Wegen Grundsteuer-Reform "Günstiges Wohnen wird tendenziell teurer"

..Für wen wird die Grundsteuer also teurer?

Tendenziell wird es für alle Wohngebäude teurer. Besonders getroffen würden vom jetzigen Kompromiss aber wohl diejenigen, die bislang eine unterdurchschnittliche Miete zahlen, weil sie auf den Durchschnitt hochgehoben würden. Wer heute in einer beliebten Innenstadtlage in einer vergleichsweise günstigen Wohnung lebt, für den wird es tendenziell teurer. Profitieren würden dagegen die Gebäude, in denen schon jetzt hohe Mieten anfallen, weil ihre Steuerlast auf den Durchschnitt gesenkt wird. Am Ende wird man das Ergebnis mit politischen Stellschrauben nachjustieren. Und was dabei rauskommt, kann heute niemand verlässlich sagen.


Also lügt der Finanzminister, wenn er verspricht, durch die Reform würde es insgesamt nicht teurer?



Er kann es eigentlich nicht versprechen, weil er die beteiligten Akteure nicht beherrschen kann. Jeder, der verspricht, dass das jetzige Aufkommen von 14 Milliarden Euro konstant bleibt, spricht nicht ganz die Wahrheit. Denn viele politische Unbekannte, die die neuen Immobilienwerte verzerren, stehen noch gar nicht fest. Ich gehe davon aus, dass der künftige Ertrag das heutige Niveau von 14 Milliarden Euro übersteigen wird, weil man das gar nicht wirklich steuern kann. 17 Finanzminister, alle Parteien und mehr als 12.000 Kommunen kochen schließlich am Grundsteuer-Brei herum.


Wird am Ende ein schmackhaftes Gericht herauskommen?



Da wird gerade eine steuerpolitische Leberwurst zusammengerührt. Finanzminister Scholz redet nur von der Ausgangsbasis der Reform: den Mieten, den Bodenrichtwerten, den Flächen. Aber zu dieser neuen Bewertungsgrundlage kommen völlig undefinierbare politische Zutaten hinzu, mit denen die Inhaltsstoffe abgeschmeckt werden: Wie stark werden erstens die Durchschnittsmieten vervielfältigt, um auf den Gebäudewert zu kommen? Zweitens die Messzahl, die der Bund festlegt: Momentan soll sie 0,325 Promille betragen, aber das ist eine willkürliche Zahl, die auch halb oder doppelt so hoch liegen könnte. Und drittens die Hebesätze, die allein die Kommunen bestimmen. Jede Voraussage, was dabei am Ende rauskommt, wäre ziemlich verwegen. Ich hoffe nur, dass das Ergebnis allen Beteiligten schmeckt. Übertragen auf die Leberwurst: Momentan ist neben gutem Magerfleisch noch sehr viel Undefinierbares drin.


Scholz will das Grundsteuer-Aufkommen deckeln, indem er Druck auf die Bürgermeister macht, ihre Hebesätze zu senken. Werden sie ihm auf Befehl gehorchen?

Ich habe schon erste Kommunen gehört, die sagen: Wir werden unsere Hebesätze nicht senken. Das hat vermutlich auch Finanzminister Scholz gehört.
Deswegen hat er ja auch in sein Eckpunktepapier geschrieben, dass er notfalls auf die Bremse treten und die Messzahl nach unten korrigieren will, falls die Gemeinden nicht mitspielen. Denn das ist die einzige Zahl, die er selbst kontrollieren kann. Er kann aber weder dem Bundestag noch den Kommunen Vorschriften machen.

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Gibt es eine bessere Lösung?

Ich hätte mir vorstellen können, dass man die Grundsteuer nur auf der Grundlage der Bodenwerte ermittelt. Die könnte man nachjustieren, etwa mit einem Vervielfältiger für die Nutzungsart. So könnte man politisch steuern, dass Wohngebäude bevorzugt werden und Grundstücke mit einer hohen Bebauungsdichte, die man in Großstädten braucht. Das wäre das einfachste Verfahren gewesen. Nun bekommen wir stattdessen eine Fortschreibung des pauschalierten Ertragswertverfahrens, mit dem seit jeher gearbeitet wurde. Und wenn der Finanzminister die Reform hinbekommt, stellt sich die Frage, wann die nächste Neubewertung kommt. Warten wir wieder 50 Jahre?

https://www.n-tv.de/wirtschaft/Guens...e20842544.html