereits bei Hilfsorganisationen wie der Caritas, den zuständigen Ämtern der Verwaltung oder von Fachverbänden wie Haus und Grund und dem IWS (Verband der Immobilienwirtschaft Stuttgart) heiß diskutiert werden. Aus dem Rathaus heißt es nur, man bereite derzeit sämtliche Daten zum Wohnungsmarkt auf und wolle diese dann voraussichtlich Anfang Mai dem Gemeinderat präsentieren.




Auf der sogenannten Vormerkdatei stehen Haushalte, die dringend auf der Suche nach einer Sozialwohnung sind. Bedingung ist ein sogenannter Wohnberechtigungsschein. Der wird ausgestellt, wenn entsprechende Einkommensgrenzen nicht überschritten werden – diese richten sich nach der Anzahl der Personen im Haushalt. In Baden-Württemberg liegt die Obergrenze für einen Vier-Personen-Haushalt beispielsweise bei einem Einkommen von rund 65 000 Euro pro Jahr.


Die Steigerung der Notfälle in Stuttgart löst herbe Kritik aus unterschiedlichsten Richtungen aus. „Angesichts der hohen Zahl von Wartenden in der Notfallkartei und der geringen Zahl der fertiggestellten neuen Wohnungen speziell im Segment des sozialen Wohnungsbaus sehen wir keinerlei Licht am Ende eines langen Tunnels“, sagt Manfred Blocher, Leiter der Caritas für die Bereiche Armut und Wohnungsnot. Der Experte der Caritas fordert daher ein Umdenken bei der Stadt: Der fehlende städtische Baugrund lasse nur eine begrenzte Anzahl neuer Wohnungen zu, so Blocher. „Daher ist eine Ausweisung neuer Baugebiete unter Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Aspekten unumgänglich.“ Und: „Aufgrund der permanent steigenden Mieten findet in der Stadt Stuttgart eine schleichende Gentrifizierung statt. Menschen mit wenig Einkommen verlieren den Kampf um Wohnraum und werden an den Rand gedrängt. Hier sehe ich eine Gefahr für den sozialen Frieden in der Stadt.“


Der Geschäftsführer des Eigentümervereins Haus und Grund Stuttgart, Ulrich Wecker, erklärt dazu: „Da der Bau neuer Sozialwohnungen lange Vorlaufzeiten hat, könnte dem akuten Mangel kurzfristig dadurch abgeholfen werden, dass die SWSG von ihren freien Wohnungen weitere – zumindest temporär – für Bedürftige aus der Notfallkartei hergibt.“ Die SWSG ist die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft.


Wecker verweist zudem darauf, dass sich der Bestand günstiger Wohnungen seit Jahren negativ entwickelt. Die Zahl der geförderten und preisgebundenen Wohnungen habe im Jahr 2001 noch bei insgesamt fast 32 100 Einheiten gelegen. „Im Jahr 2017 waren es zusammen gerade noch 29 611“ – was einen starken Rückgang innerhalb weniger Jahre bedeute. Die Bevölkerung der Stadt sei im gleichen Zeitraum jedoch deutlich gewachsen, „was die Versorgungslücke noch weiter aufgehen lässt“, so Wecker.


Kritik an der Wohnbaupolitik der Stadt kommt auch vom Verband der Immobilienwirtschaft. Vorstandschef Marc Bosch sagt: „Diese Steigerung der Wohnungsnotfälle zeigt, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen, um dem Markt genügend neue Wohnungen zuzuführen.“ Auch Bosch kritisiert den politisch gewünschten Verzicht der Stadt auf neue Bauflächen: „Natürlich ist es richtig, in der Innenstadt zu verdichten und zu bauen, aber man muss endlich akzeptieren, dass es ohne neue Baugebiete und -flächen auf keinen Fall gehen kann und gehen wird.“


Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) erklärt zum Thema bislang stets, er wolle mit dem Wohnungsbau nicht auf den Acker gehen.

https://www.stuttgarter-nachrichten....eee8a9255.html

Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern, denn die SWSG-Wohnungen (städtische, staatlich subventioniert) sind durch Flüchtlinge verstopft. Die nämlich werden bevorzugt eingemietet und müssen nicht in einer Notfallkartei parken. Auf eine Frage der Stuttgarter Zeitung , ob es angesichts der Wohnungsnot nicht gerechter wäre, auch Flüchtlinge erst einmal auf die Wartelisten für städtischen Wohnraum zu setzen, sagte Kuhn, er sähe keinen Anlass dazu.

