Der Islam soll Unterrichtsfach werden – das scheitert bislang ausgerechnet an den Muslimen

Die baden-württembergische Landesregierung will den islamischen Religionsunterricht ausbauen. Aus dem laufenden Modellprojekt mit 93 beteiligten Schulen soll zum neuen Schuljahr ein reguläres Angebot werden – eigentlich. Doch bei Schwarz-Grün herrscht inzwischen Ernüchterung.

Die Zeit drängt. Um wie geplant im Südwesten zum nächsten Schuljahr islamischen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach anbieten zu können, muss die grün-schwarze Regierung so schnell wie möglich die Weichen stellen. „Im Januar muss Klarheit herrschen“, heißt es in Regierungskreisen. Heute treffen sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) mit den Vertretern verschiedener muslimischer Verbände. Yavuz Kazanc, der Landesvorsitzende des Verbands der islamischen Kulturzentren (VIKZ), wagt keine Prognose über den Ausgang.


Schon seit August letzten Jahres geht das Tauziehen über das Organisationsmodell der Regierung. Weil es im Islam keine einheitliche Institution wie die christlichen Kirchen gibt, schlägt Grün-Schwarz eine Stiftung vor. Kazanc ist skeptisch: „Die Regierung ist nicht bereit, uns als Religionsgemeinschaft anzuerkennen.“

Auch Kazanc weiß um den großen Zeitdruck. In Baden-Württemberg besuchen aktuell gut 6000 Schüler islamischen Religionsunterricht, der in allen Schularten als Modellprojekt angeboten wird. Die Versuchsphase war letzen Sommer eigentlich ausgelaufen und wurde um ein Jahr bis Sommer 2019 verlängert, um eine Lösung für die heikle Trägerschaft zu finden.


Zigtausende junge Muslime warten

Ministerin Eisenmann drängt die Verbände. Ihr sei der Islamunterricht ein „wichtiges Anliegen“, weil er muslimischen Schülern eine fundierte Auseinandersetzung mit ihrer Religion eröffne. Der Bedarf ist zweifellos vorhanden. Nach groben Schätzungen leben allein in Baden-Württemberg 180 000 schulpflichtige Kinder, die mehrheitlich der sunnitischen Glaubensrichtung angehören.


Beim Religionsunterricht sind die Glaubensgemeinschaften sind für die Lehrpläne und die Inhalte der Lehrerausbildung zuständig, der Staat bezahlt die Lehrer. Verbände wie der der islamischen Kulturzentren (VIKZ) sind aber keine Anstalten des öffentlichen Rechts, sondern eher lockere Dachorganisationen von Moscheegemeinden.Wie in anderen Bundesländern konnten sich auch in Baden-Württemberg die verschiedenen Verbände nicht auf ein einheitliches Konzept verständigen.


Lange strittig war die Kooperation mit der Ditib. Die größte Islam-Dachorganisation untersteht der staatlichen Religionsbehörde Diyanet in Ankara, die wegen ihrer großen Nähe zu Präsident Recep Tayyip Erdogan in die Kritik geraten ist. Der Bund fördert keine Ditib-Projekte mehr. Erst nach langem Zögern gab die CDU-Landtagsfraktion ihre Ablehnung auf. Aber auch in den Reihen der Grünen herrscht große Skepsis angesichts der geplanten Zusammenarbeit mit Ditib.


In Regierungskreisen herrscht inzwischen Ernüchterung. „Die Forderungen der Verbände sind zum Teil gar nicht umsetzbar“, heißt es. Im Hintergrund denkt man über einen Plan B nach. Zur Not soll die Stiftung nur mit sunnitischen Experten besetzt werden. Falls gar nichts gelinge, wäre Ethik-Unterricht der letzte Ausweg.

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