Wieder ein Artikel, der an Fakten komplett vorbeikommt. Es werden Beispiele genannt, ohne Beispiele zu nennen, man nennt Unkonkretes konkret und einfache Aussagen "Das stimmt nicht" reichen schon als Beweis.

Aber manchmal wundert man sich schon über die Offenheit, mit der Flüchtlingshelfer zu kriminellen Handlungen anstacheln.

Fünf Flüchtlingshelfer erzählen: Das sind die größten Integrations-Erfolge - und Enttäuschungen



Als 2015 tausende Menschen nach Bayern flüchteten, war die Hilfsbereitschaft groß. Was ist drei Jahre später davon übrig geblieben? Wie groß ist die Dankbarkeit bei den Geflüchteten, wie groß der Frust bei den Helfern?

Fünf Flüchtlingshelfer berichten.


München - Claudia Steinke aus Tutzing, Reinhard Kastorff aus Moosburg, Franziska Kindsmüller aus Unterhaching, Walli Lacher und Astrid Jäger aus Alling engagieren sich seit Jahren für Flüchtlinge. Sie berichten, was schwieriger geworden ist – und woran Integration oft scheitert.


Sie unterstützen Flüchtlinge seit Jahren. Wie nötig ist Ihre Arbeit noch?

Reinhard Kastorff: Es gibt inzwischen viele anerkannte Flüchtlinge, die mit neuen Problemen kämpfen. An die neuen Asylbewerber kommen wir nicht mehr ran, weil sie erst mal in die Ankerzentren kommen.

Astrid Jäger: Wir hatten bei uns in Alling anfangs zwei Häuser, auf die Familien verteilt wurden. Das war sehr überschaubar. Um jede Familie haben sich Helfer gekümmert. Das lief sehr intensiv und gut.


Genau das Gegenteil vom Konzept der Ankerzentren.


Jäger: Genau. Wir waren Ansprechpartner bei allen Problemen. Jeden offiziellen Brief habe ich sofort per WhatsApp weitergeleitet bekommen, zu jedem Arzttermin bin ich mitgegangen.

Claudia Steinke: Nur so kann Integration gelingen. Mit einer Art Patenschaft. Genau das wurde nun abgeschafft. Die dezentralen Unterkünfte werden aufgegeben.


Haben Sie das Gefühl, es ist politisch nicht gewollt, dass sich die Menschen zu gut integrieren?


Steinke: Der schlimmste Satz, den ich gehört habe, stammt von Andreas Scheuer: Einen ministrierenden, Fußball spielenden Senegalesen werden wir nie wieder los.

Kastorff: Die Politik will verhindern, dass enge Beziehungen zwischen den Geflüchteten und den Bürgern entstehen. Deshalb sind die Unterkünfte zentralisiert worden, Helfer werden nicht in die Ankerzentren reingelassen.


Walli Lacher: Bei uns im Kreis Fürstenfeldbruck gibt es ja eine Dependance des Ankerzentrums Manching. Die Menschen mit guter Bleibeperspektive kommen schnell raus in andere Unterkünfte. Deshalb leben dort hauptsächlich noch Nigerianer. Tausend Menschen. Das sind unmenschliche Zustände.




Sind die Helferkreise sehr geschrumpft?

Steinke: Bei uns haben nur ein paar Helfer aufgehört. Das liegt aber auch daran, dass es in Tutzing weniger Geflüchtete gibt als 2015. Die Geflüchteten, die jetzt zu uns kommen, werden umso intensiver betreut. Zum Beispiel bei Verwaltungsangelegenheiten. Viele Ehrenamtliche kennen sich damit inzwischen extrem gut aus.


Wie groß ist Ihr Frust?


Steinke: Von den Geflüchteten sind wir nicht frustriert. Natürlich gibt es auch mal negative Erfahrungen – wie in jedem Lebensbereich. Frustriert sind wir wegen der Zusammenarbeit mit Behörden und der mangelnden Unterstützung oder Störfeuer durch die Politik.