Daher der folgende Artikel, wobei zu beachten ist, dass sich naturgemäß wenig Flüchtlinge in der Startposition für städtische Wohnungen befinden, weil deren Begehren auf eine Wohnung meist ohne großes Tamtam sehr unmittelbar befriedigt wird. Dafür warten die anderen länger, denn natürlich ist der Wohnungsbestand verstopft. Die anderen müssen erst warten, bis einmal wieder jemand auszieht. Im Falle der Flüchtlinge sehr unwahrscheinlich.



Wohnungsnot in Stuttgart
Flüchtlinge drängen auf Wohnungsmarkt


Stuttgart macht bei der Vergabe von Sozialwohnungen einen Unterschied zwischen Flüchtlingen und anderen. Während die einen sofort auf die Warteliste kommen, müssen die anderen drei Jahre in Stuttgart gemeldet sein. Das Ergebnis: Die Zahl der Flüchtlinge auf der Vormerkdatei nimmt zu.



Stuttgart - 4223 Haushalte stehen aktuell auf der Vormerkdatei – der Warteliste für eine Sozialwohnung. Im Jahr 2011 lag diese Zahl noch bei 2834. Ein massiver Zuwachs. Und: Besonders in jüngster Vergangenheit ist der Anstieg fast ausschließlich auf Flüchtlinge zurückzuführen, die in der Stadt untergebracht sind. Hintergrund dürfte dabei eine Stuttgarter Besonderheit sein: Wer in der Landeshauptstadt eine Sozialwohnung beziehen möchte, muss auf der Vormerkdatei gemeldet sein. Doch um überhaupt auf diese Warteliste aufgenommen zu werden, muss ein Bewerber mindestens drei Jahre in der Landeshauptstadt gemeldet sein. Nicht so bei Flüchtlingen, die der Stadt zugewiesen wurden. Sie werden ohne Wartezeit auf die Vormerkdatei gesetzt. Interessant dabei: Andere Großstädte machen diesen Unterschied nicht. Und auch der Mieterverein fordert, diese Ungleichbehandlung aufzuheben.


Die Zahl der Haushalte, die auf eine geförderte Wohnung hoffen, steigt seit Jahren. .Parallel sind die Vergaben von Sozial.woh.nungen von Jahr zu Jahr zurückgegangen – von 1370 im Jahr 2007 auf 805 im Jahr 2015 und 832 im Jahr 2016. Für 2017 hofft die Verwaltung, die Marke von 1000 Wohnungsvergaben wieder zu erreichen – offizielle Zahlen liegen noch nicht vor. Zeitgleich ist der

Anteil der Flüchtlinge auf der Vormerkdatei spürbar angestiegen – wenig verwunderlich bei derzeit 7287 Geflüchteten, die in Stuttgart in Gemeinschaftsunterkünften leben. Waren 2015 noch lediglich 124 Flüchtlingshaushalte auf der Warteliste zu finden, sind es inzwischen rund 450. Von den rund 260 Haushalten, die allein im Jahr 2017 neu auf der Liste gelandet sind, handelt es sich in knapp 200 Fällen um Flüchtlingshaushalte.

