Erich Mühsam (1923):

Sei willkommen, schwarze Schmach!
Strömt herbei, Besatzungsheere,
schwarz und rot und braun und gelb,
dass das Deutschtum sich vermehre,
von der Etsch bis an den Belt!
Schwarzweißrote Jungfernhemden
wehen stolz von jedem Dach,
grüßen euch, ihr dunklen Fremden:
sei willkommen, schwarze Schmach!
Jungfern, lasset euch begatten,
Beine breit, ihr Ehefrau’n,
und gebäret uns Mulatten,
möglichst schokoladenbraun!
Schwarze, Rote, Braune, Gelbe,
Negervolk aus aller Welt,
ziehet über Rhein und Elbe,
kommt nach Niederschönenfeld!
Strömt herbei in dunk’ler Masse,
und schießt los mit lautem Krach:
säubert die Germanenrasse,
sei willkommen, schwarze Schmach!
Und wenn jetzt jemand in der Person Erich Mühsams einen menschenverachtenden Deutschenhasser vermutet, dann hat er wohl nie etwas von ihm gelesen. Der am 6. April 1878, also vor 140 Jahren,
als Kind jüdischer Eltern Geborene war als deutscher Schriftsteller und Publizist maßgeblich an der
Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt. Das brachte ihm 15 Jahre Festungshaft ein, aus der
er nach fünf Jahren (Amnestie) freikam. In der Weimarer Republik setzte er sich für die Freilassung
politischer Gefangener ein. Nationalsozialisten verhafteten ihn in der Nacht des Reichstagsbrandes
und töteten ihn am 10. Juli 1934 im Konzentrationslager Oranienburg. Ernst Jünger schrieb in seinem
1943 entstandenen Tagebuch zu einer 1933 bei ihm erfolgten Hausdurchsuchung: Ich glaube, man
suchte Briefe des alten Anarchisten Mühsam bei mir, der eine kindliche Neigung zu mir gefasst hatte
und den man dann auf so schauerliche Weise ermordete. Er war einer der besten und gutmütigsten
Menschen, denen ich begegnet bin. Mühsams Gedicht „Sei willkommen, schwarze Schmach“ wurde
am 2. Juni 1992 gegen 19.15 Uhr im Deutschlandfunk von der Schauspielerin Lotte Loebinger in Liedform (Melodie der deutschen Nationalhymne) vorgetragen.

Quelle: Preußische Monatsbriefe Nr. 80, April 2018