„Es gibt eben Landräte und Bürgermeister, die mutig sind“

Welche Erfahrungen machen Sie mit Politikern?



Lacher: Thomas Karmasin, unser Landrat in Fürstenfeldbruck, lobt unsere Arbeit sehr. Aber sobald es um Arbeitsgenehmigungen für Afghanen geht, zählt das nicht mehr. Dann heißt es: Bleibeperspektive unter 80 Prozent – keine Arbeitserlaubnis.

Franziska Kindsmüller: Bei uns in Unterhaching ist das anders, die Zusammenarbeit mit Ämtern funktioniert in der Regel gut. Die meisten Sachbearbeiter bemühen sich sehr. Wenn ich nachmittags eine E-Mail schreibe, habe ich oft abends eine Antwort. Unser Landrat hat sich sehr eingesetzt, damit die Flüchtlinge Arbeitsgenehmigungen bekommen.

Steinke: Wir hatten neulich einen Fall, der gut zeigt, wie unterschiedlich die Ämter arbeiten. Einer unserer Schützlinge hat im Starnberger Landratsamt keine Genehmigung für eine Ausbildung bekommen. Er ist dann in den Kreis München umgezogen. Dort war die Genehmigung überhaupt kein Problem.

Kastorff: Es gibt eben Landräte und Bürgermeister, die mutig sind, nach ihrem Ermessen handeln. Und in diesen Landkreisen geht etwas.

Das ist den Geflüchteten wohl schwer zu erklären.



Steinke: In Tutzing war es früher so, dass jeder, der arbeiten wollte, auch Arbeit bekommen hat. Die Menschen waren stolz zu arbeiten, sie hatten einen geregelten Tagesablauf, haben schnell Deutsch gelernt. Dann haben sie ihre Arbeitsgenehmigungen verloren – und damit ihre Jobs. Warum das so ist, können wir ihnen nicht erklären.

Kastorff: Die Regelung hat einen sicherheitsrechtlichen Hintergrund. Laut Asylgesetz besteht Identifikationspflicht. Natürlich muss jeder Staat wissen, wer ins Land kommt. Viele Geflüchtete sind ohne Papiere gekommen – nicht alle hatten sie einfach weggeschmissen. In Afghanistan oder Somalia werden diese Papiere eben nicht gebraucht. Wenn man jemandem helfen will, Arbeit zu finden, muss man ihm fast den Rat geben: Besorg dir einen Ausweis – egal wie.

Kindsmüller: Uns muss klar sein, dass wir damit auch eine Mafia unterstützen. Ich kenne eine Frau aus Somalia, die versucht hat, Papiere zu organisieren. Dafür musste sie in ihrer Heimat 250 Euro zahlen. Der Ausweis wurde mit falschem Datum ausgestellt. Sie musste einen zweiten beantragen. Der hat dann 450 Euro gekostet.




Die Staatsregierung argumentiert, dass alle, die bleiben dürfen, auch arbeiten dürfen. Stimmt das?



Kindsmüller: Es gibt viele Fälle von Flüchtlingen, die lange hier sind, aber nicht arbeiten dürfen. Wir haben zum Beispiel einen Senegalesen, der Arbeit hatte, bis er keine Genehmigung mehr bekommen hat. Senegal zählt zu den sicheren Herkunftsländern – aber dorthin kann man Menschen nicht so leicht abschieben. Seit drei Jahren sitzt der Mann nun hier und darf nichts tun.

Steinke: Die Menschen sind hier – ob wir uns das gewünscht haben oder nicht. Wenn sie um Asyl bitten, müssen wir sie menschenwürdig behandeln. Und wir müssen uns eingestehen, dass nicht alle, die abgelehnt werden, Deutschland sofort wieder verlassen.

Kastorff: Selbst konservative Politiker geben einem in privaten Gesprächen oft recht. Aber diese Einstellung ist eben nicht mehrheitsfähig.

