„Es gibt keine Deutschen auf Bewährung“











„Rassismus und Diskriminierung beschädigen die Demokratie“

Bundespräsident Steinmeier hat die Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit ausländischen Wurzeln scharf verurteilt. Hintergrund ist die derzeitige Rassismus-Debatte in Deutschland.





Frank-Walter Steinmeier hat seinen Standpunkt in der Integrationsdebatte deutlich gemacht. Für den Bundespräsidenten ist Deutschland ein Einwanderungsland. Es gebe keinen Unterschied zwischen Staatsbürgern – egal, wo deren Wurzeln liegen.




Das wohl heißeste Thema des Sommers diskutierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei Kaffee und Kuchen. Bei der „türkisch-deutschen Kaffeetafel“ an seinem Amtssitz im Berliner Schloss Bellevue hielt er eine Rede über Integration und darüber, was es heißt, zur deutschen Gesellschaft dazuzugehören.

Das Staatsoberhaupt machte dabei seine eigene Haltung unmissverständlich deutlich: „Zugehörigkeit wird nicht von oben verliehen wie ein Abzeichen und dann vielleicht wieder entzogen.“


Steinmeier forderte dazu auf, keine Unterschiede zwischen deutschen Staatsbürgern zu machen: „Es gibt keine halben oder ganzen, keine Bio- oder Passdeutschen. Es gibt keine Bürger erster oder zweiter Klasse, keine richtigen oder falschen Nachbarn. Es gibt keine Deutschen auf Bewährung, die sich das Dazugehören immer neu verdienen müssen – und denen es bei angeblichem Fehlverhalten wieder weggenommen wird.“ Es gebe nur die eine Bundesrepublik Deutschland, und alle ihre Staatsbürger hätten die gleichen Rechte und Pflichten. Steinmeier sagte, er sei stolz, dass er der Bundespräsident all dieser Menschen sein könne.





Über die früheren Gastarbeiter aus Italien, Griechenland und besonders der Türkei sagte er: „All ihre Geschichten gehören zu uns. Sie machen uns aus! Unser Land ist für viele neue Heimat geworden, doch deshalb muss niemand seine Wurzeln verleugnen.“ Deutschland sei ein Einwanderungsland geworden und werde es bleiben, auch wenn das manche nicht wahrhaben wollten.



Steinmeier sprach auch über die „#MeTwo“-Diskussion, in der sich Menschen mit Migrationshintergrund etwa über ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus geäußert hatten. Viele Kinder und Enkel von Einwanderern hätten berichtet, dass sie zwar hier geboren seien und sich anstrengten, aber nicht das Gefühl hätten, zur Gesellschaft dazuzugehören. Die Schilderungen dazu hätten ihn nicht losgelassen, sagte der Bundespräsident.

Er wandte sich dagegen, die Loyalität bei Menschen mit ausländischen Wurzeln infrage zu stellen. „Ein permanenter Verdacht gegen Zugewanderte, egal, wie lange sie schon in Deutschland leben, ist verletzend nicht nur für den Einzelnen.

„Gemeinsam gewinnen, gemeinsam verlieren“

Steinmeier sagte, dass eine vielfältige Gesellschaft anstrengend sei. Es sei zudem ein Irrtum, dass Integration ohne Konflikte ablaufe. Die Gesellschaft müsse aber lernen, diese Konflikte des Zusammenlebens auszutragen. „Ich wünsche mir ein Deutschland, in dem wir gemeinsam gewinnen und auch gemeinsam verlieren können!“, sagte Steinmeier und nahm damit eine Formulierung des zurückgetretenen Fußball-Nationalspielers Mesut Özil auf, an der sich die Debatte entzündet hatte.



Das feste Fundament der Gesellschaft sei die Verfassung sowie die Verantwortung vor der deutschen Geschichte. Steinmeier warnte vor der Erwartung, dass es bei der Integration einen harmonischen Endzustand gebe: „Unsere Heimat, der Ort, an dem wir in Freiheit leben und uns zu Hause fühlen – diesen Ort schaffen wir erst gemeinsam, immer wieder neu.“



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