Prozess in Heidelberg

"Wie ein Tier"

Paranoia machte 38-Jährigen zum Gewalttäter - "Krankheitsbedingt, nicht kulturbedingt"


Heidelberg. Abdul K. wird mit Hand- und Fußfesseln in den Saal des Landgerichts geführt, drei Polizisten nehmen rechts von ihm Platz, sein Anwalt und der Dolmetscher sitzen auf der anderen Seite. "Wie ein Tier", so wird es später ein Zeuge sagen, habe sich der 38-Jährige bei seinen Taten verhalten.

Dabei taugt der Fall um Abdul K. nicht für Vorurteile. Er ist tragisch: Dr. Rainer Niethammer, der als Sachverständiger am Verfahren beteiligt ist, attestiert dem Flüchtling eine Paranoia, die ihn zu den Taten veranlasste. Sein Verhalten Frauen gegenüber sei "krankheitsbedingt, nicht kulturbedingt", betonte der forensische Psychologe.


Wegen Nötigung, sexueller Belästigung, Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung landete der Syrer Abdul K. schließlich auf der Anklagebank. Von Anfang März bis Mitte Juni saß er in Mannheim im Gefängnis, seitdem ist er im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden (PZN) in Wiesloch untergebracht. Die Taten, die ihm vorgeworfen werden, haben sich Anfang des Jahres abgespielt.


Am 7. Januar bedrängte Abdul K. eine Frau im Café am Römerkreis, wollte ihre Handynummer, rückte nah an sie heran, folgte ihr und ihrer Freundin, versuchte die junge Frau mit einem Griff an die Schulter zurückzuhalten, soll schließlich gefragt haben, warum sie mit ihrer Freundin und nicht mit ihm Sex habe. Er hielt die beiden deshalb für homosexuell, weil sie sich mal am Rücken berührten.



Ebenfalls im Januar schlug Abdul K. einem Mitbewohner drei Mal mit der Bratpfanne auf den Kopf. Weil er ihn zum Aufräumen aufgefordert habe, erklärte der 25-Jährige im Zeugenstand. Einem anderen Mitbewohner sagte er mit vorgehaltenem Messer: "Ich stech dich ab." Schon zuvor habe Abdul K. ihn als "Spion" und "Teufel" bezeichnet, erklärte der.


Niethammer sieht nicht nur darin klare Anzeichen für eine psychische Störung. Der Syrer habe ihm bei der Untersuchung erzählt, seine Mitbewohner klauten ihm seine Deutsch-Hausaufgaben, veränderten die Antworten und schöben sie ihm wieder unter. Die "Tiere", so zitiert ihn der Sachverständige, seien neidisch auf ihn und seine Genialität. Deshalb wollten sie ihn daran hindern, voran zu kommen.



Bis Abdul K. seine Heimat verlassen musste, lebte er ein Leben in relativem Wohlstand, wie der Vorsitzende Richter Christian Mühlhoff feststellt. Abdul K.s Vater sei Händler gewesen, der junge Mann machte Abitur, ließ sich zum Physiotherapeuten ausbilden. In vielen Ländern habe er als solcher schon gearbeitet. Doch daran zweifelt nicht nur Mühlhoff. Die berufliche Laufbahn sei "in dieser Lebensspanne nicht möglich", erklärt Niethammer.


Abdul K. verkennt regelmäßig die Realität. Die schlimmsten Auswirkungen hatte das Anfang Februar auf einer Faschingsparty in Eppelheim. Ein eigentlich "familiäres Fest", erklärt ein Zeuge. Der 46-Jährige bekam mit, wie Abdul K. völlig ausrastete. "So etwas hab ich noch nicht gesehen", sagt der Eppelheimer und muss sichtlich mit seinen Emotionen kämpfen. "Eigentlich bin ich ein starker Kerl, aber jetzt grad nicht", entschuldigt er sich.


Weil er nett sein wollte, habe er Abdul K. eingelassen, sagt ein "Aufpasser" im Zeugenstand. Abdul K. bedrängte daraufhin wieder eine Frau, trat einen ihrer Begleiter, der den 38-Jährigen schließlich davon abbringen wollte. Daraufhin sollte er gehen, wollte nur noch seine Jacke holen. An der Theke rastete er wieder aus, zerschlug Gläser, wurde mit Gewalt Richtung Ausgang befördert, schnappte sich dabei eine Sektflasche, die er am Türrahmen zerschlug und versuchte damit, die "Aufpasser" zu verletzten. Mit vereinten Kräften gelang es denen, ihn zu bändigen. "Ich habe gewusst, ich darf die Beine nie wieder loslassen", sagt der aufgewühlte Eppelheimer.


Als sich die Situation beruhigt hatte, fing Abdul K. plötzlich an zu weinen. "Ich bin kein Psychiater, aber das war eine Masche", vermutet ein Zeuge. Der Psychologe Niethammer dagegen weiß: Abdul K. leidet an Paranoia. Das Gericht folgte ihm in seiner Einschätzung und ordnete die Unterbringung im PZN Wiesloch wegen Schuldunfähigkeit an.

https://www.rnz.de/nachrichten/heide...id,393993.html


Offensichtlich werden die Details der Vorkommnisse in diesem Artikel nicht geschildert, denn anders ist es nicht zu erklären, dass ein Zeuge, der eigentlich ein harter Kerl ist, mit den Emotionen und Tränen kämpft und sagt, so etwas habe er noch nicht gesehen, die dazu passende Komplettschilderung aber fehlt.