Jäger: Das glaube ich gar nicht. Die meisten Menschen, mit denen ich darüber geredet habe, finden auch, dass die Menschen arbeiten sollten. Wir müssen ihnen unsere Werte vermitteln.

Steinke: Genau. Wir vermitteln ihnen jetzt: Du hast dich zwar angestrengt, aber das hättest du auch lassen können. Die, die vorher gearbeitet und in die Sozialkassen eingezahlt haben, müssen wieder von staatlichen Hilfen leben. Davon profitiert keiner. Es steckt doch auch eine große Chance darin, Flüchtlinge arbeiten zu lassen.

„Viele Asylbewerber dürfen seit zwei Jahren nicht mehr arbeiten“

Welche?



Steinke: Die meisten wollen nicht zurückkehren, weil sie keine Perspektive haben und fürchten, das Gesicht zu verlieren. Das wäre nicht so, wenn sie hier eine zeitlich befristete, vielleicht auch abgespeckte Ausbildung machen könnten. Dann würden sie nicht als Verlierer zurückkehren.

Kastorff: Aber stattdessen schneiden Politiker das Fachkräftezuwanderungsgesetz so zu, dass auch Langzeitgeduldete keine Chance haben.

Steinke: Das stimmt. Das Gesetz berücksichtigt sie in keiner Form. Zum Beispiel, dass man in den letzten zwei Jahren 18 Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben muss. Viele Asylbewerber dürfen doch seit zwei Jahren nicht mehr arbeiten.

Kastorff: Es ist geradezu paradox. Wir versuchen, in Manila eine ausgebildete Krankenschwester zu finden, die Deutsch spricht, aber von deren Biografie wir gar nichts wissen. Aber sie nehmen wir eher als einen Afghanen, der seit Jahren bei uns lebt und den wir positiv einschätzen.




Wie ist die Stimmung in Ihren Landkreisen?



Kindsmüller: Es kursieren viele falsche Informationen. Neulich hat mir jemand erzählt, Flüchtlinge seien privat versichert. Niemand hat mir geglaubt, dass das nicht stimmt. Meinungen sind oft so festgefahren. Und durch die Terroranschläge der letzten Jahre haben viele Menschen einfach Angst. Teils vor Flüchtlingen, teils vor Muslimen. Es besteht immer die Gefahr, dass alle in einen Topf geschmissen werden.


Mit welchen Vorwürfen werden Sie konfrontiert?



Lacher: Ich höre oft den Satz: Wir denken halt nicht so wie du. Man ist abgestempelt.

Jäger: In der Öffentlichkeit werden wir zwar oft gelobt und es wird betont, wie wichtig unsere Arbeit ist. Aber dann gibt es manchmal auch Unterstellungen, bei denen einem die Luft wegbleibt.

Steinke: Also ich habe noch nie negative Erfahrungen gemacht. Ich habe das Gefühl, viele Menschen sind interessiert und dankbar, Infos aus erster Hand zu bekommen.

Kastorff: Ich mache diese Arbeit seit sieben Jahren und nutze jede Gelegenheit, davon zu berichten. Man merkt schnell, wann ein Gespräch Sinn macht und wann man besser über das Wetter redet.





Werden Sie manchmal müde, immer wieder gegen dieselben Vorurteile anreden zu müssen?



Steinke: Wir wollen ja niemanden bekehren. Aber ich finde es extrem wichtig, den Mund aufzumachen, wenn man etwas Falsches hört. Manche Sätze erinnern an die 30er-Jahre. So etwas darf man nicht einfach stehen lassen.

Gab es schon einmal eine Situation, in der Sie an Ihre Grenzen gekommen sind?

Jäger: Für mich war ein solcher Moment die Abschiebung eines Mannes, der bei uns gelebt hat. Vor allem die Art und Weise, wie das abgelaufen ist. Es sind so viele Lügen verbreitet worden.

Kindsmüller: Es ist wichtig, auch gegenüber den Flüchtlingen die eigenen Grenzen zu erkennen. Manchmal kümmert man sich um jemanden und dann schmeißt er die Ausbildung hin, weil es zu anstrengend wird. Damit muss man umgehen lernen.