Doch wie schafft es ein Haushalt eigentlich auf die Warteliste für eine der heiß .begehrten Sozialwohnungen? In Stuttgart gelten die sogenannten Richtlinien für die Vormerkung von Wohnungssuchenden. Darin heißt es unter anderem: Ein .Wohnungssuchender muss in der Regel seit mindestens drei Jahren in Stuttgart wohnhaft sein. Kurz danach wird allerdings eine wichtige Ausnahme gemacht. Die dreijährige Wartefrist gelte nicht für diejenigen .Menschen, die eine Wohnung suchen, die im Rahmen eines Zuweisungsverfahrens in die Landeshauptstadt gekommen sind. Damit sind unter anderem Flüchtlinge .gemeint, die der Stadt Stuttgart beispielsweise vom Land zugewiesen wurden.




Flüchtlinge sind von der Wartefrist befreit

Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) verteidigt die Vorgehensweise der Verwaltung. „Wir sind in erster Linie den Bürgern der Landeshauptstadt verpflichtet, nicht anderen Bürgern“, sagt Föll. Aus diesem Grund bestünde die grundsätzliche Pflicht, drei Jahre in der Stadt gemeldet zu sein, bevor Anspruch auf eine Sozialwohnung in Stuttgart erhoben werden kann. Mutmaßlich besteht die Sorge, dass sich beim Wegfall der Residenzpflicht Wohnungssuchende aus dem Umland verstärkt um eine Sozialwohnung in Stuttgart bemühen würden – eine noch höhere Zahl an Wartenden wäre die Folge. „Wir wollen den Mangel nicht noch vergrößern“, sagt Föll. „Eine Befreiung von der Wartezeit gibt es bei einer Zuweisung nach Stuttgart“, erklärt er mit Blick auf die Lage der Flüchtlinge. „In einem solchen Fall wurde der Wohnort ja nicht freiwillig gewählt.“ Eine weitere Ausnahme kann gemacht werden, wenn der Suchende in der Stadt arbeitet.


Grundsätzlich erwartet Föll, dass die Zahl der Haushalte, die nach einer Sozialwohnung suchen, zunehmen wird. „Die Vormerkdatei wird 2018 mutmaßlich um weitere 500 Haushalte anwachsen“, sagt Föll. Die Stadt geht davon aus, dass die Flüchtlinge, die derzeit in Gemeinschaftsunterkünften leben, in den kommenden Jahren auf dem Wohnungsmarkt aktiv werden.

Andere Großstädte gehen anders vor als Stuttgart

Andere Städte wählen ganz bewusst einen anderen Weg als Stuttgart. „In München gibt es keine sogenannte Wartezeiten für eine Sozialwohnung mehr. Jeder kann sich grundsätzlich sofort dafür bewerben, wenn er in München eine Wohnung sucht und dazu berechtigt ist“, erklärt Edith Petry, Sprecherin des Münchner Sozialreferats. Berechtigt bedeutet immer, dass sich das Einkommen eines Wohnungssuchenden unterhalb der jeweiligen Grenzen befindet.


In Frankfurt am Main hingegen gibt es eine Wartefrist – allerdings nur von einem Jahr. Dort heißt es von der Verwaltung zudem: „Die Wohnungsvergabe erfolgt nach Dringlichkeit und Wartezeit der Bewerber auf der Vormerkliste. Unterschiede zwischen Flüchtlingen und anderen Personenkreisen werden dabei nicht gemacht.“ Zudem gibt es in Frankfurt einen Weg, schneller auf die Warteliste zu gelangen. Dafür muss der Bewerber einen „Bezug zur Stadt“ nachweisen – das können ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz oder Verwandtschaft in Frankfurt sein. Die Praxis der Stadt Hannover ähnelt dem Stuttgarter Verfahren noch am ehesten. Hier besteht ebenfalls eine Residenzpflicht. Doch im Vergleich zu den drei Jahren in Stuttgart werden in Hannover lediglich sechs Monate verlangt.


Der Stuttgarter Mieterbund fordert die Abschaffung der dreijährigen Residenzpflicht. „Die Stadt sollte die Residenzpflicht aufheben, zumindest wenn es einen schlüssigen Grund wie Familie in der Stadt oder ein Jobangebot in Stuttgart gibt“, erklärt der Vorsitzende des Vereins, Rolf Gaßmann.

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