Steinke: Es kommt auch vor, dass Menschen einfach verschwinden. Wir hatten im Landkreis über 300 Senegalesen, heute sind es offiziell noch 30. Die anderen sind, weil sie nicht arbeiten durften, verschwunden. So erschreckend das ist, der Politik spielt das in die Hände. Für die Behörden existieren die Menschen nicht mehr.




Haben wir die größte Herausforderung geschafft? Oder liegt sie vor uns?



Jäger: Es ist vieles besser gelaufen als während des Balkankriegs. Damals gab es keine Integrationsmaßnahmen. Daraus haben wir gelernt. Den Menschen die Sprache beizubringen, sie zu qualifizieren – das ist der richtige Weg. Es gibt viele Geflüchtete, die sich anstrengen, weil sie ihre Unterstützer nicht enttäuschen wollen. Auf dieser Basis schaffen wir es tatsächlich. Wir müssen mehr betonen, was positiv läuft.


Sind die Menschen in Ihren Gemeinden enger zusammengewachsen? Oder sind die Orte gespalten?



Kindsmüller: Wir sind enger zusammengewachsen. Ich lebe in einem Ort mit 25 000 Einwohnern aus 120 Nationen. Das war schon so, bevor die Flüchtlinge kamen. Die Schwierigkeit ist, dass viele Geflüchtete nie eine Schule besucht haben oder durch den Krieg traumatisiert sind. Für sie ist es einfach schwer, in einer Gesellschaft anzukommen, wo alles schnell gehen muss. Das dauert Jahre. Und es gehört viel Arbeit dazu – von beiden Seiten.

Steinke: Wir haben in unserer Gesellschaft eine gewisse Spaltung – aber nicht wegen der Flüchtlinge. Es gibt eine Spaltung zwischen denen, denen es gut geht, und denen, die sich trotz harter, ehrlicher Arbeit nichts mehr leisten können. Es müssen viele soziale Probleme angepackt werden: Wohnungen, Renten, Pflege. Würde sich die Politik mehr darum kümmern, gäbe es weniger sozialen Sprengstoff.

„Nicht überall gibt es die Bereitschaft, Menschen zu integrieren“

Woran scheitert die Integration am häufigsten?



Kastorff: Auch am Willen der deutschen Bevölkerung.

Steinke: Das ist zu pauschal.

Kastorff: Nicht überall gibt es die Bereitschaft, Menschen zu integrieren. Wenn Sie jemanden bei der Feuerwehr unterbringen wollen, funktioniert das nur, wenn es dort einen Menschen gibt, der offen dafür ist.


Ein Fußball spielender ministrierender Senegalese ist also die Ausnahme?


Kastorff: Hängt vom Ort ab.

Lacher: Überall gibt’s Leute, die nicht integrationswillig sind.

Steinke: Letztendlich liegt es immer an den handelnden Personen, ob Integration gelingt. Aber ich glaube nicht, dass es ganze Orte gibt, wo es unmöglich ist. Besser wäre es zu fragen, wie Integration gelingt: Wenn man den Menschen Zeit, Beziehungen und eine Perspektive gibt.


Welchen Appell möchten Sie an die Politiker richten?


Lacher: Sie sollen nicht alle Probleme, die Deutschland hat, den Flüchtlingen in die Schuhe schieben.

Jäger: Lobt uns nicht nur, redet mit uns. Hört uns zu.

Steinke: Und seid ehrlich. Auch wenn die Wahrheit unbequem ist.

Kindsmüller: Jeder, der arbeiten möchte, muss auch arbeiten dürfen. Und die Flüchtlinge müssen dezentral untergebracht werden.


Mit der Erfahrung von heute, würden Sie sich noch einmal in einem Helferkreis engagieren?


Alle: Ja.

Jäger: Die positiven Erfahrungen überwiegen. Die Arbeit ist eine Bereicherung.

https://www.merkur.de/bayern/muessen...-11518204.html